Der Panama-Kanal - Iwan Lassang

Iwan Lassang

Goll, Iwan - der Panama Kanal

Der Panama-Kanal
A.R. Mayer Verlag
Berlin-Wilmersdorf
1914


Inhalt

Die Arbeit
I
II
III
IV
V
VI

Das Fest

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Die Arbeit

I

Wo einst der Karaibe träumend sein leichtes Geflöß
Ueber die Seen trieb, wo bunte Papageien
In verwachsenem Urwald hingen, und mit frechen Litaneien
Die Affen im Schlinggewächs sich verfolgten, bissig und bös,

Wo stolz der Spanier einst, waffenglänzend, mit leichtem Sieg
Die Erde küßte und wie Adam schon sein eigen nannte
Und gleich den Gott, der lohenden Feuern wie eine Blume entstieg,
Mit seinem Fuß zertrat, weil er den andern kannte,

Begannen kleine, schwarze Eisenbahnen
Wie Würmer nach einem Sturm im August,
Sich einzubohren in breiter Berge Brust;
Es flatterten des Rauches weiße Meldungsfahnen.

Sie fraßen rissige Wunden in die kreidigen Felsen,
Und starre Urwaldpalmen wurden rings gefällt,
Zu Scheiten, zu Stangen, zu Pfählen gespellt -
Die Kranenstorche flügelten überall mit langen, stochernden Hälsen.


II

Wo aber Steinwust lag, grau, mit grünem Mergel und Moor gefleckt,
War der Boden wie Aas so faul, und so gier und gar
Ging sein Fieberhauch, daß die Träume, die er gebar,
Zu giftigen Schwaden wurden, von weißer Sonne umbleckt.

Alle Mattheit, die die Erde schwitzte, ward zu wulstigem Moskitogewimmel,
Schwälte langsam wie Rauch über Graben und Trift;
Heißer wurde von ihrem Geschmeiß und Gesumm der Mittagshimmel,
Jeden Stich von Sonne füllten sie mit einem Schuß von Gift.

Und aus den Sümpfen stieg mit grünbraun unterwühlten
Augen eine Pest und überspie Tal und Plateau
Und hatte schwarze Zähne, und diese stanken so
Bei ihrem Biß, daß ihre Opfer schon wie Aas sich fühlten.

Doch wozu sprangen in Mexikos Länderein
Die braunen Petroleumbrunnen? Pest zerstörte Pest!
Bald waren Schlucht und Dschungel vom bunten Fett durchnäßt:
Und langsam wuchs in dieser Oede dann ein Telegraphenhain.


III

Rasend waren im Sommer die Ströme, warfen schäumend sich in den Betten,
Quollen vor Kraft und schweiften schlemmend durch das Tal;
Aber Dämme bogen ihren Lauf wie einen Degen von Stahl
Und zwangen die Wasser, daß sie in steile Betonwand sich retten.

Wie sie schäumten! Wie sie schrieen!
Nie ertrugen sie die falsche Gewalt der Dämme!
Und sie stauten sich und spieen,
Stürzten die Berge von Lehm und füllten sie wie Schwämme,

Tummelten sich im alten Bette wieder,
Fanden rasch die trockenen Strudelschnellen,
Würgten die angewachsenen Häuser und Schleusen nieder,
Sprangen wie Hunde mit Wutgeschäum und gereiztem Bellen.

Ratten waren die flirrenden Gewässer
Schrillen Rufs in Spalt und Riß, über Schienen und Deichen,
Ihre Wellenschwänze glänzten wie ein Spiel von Messern,
Und sie fraßen sich satt an gedunsenen Pferde- und Menschenleichen.


IV

Rings auch bäumte die Erde sich vor all dem Frevel,
Und ihr rindiger Leib, ihr dürstender, wand sich gequält
Wie eine Natter, wenn sie neu sich schält,
Bis aus rauchigen Schluchten stieg gelbbeizender Schwefel.

Gebirge, voller Licht und Schrei und Lauf,
Fielen wie Gips und Gebälk, Lehmlawinen
Untergruben Menschen, Schienen und Maschinen
-Totenstille staute sich auf . . .

Nicht ein Zeichen hatte das Beben angesagt:
Keinem Häuer entßel die Axt, keinem Heizer hatte der Hebel gezittert:
Aber Eidechsenrisse hatten die Mauern plötzlich benagt,
Dächer stürzten, Boden barst, Stangen und Steine wurden zersplittert.

Und ein müder, müder Regen floß
Und beweinte das begrabne Werk von Jahren,
Nirgends ward dem Menschen ein Bundgenoß:
Wo er neue Wiegen gebaut, türmten sich Bahren.


V

Städte indes, Städte waren wie Moos im Felsgespalt angeschossen:
Städte aus Ziegeln, Städte aus Stroh oder spitzem Gezelt;
Um ein Badehaus, ein Krankenhaus, ein Gotteshaus gestellt
Rauchten die Hütten der Werker, von Sonne wie Tran Überflossen.

Alle Rassen mischten sich: feurige und düstere Söhne,
Alle schluckten gleiches Himbeereis, alle brieten in gleichen Pfannen
Fische des Sees, und sie tanzten Sonntags zusammen;
Denn dies Eine band sie alle: Hunger und Löhne.

Aber unfern jeder Stadt und jeder Kolonie
Lagen die großen Totenstädte, bunt wie Gärten;
Täglich scholl hier fremder Völker Melodie,
Täglich andre Trauerzüge: solche mit ungeschorenen Bärten,

Andre, die stumm zum höchsten Fest des Toten schritten,
Andre, die bei lautem Klang des Gongs klagten,
was sie litten. O hier schieden sich die ewig fremden Erdensitten:
Wo ein Kreuz mit Kranz stand, wo ein Stein lag, roh und unbeschnitten.


VI

Da von Zeit genagt, von Blut gehöhlt, mit Gold ohne Zahl
Geätzt wuchs durch See, Gefels und Sandwust quer
Endlich der Kanal.
Bogenlampen leiteten ihn nachts von Meer zu Meer.

Tags aber war von Metall und Dampf und Pumpengefauch ein Schall,
Den manchmal nur eine Wolke von Dynamit
Dunkel überschäumte - und ihr Hall
Und Echo brach sich in Fernen erst, im Dschungel, wo kein Mensch noch schritt.

Je an Ein- und Ausgang wuchsen die eisernen Schleusen,
Jeden Zoll von kleinlichem Hammer beschlagen,
Ungeheure Flügel, von windigen Stahlgehäusen
Wie von Promethiden tief in das Bett getragen.

Und wenn diese Tore sich öffnen werden,
Wenn zwei feindliche Ozeane mit Gejubel sich küssen -
O dann müssen
Alle Völker weinen auf Erden.


Das Fest

Alles, was dein ist, Erde, wird sich nun Bruder nennen,
Alle Wasser, die bittern und die süßen,
Die kalten Ströme und die Quellen, die brennen,
Werden zusammenfließen.

Und dort wird der Herzschlag der Erde dauernd wohnen,
Wo des Golfstroms Natter sonnenschuppig sich ringelt
Und mit heißem Blutlauf die Kaps und Inseln aller Zonen
Umzingelt.

Feuerholz Brasiliens, Tannenstamm aus Nord
Und Europas glatter, gleißender Stahl:
Schiffe finden sich von jedem Dock und Fjord
Hier am Kanal.

Und der Rauch der Kohlen aus fernen Ländern und Schichten,
Aus tausendjährigem Wald, aus schwer zerdrücktem Quarz,
Wächst wie ein breiter Baum zu den Wolken, den lichten,
Aus der Erde Schwarz.

So ergießt in Freiheit jeder Erdfleck seine Schwere,
Wird zu Einem Himmel über der Völkerzahl,
Und beim Rauschelied der Motore und der Meere
Zittert der Kanal.

Rot, gelb, grün dazwischen hängen die Wimpelgirlanden
Von den Masten wie Vögel in einem großen Bauer,
Wiegen sich in bunter Parade in fremden Windes Schauer
Von Stange zu Stange.

Singt ein jeder das Lied seines Herrn und seines Lands,
Und es ist ein Geflitter von Sprachen und Lauten;
Aber die vielgereisten Matrosen und Argonauten
Verstehen sich ganz.

Alle Menschen im Hafen, auf den Docks, in den Bars,
Alle reden sich voll Liebe an,
Ob im Zopf, im Hut, in Mütze, ob blond oder schwarzen Haars,
Mann ist Mann.

Jeder Mann ein Bruder, den man schnell erkennt,
Jenes Aug' aus Mahagoni, jenes ein Dolch aus Erz,
Jenes, das wie ein Stern in ruhigen Nächten brennt,
Jenes, eine Blume voll Schmerz:

Ach die Augen aller trinken Brüderschaft
Aus der Weltliebe unendlich tiefer Schale:
Denn hier liegt verschweißt und verschwistert alle Erdenkraft,
Hier im Kanale.


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