Karl Kraus - Worte in Versen VIII



- Alle Texte sind orthografisch unverändert übernommen.
Die Anordung der Texte entspricht der Anordnung im vorliegenden Buch -


 

M A R Y   D O B R Ž E N S K Ý
gewidmet

 

Vergeltung

Tags dringt es tiefer mir in Aug und Ohr,
als Aug und Ohr tief darin eingedrungen.
So bleibt ein Rest von Leben, der geschlungen
sich bis ins Sinnendickicht mir verlor.

Ein Irgendwas entrann dem Stimmenchor,
der als Verhängnis meiner Stimme waltet,
Abriß von etwas, das noch ungestaltet,
und stellt sich mir am Tor des Traumes vor.

Ein Mißgestaltes hat mir mißgeklungen,
daß ich mich nachtwärts dieser Schöpfung schäme,
eh meine müden Sinne ausgerungen.

Und wie ich in das Schreckbild mich bequeme,
hat ein Geräusch mich in den Schlaf gesungen,
damit an Aug und Ohr es Rache nehme.

*

Das Kind

Die alte Miß schalt mit dem Kind,
und schweigend stand es diesem Walten.
Und Stille ward und nun erschallt
ein Vogelruf im nahen Wald.
Da sprach der Knabe zu der Alten
ein Wort, so kindlich hochgesinnt,
so klein und doch so Wohlgestalt:
O Miß, die Vögel hier im Wald —
was werden sie von deiner Stimme halten?

*

 

Radio

Hat Menschengeist Natur so aufgestört,
daß er sie zwingt, von allem, was da tönt,
ins taube Ohr der Menschheit zu ergießen?
Welch mißgestimmtes Maß im Allgenießen,
wie sie Musik aus allen Sphären hört
und nichts von jedem Jammer, der da stöhnt!

O Trost und Trug der Trübsal, die vernimmt,
daß irgendwo die Unbeschwerten tanzen
und irgendwo das Leben ohne Last.
Sie selbst trägt auf dem Rücken ihren Ranzen,
und die das Schicksal an der Kehle faßt,
erfahren, daß die Sänger wohlgestimmt.

Verkehrter Fortschritt in die Weltenkluft,
den schmerzvoll die Natur zur Umkehr wendet,
auf daß die Sänger mit den Hörern tauschen.
Erfüllt vom Gram der Erde sei die Luft!
Auf allen Wellen sei das Weh gesendet,
daß alle Frohen allen Seufzern lauschen!

Mißton der Menschlichkeit, Choral der Qualen,
stürz in das grausam lustverwöhnte Ohr
und lasse den Diskant der Dinge hören!
Und was als Wehlaut sich ins All verlor,
soll an dem Tag, der diese Schuld wird zahlen,
erschallen euch als die Musik der Sphären!

*

 

Der Strom

Meines Geistes Quell entsprang
deiner Schönheit Höhe.
Wie er wild die Welt durchdrang,
ward ihm wind und wehe.

Und entreißend Stück um Stück
häßlichem Geschehen,
immer zog es ihn zurück
nach der Schöpfung Höhen.

Wirbelnd schuf des Stromes Kraft
Haß in solcher Nähe,
sehnend, daß es aufgerafft
abwärts stiller gehe.

Eh' es mündet, werd' ich spät
jene Schönheit sehen.
Wie vom Ursprung angeweht,
werden Sterne stehen.

*

 

Inschriften



Die Zeitung

Ein Wust von Wahnsinn, Höllenschlünde klaffen,
das Wort ist leer und es gebärt die Tat,
Gebild aus Zufall und Naturverrat.
So ward das Chaos aus der Welt erschaffen.

*

Die Sage

Die unsagbarste aller Heldensagen,
erlitten und vergessen heut und hier:
Als die Väter des Kaisers Rock ausgetragen,
waren die Windeln aus Zeitungspapier.

*

Begleit- und Folgeerscheinung

Salutieren:

vor Narren die Hand zur Stirne führen.
Kriegführende Tröpfe:
darob schütteln noch heut die Kranken die Köpfe.

*

Ganz einfach

Diplomaten belügen Journalisten
und glauben es, wenn es aufgeschmiert.
Nun fehlt noch, daß auch die Völker wüßten,
wie man sie regiert und in Kriege führt.

*

Der große Betrug

Ein Stahlbad, sagten sie, sei der Krieg,
ein wahrer Krafterneurer.
Da ward bis zum unabwendbaren Sieg
uns das Vaterland täglich teurer.

Wir haben ihm Gut und Blut gezollt,
um dies Gefühl zu beweisen.
Bald kam die Zeit; wo man uns für Gold
nur Dreck gab und kein Eisen.

Sie haben uns den Magen genährt
mit dem Trost der besseren Zeiten.
Bis dahin konnten sie ungestört
Ein Diebstahlbad sich bereiten.

*

An einen Prälaten

Wie? Seelensanierung nach dem Kriege
betreiben die, die ihn betrieben?
Wenn nicht alles trügt, ist mit dem Siege
auch der Aufschwung der Seelen ausgeblieben!
Den sie zu einer Zeit uns verschrieben,
als wir Ungläubigen vor der Lüge
einer gottlosen Glorie von Dieben,
die ihren Nächsten zu lieben belieben
und ihm die Nahrung nahmen zur eignen Genüge,
schon spieben.

*

Je nachdem

Aus zwei Teilen besteht das Vaterland,
die nichts miteinander noch je verband,
und nichts wird sie je miteinander verbinden:
Wer nicht vorn steht, wird nur den Nachteil finden.

*

Anschluß

Wenn's zum Anschließen kommt, bleib' ich verdrossen
und laß meine Hände im Schöße ruhn.
Was hätte ich denn in Deutschland zu tun?
Ich bin an Österreich noch nicht angeschlossen!

*

Hindenburg

Das richtige Haupt für dieses Land,
jede andere Wahl war Lüge.
Kein deutsches Herz, das sich nicht erkannt
im Reglement dieser Züge.

Da gibt es nur Deutsche und keine Partei,
denn jegliche dafür einsteht:
nichts kann geschehn, solang fest und treu
ein Wachtmeister am Rhein steht.

*

Deutsche Natur

In der sächsischen Schweiz ist ein Wasserfall,
der nicht immer im Betriebe.
Wer sich erfreun will an seinem Schall,
vorerst eine Schiebstange schiebe.
Wirfst dann zehn Pfennig du hinein,
so wird die Naturkraft im Schwünge sein.
Und dazu spielt noch ein Grammophon,
daß in den Bergen die Freiheit wohn'.
Doch die sie genossen, beklagten zumeist,
sie wären von Feinden eingekreist.

*

Das Wunder von Ragusa

Wenn eine Madonna die Augen bewegt,
so ist das kein frommer Plunder.
Wo das käufliche Wort ein Kreuzel trägt,
da geschehn mehr Zeichen als Wunder.

Die Reichspost, die sich nicht fassen kann,
seit sie jene Kunde vernommen,
sie hält vor Schauder den Atem an —
das kann uns jedenfalls frommen.

Die Frommen staunen und stehen starr,
weil sich die Madonna bewegt hat.
Die Kunde klingt weit minder bizarr,
wenn man sie sich mehr überlegt hat.

Leicht nimmt das Volk als ein Wunder in Kauf,
was da wohl die Madonna behext hat.
In Wahrheit gehn ihr die Augen auf,
weil die Reichspost das Kreuz im Text hat.

Ja ist denn, was sie für Ragusa geglaubt,
in diesen Zeiten ein Wunder?
Die Muttergottes schüttelt das Haupt,
denn sie zweifelt an ihrem Funder.

*

Starker Gegensatz

Ich kehrte aus Deutschland soeben
zurück nach Österreich.
Dort gibt's kein schönes Leben,
und hier eine schöne Leich'.

*

Österreichs Beliebtheit

Es scheint uns wieder besser zu geraten,
nicht nötig ist's die Trübsal zu verlängern:
verdorben wurden wir durch Diplomaten,
gerettet von den Operettensängern.

Mit den zum Führerfach berufnen Fürsten
da hatten wahrlich wir zu wenig Glück.
Wenn schon vertreten von Hanswürsten,
dann, meint die Welt, gleich lieber mit Musik!

Selbst keinen Bismarck brauch'mr, fortgeführt
wird sein politisch garstig Lied zum Liedel:
was Schwert und Feder uns ruiniert,
das richtet man sich mit der Fiedel.

*     *
*

 

 

Nach Nestroy



(Der Zerrissene)
»Sich so zu verstell'n, na da g'hört was dazur«*



Wir hab'n einen kleinen, aber gemütlichen Staat,
Den saniert jetzt ein Kanzler, und der ist ein Prälat.
Als Prälat zelebriert er des öftern die Messe
Und als Kanzler verfolgt er dasselbe Intresse.
Doch halt . . . man muß ja auch der Presse und vor allen
Den Juden, versteht sich den reichen, jetzt g'fallen.
Man gibt Gott, was Gottes, und daneben den Banken,
Was ihnen gebührt, und sie können Gott danken,
Der wieder den Kaiser erhalten soll in einer Tour.
So all's zu sanieren, na da g'hört was dazur!

*



»So gibt es halt allerhand Leut' auf der Welt«*



In Deutschland geht's zu — na wer weiß, ob es wahr,
Im Bräuhaus bezwang erst der Hitler den Kahr.
Doch gelang es dem Kahr, aus dem Bräuhaus zu gelangen,
Ja noch mehr, gleich darauf auch den Hitler zu fangen.
Nur leider hat man noch nichts davon gehört,
Ob der Hitler zugleich auch den Kahr eingesperrt.
Den Kronprinzen haben s' hinein, den Ludendorff hinaus g'lassen,
Versteht sich gegen Ehrenwort, da ist nicht zu spassen,
Denn der Ludendorff hat die Ehre und der Stinnes das Geld.
So gibt es halt allerhand Republikaner auf der Welt.

*

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* Siehe Band VI und VII




(Der Talisman)

»Da hab' i schon g'nur«*




Das Schicksal hat sich endlich dem deutschen Volk zugewandt.
Jetzt macht sich's: der Kronprinz ist wieder im Land!
Wie ein' Bissen Brot brauchen s' ihn und der Heimat zum Glück
Kehrt er endlich als schlichter Privatmann zurück.
Und für alle Fälle gibt er noch sein Ehrenwort dazur . . .
No is das net g'nur?


Wie soll man das neue Geld titulieren?
Die Krone? Gott beschütze! Den Frank? Nicht anrühren!
Vielleicht Ostmark? Bei Wotan, da faßt mich ein Graus,
Da gibt die Nationalbank kein Papiergeld heraus.
Ein' Stüber! Da halt' ich Tasche und Nas'n mir zur.
Da hab' i am Namen schon g'nur!


Jetzt hat er uns ganz schon saniert, das ist g'scheit
Und das freut seine Leut' und auch unsere Leut'.
Er hat es bis heut' so erfolgreich betrieben,
Daß ihm zum Sanieren nichts übrig geblieben.
So saniert er die Seel'n noch in einer Tour.
Aber jetzt hätt' mr g'nur!


Das Letzte, was uns nach dem Weltkrieg geblieben,
Die Ehre, die hab'n wir dem Teufel verschrieben.
Der lacht sich in Genf seinen Buckel voll:
Tu felix Austria stehst unter Kontroll'.
Jetzt tut s' auf die Herrn aller Länder harr'n —
Und kriegt erst einen Schmarr'n.

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* Siehe Band VI und VII



Sitzt wo ein Paarl in ein' Separee,
Da ist ganz gewiß die Polizei in der Näh.
Hat ein Madl geliebt, und sie fürchtet die Schand',
So ist der Staatsanwalt gleich bei der Hand.
Rauben s' 'n Staat als a ganzer, macht die Augen er zur.
Denn das is wirkli net g'nur!


Wenn ich in der Woch'n recht aufhauerisch war,
Dann bet' ich am Sonntag aus'n Journal mit dem Bahr.
Gegen den ist der heilige Franziskus ein Schmock,
Und ich glaub' selbst an die Renaissance vom Barock.
Und Dorfkirchl schaut ihm halt alleweil zur —
Und hat no net g'nur!


Am Abend wird g'spielt, wenn niemand im Haus gleich,
Bei Tag, da ist Ausgleich, mit die Theater is's aus gleich.
Die Theaterrubrik handelt von Gerichtssaalsachen,
Das Publikum kriegt keinen Schlaf bei dem Krachen.
Ich bitt', sperren S' etwas geräuschloser zur.
Denn jetzt sind schon g'nur!


Er übertrifft ganz gewiß seine Vorgänger weit,
Frau Fanto trägt ein Ecru-Creme-Crepe-Souplekleid.
Sie sind alle erschienen, die Niedern und Obern,
Die Jugend will sich das Tanzrecht erobern.
Der Präsident der Concordia ist ein kreuzlustiger Bua;
Der hat no net g'nur!


Der Richard Strauß gilt als Wiens größte Geisteserscheinung;
Darüber hab' ich meine eigene Meinung.
Von mir heißt's, ich hab' nix und bild' mir was ein,
Als möchte von mir das »Schlagobers« sein.
Oder als war' ich gar Hausherr im Belveder*.
Ja, da hätt' ich mehr!


Ein Liebling entschließt sich, einen Vortrag zu halten.
Das ist nicht so leicht, hic Rhodus hic Salten!
Da läßt sich gewiß gewinnen viel Ehr'.
Doch g'hören ein paar Leut' halt ins Stehparterre.
Zwei Grenadiere zogen zu ein' Rendezvous.
No is das net g'nur?

Zweihundert Vorträge hab' ich gehalten:
Das ging nicht hinein in die Zeitungsspalten.
Das Schweigen war das beredteste Zeugnis,
Sie warn ja nur sprachlos vor dem Ereignis,
Was? Tot geschwiegen? Gar keine Spur:
Zweihundert is g'nur!

*

»Ja, die Zeit ändert viel«*



Fünf Jahr' sind's, da hatten aus Furcht vor dem Zorn
Des mißhandelten Volkes den Kopf sie verlor'n
Und auf den Knieen gedankt, daß das Volk ihn behalten
Und die Schmach nicht gerächt an den alten Gewalten.
Jetzt sind sie wieder frech und verachten die Hände,
Die sie leider bewahrt vor dem endlichen Ende.
Was gilt's — nach fünf Jahren sind sie wieder still!
Ja, die Zeit ändert viel!

Wie der Mortimer einst vor den Papst ist getreten,
Da verging ihm Hören und Sehen und Beten.
Wie ward ihm bei diesem besondern Begegnen,
Als jener daherkam, die Völker zu segnen!
Doch er hat sich derfangen und mit Interesse
Las ich neulich seinen Bericht in der Presse.
Denn die hat ja Gelegenheit beim Papst, wann sie will.
Ja, die Zeit ändert viel.

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* Siehe Band VI und VII


Ich denk's noch, es hat eine Zeit einst gegeben,
Da konnte man auch ein Theater erleben.
Längst ausgeträumt ist heute der Traum,
Selbst nicht für'n Schlaf hat die Raumbühne Raum.
Galgen und Radio sind der Sprache errichtet
Und kein Ohr vernimmt, was der Goethe gedichtet.
Der Zeit ihre Kunst, die die Herzen erfreut!
G'hört ihr schon, der Zeit.

Ich hab' in meinem Leben viel Kämpfe geführt
Und hab' die Feinde nicht vor den Feinden blamiert.
Was kann die satirische Mühe denn nutzen?
Im nächsten Krieg wird die Schalek den Graben ausputzen!
Nur die bleiben gesund, die das Wort umgebracht,
Als Spiegelmensch jeder ins Fäustchen sich lacht.
Sie leben, sie treiben, sie schreiben ihren Stil —
Meiner ändert nicht viel.

Die Zeit ändert nix, dazu hat sie ka Zeit.
Drum ander' ich, was damals gesungen, für heut'.
Heut' sah' auch der Nestroy nur alles verschandelt
Und nichts hätt' sich außer'm Couplet ihm verwandelt,
Unverändert die Dummheit, nur schwarz umrändert,
Hier schwarzgelb und dort schwarzweißrot bebändert.
Eh die Zeit mich totschlägt, hab' ich eine Freud':
Ich vertreib' mir die Zeit!

*




(Der konfuse Zauberer)

Lied des Konfusius von der Treue




Wer ewig sich bindet, der werde geprüft,
Doch die Völkertreu' wird ausgebaut und vertieft.
Sie gehn in den Weltkrieg gemeinsam z'erst und
Sie gehn dann auch Schulter an Schulter zu Grund.
Und selbstlos sagt jed's, schuld der andere sei.
Meiner Treu, es geht nix über die Nibelungentreu'.

*




»Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch da wer'n«



Die hat mich erheitert, daß ich tanzen grad möcht',
's is a schöne Erfindung, das schöne Geschlecht.
Wann einer das g'ringste geg'n die Frau'nzimmer sagt,
So hat er's mit mir z'tun. Gar mancher oft klagt,
Daß d'Weiber so schlimm sein, sie fahr'n ei'm in d'Haar,
Wann s' bös wer'n, ich glaub's nicht, o, das ist nit wahr,
Viele sagen, sie kratzen ei'm die Aug'n aus im Zorn,
Ah, so was tat' keine, 's ist ausg'sprengt nur wor'n.



Jodler, der abbricht

— Die Melancholie steigt herauf



Doch wann ich an mein Schicksal denk', 's is a stark's Stuck,
Da kommt mir die Melancholie wieder z'ruck.
Da tröst' mich kein Frau'nzimmer, all's is umsunst,
Denn was d'Weiber red'n, is nur blauer Dunst.
In der Mod' zeigt sich der Charakter vor all'n,
Von einem Extrem tun s' ins andere verfall'n.
Früher konnten die Ärmel nit weit genug sein,
Bei der Tür haben s' nur können nach der Seiten hinein,
Jetzt tragen sie s' ganz eng, ohne Falb'ln, ohne Kraus',
Mancher Arm nimmt sich wiar a Tabakröhrl aus.
D'Frisur war ganz g'schleckt auf chinesische Art,
Jetzt sein s' wieder auf unbändige Locken vernarrt.
Solche Locken, die decken oft 's ganze G'sicht zur,
's schaut nix als a langmächtige Nasen hervur.
Ja, so was zu sehn, sei es auch nur von fern,
Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch da wer'n.


Trauerjodler, der abbricht

— Die Melancholie versinkt




Doch gibt es ja Gottseidank außer ein' Weib
In den heutigen Zeiten auch sonst Zeitvertreib.
Man kann sich bei Tag und bei Nacht jetzt zerstreu'n
Und sich täglich zweimal seines Lebens erfreu'n.
Die Welt steht am Kopf und der Papst hat a Freud'
Und gesagt hat er's einem von unsere Leut'.
Man muß sich's nur vorstell'n, so vergißt man es nie —
Die Freie Presse befreit von der Melancholie.



Jodler

— Die Melancholie steigt herauf



Drum les' ich die Zeitung; doch ich geh' in kein Stuck,
Sonst kommt mir die Melancholie wieder z'ruck.
Sitz' ich im Theater, da is alles umsunst —
So Theater zu spielen, das is schon eine Kunst.
Jetzt spiel'n s' ohne Kulissen; denn ohne Talent
Sie spielen zu sehn, das war man schon g'wohnt.
Im Bühnenraum fallen sie durch und darum
Drehn sie ihn halt spielend in a Raumbühne um.
Das Kulturgwandl g'wendet, is als a ganzer kein Rock,
Aber die Zeit hat ihre Kunst halt und die Zeitung ihr'n Schmock.
Nach allem, was ich von dem Zauber gehört.
Soll er faul sein: die Herrschaften zaubern verkehrt.
Das is nix für mich, nein vor so was mir graust
Und ich bin ja ein Magier auf eigene Faust.
Doch zum Nestroy ins Burgtheater — glaub'n S', da geh
ich gern?
Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch dort wer'n!



Trauerjodler

— Die Melancholie versinkt



Doch das politische Theater reißt mich wieder 'raus —
Da kann ich mich kugeln, da spend' ich Applaus!
Da gibt's noch a Hetz', da bedrückt uns kein Weh,
Und im rechten Moment haben s' die rechte Idee.
Is die Republik betteltutti, da wissen s' ein' Trost:
Sie geben ihr ganz einfach die Habsburger in Kost.
Da pumpert mein Herz, ich kann gar nicht sagen wie —
Sehn S', der Seipel saniert von der Melancholie!



Jodler
— Die Melancholie steigt herauf


 

Mir wird konfus bei dem Zauber, und wenn auf die Republik
Fällt mein Blick, kommt mir gleich die Melancholie wieder z'rück.
Ich denk' mir, dafür hat's einen Weltkrieg gegeben!
Sie wollen, was sie erlebt hab'n, halt wiederum erleben.
Den aufg'wärmten Kaiserschmarrn möchten s' noch einmal
essen,
Aber daß er ihnen im Magen g'leg'n, das hab'n s' vergessen.
Ja, die Weisheit der Welt an dem Grundsatz sich spießt:
Aufs Gehabte gibt der Jud nix, dafür aber der Christ.
Zur Freiheit, sag'n s' selber, sind sie halt noch nicht reif,
Und ich muß offen gestehn, daß ich den Stolz nicht begreif.
Denn ich glaub' halt und ich bin es zu sagen so frei:
Sie sind nicht einmal reif noch zur Sklaverei.
Durch Schaden werd'n s' dumm, können vom Krieg nicht
g'nug kriegen
Und das Volk, sagt der Nestroy, is ein Ries' in der Wieg'n.
Und der braucht einen Knirps halt zu seinem Herrn.
Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch da wer'n!



Trauerjodler

— Die Melancholie versinkt



Trotz allem, ich g'freu mich, 's wird alles wie früher,
Der Tod und die Not waren schlechte Erzieher.
Zu was brauchen wir diese republikanischen Faxen?
So lass'n mr dem Doppelaar die Flügerln halt wachsen!
's is allerhöchste Zeit, daß er dasteht wie a Phönix.
Die hier harr'n des Kaisers, die drüben des Königs.
Krieg'n mr erst diesen Schirm wieder, is mit'n Mieterschutz aus
Und bei die Hausherrn da zieht die Melancholie aus'm Haus.



Jodler

— Die Melancholie steigt herauf



Doch auf einmal verstummt nun das Freudengeschrei:
Der Wirt hat die Rechnung g'macht ohne die Partei!
Die blast ihm zum Rückzug und feuert Decharge
Und statt n Doppeladlermarsch spiel'n s' den Zinsgeiermarsch.
Statt mit dem Friedenszins friedlich herauszurücken,
Werden die Pultdeckel geschlagen als wie eine Brucken,
Daß in dem Schlachtengetös vergeht Hören und Sehn
Selbst dem edlen Ritter dem Prinz Vaugoen.
Und mit Trommeln und Pfeifen, Trompeten und Tschinell'n
Spiel'n s' besser als die beste Militärkapell'n.
Die alte Musik war zur Begleitung der Toten;
Den Lebendigen spiel'n s' auf nach ganz anderen Noten.
Denn die woll'n nix als daß zu des Vaterlands Ehren
Die Mütter auch ferner in Schmerzen gebären
Und der Zins sei erhöht an Gut und an Blut.
Nein, da wird selbst dem Teufel melancholisch zu Mut!



Trauerjodler

— Die Melancholie versinkt



Bläst man manchmal auch Trübsal in dem Land aus Passion,
So pfeift's doch auch wieder aus ein' ganz andern Ton.
Da gibt man den Glauben an den Staat noch nicht auf,
Denn der hat a Justiz und die nimmt ihren Lauf.
Sie ruckt aus, von die großen Dieb' einen zu hängen —
Nein, da woll'n wir uns nicht in die Amtshandlung mengen!
Zwar, grad wie's ihn fangen woll'n, is er auf und davon,
Aber wann er zurückkommt, da kriegen s' ihn schon,



Jodler

— Die Melancholie steigt herauf



Ja, ein Frauenzimmer gibt es, die kenn' ich vor allen,
Die ist eine G'fallene, aber mir tut s' nicht gefallen.
Denn sie ist dem nur zu G'fallen, der von Rang und von Macht,
Und ich glaub', sie geht unbefugt aus bei der Nacht.
Sie ist nicht sehr schön und ist längst schon kein Kind,
Aber sie spielt blinde Kuh und hat vor d'Augen a Bind'.
Mit die Großen spielt s' Fangerl, aber die Kleinen tut s' fangen;
Manch ein Fuß bleibt jetzt frei, manche Hand hat heut Spangen.
»Ohne Anselm der Person« — das is reiner Hohn,
Man sieht bloß, ohne Ansehn steht s' da, die Person!
Und seh' ich, wie sie's treibt im Namen der Republik,
Da kommt mir die Monarchie wieder z'rück.
Und der Castiglioni kommt z'rück und 's is alles gerührt
Und sie sagen Hab' die Ehre, wem Ehre gebührt,
Und der Staat kann ihn gern hab'n, wie er ihn hat gern.
Mit Gewalt muß der Mensch patriotisch da wer'n!



Trauerjodler

 

*

Der Mäzen

Er sitzt nicht in der Galeere,
er sitzt in der Galerie.
Die Justiz sagt Habe die Ehre
zu einem Finanzgenie.

Wer einen Schilling gestohlen,
erlebt ihren vollen Verdruß.
Doch erlaubt sie, zehn Rubens zu holen
mit etwas Spiritus.

Am allergeringsten Diebe
erstarkt ein schwächlicher Staat.
Mit christlicher Nächstenliebe
umfängt er ein Syndikat.

Stets steht er auf seinem Posten,
wenn wer ein Stück Fleisch stibitzt.
Dem wird's den Hals nicht kosten,
der ihn bereits besitzt.

Veruntreuung? Was denkt man!
Es spielt in höheren Rängen!
Die kleinen Sammler hängt man,
die großen läßt man hängen.

Nie wird die Gerechtigkeit handeln,
ohne durch die Binde zu sehn.
Unter Palmas ungestraft wandeln
gestattet sie dem Mäzen.

Und nach Italien reist er,
und sie nimmt vor ihm ihren Lauf.
Kehrt er heim, so hängt er die Meister
gleich über der Kassa auf.

Manch Tiepolo blickt hernieder
auf diesen Tatbestand.
Wo auf der Welt gibts wieder
ein so kulturvolles Land?

Manch Corregio glüht in Farben
von einer unsterbüchen Scham,
daß Gottes Geschöpfe starben
und dieser ihn bekam!

Millionen Augen geschlossen
für solches Vaterlands Ehr'
und Gottes Schöpfung genossen
von einem Millionär!

Erstickt alles göttliche Sehnen,
kein Meister ruft es zurück.
Die Kunst gehört den Hyänen
und ihrem berufenen Blick.

Da fehlt ein Bild; vermißt es,
wo himmlische Gnade starb.
Ein Höllenbreughel ist es,
den sich diese Welt erwarb.

*

 

Inschriften



Aufruf

Nichts hab auf dieser großen Gotteswelt
ich mir mein Lebtag schwerer vorgestellt
als daß selbst sie, des holden Lebens Diebe,
getaucht ins tiefe Element der Triebe,
erleben den Moment des in der Lust Seins,
den einen, letzten, eines Unbewußtseins —
verwandelt, wie es da handelt und redt,
zu dem gottlosen Greuel: der Bürger im Bett.
Natur zu rächen, ruf ich die Naturen
zum Generalstreik der Mütter und Huren!

*

§ 144

Aufhebung des Verbots? Daß ich nicht lache!
Es bleibt immer eine halbe Sache.
Nichts hilft als vor dieser Schöpfung Nieten
die Fruchtabtreibung zu gebieten!

*

Derselbe

Die Geburt geschah hinterm Gitter,
ein Paragraph war die Zange.
Wird dieser Menschheit nicht bange
bei der Musterung der Mütter?

*

Derselbe

Von einem andern Schöpfungsfluche tat ich hören:
Mit Wut sollst du Kinder gebären!

*

Derselbe

Zu groß ist der staatliche Widerstand,
es wird alles beim Alten bleiben.
Den Müttern gedenkt einst das Vaterland
die Erwachsenen abzutreiben.

*

Derselbe

Bewahret euch vor dieser Zukunft Graus,
die Früchte werden's fürchterlich vergelten.
Treibt ihr sie nicht ab, sie wachsen sich aus
zu Richtern und Staatsanwälten!

*

Veränderung

Wie ich das Aussehn unsrer Themis finde?
Mir scheint, als ob sie sich verändert hätt'.
Sie hat vor den Augen keine Binde,
doch vor der Stirn ein Brett.

*

Eine heißt jetzt anders

Wenn eine der nicht befugten Damen,
um ihr Gewerbe weiter zu treiben
und dabei unerkannt zu bleiben,
plötzlich verändert hat ihren Namen,
in solchem Falle sagt sich, es sei
bedenklich, die Sittenpolizei.
In ebendemselben Sinne sei
gemeldet, daß eine von diesen Damen,
um ihr Gewerbe weiter zu treiben
und dabei unerkannt zu bleiben,
plötzlich verändert hat ihren Namen.

*

Die Schnüffler

Ein Griff — ein Bett! verheißt die Zeitung hinten,
sie, die um Geld noch jedes Schlaflied pfiff.
Und vorne schreibt sie mit ganz andern Tinten.
Liegt wer schon drin, so gilt: Ein Bett — ein Griff!

*

Bekanntlich

Wie's mit dem Lettern- und Lügenschall
der Presse in Wahrheit bewandt ist?
»Bekanntlich« sagt sie von jedem Fall,
wo ihr nicht das geringste bekannt ist.
Da macht sie sich wahrlich nicht allzuviel draus
und setzt, was nicht ist, als bekannt voraus.

*

Gerüchte

Warum man so viel mir nachsagen kann
und wie ich dennoch bin heil?
Etwas ist stets an den Dingen dran,
nämlich das Gegenteil.

*

Der Wicht

Kein wahres Wort hat der Wicht noch verloren,
er muß sich alles aus dem Finger lutschen.
Jetzt sagt er, ich sei mit einem Buckel geboren.
Ist es wahr, kann er mir ihn herunterrutschen.

*

Derselbe

Seht, wie er es aufdeckt, wie er alles erhellt
und die Dinge ins rechte Spülicht stellt.

*

Tempora, mores

Wie einer einst im Kinderzimmer,
was sich nicht schickt, hat angestellt,
dergleichen erlebt man zwar noch immer,
doch mehr publizistisch, vor aller Welt.
Der Lausbub hat sich aus dem Winkel gestellt.

*

Das Ideal

Es gehört zu der Welt allerseltsamsten Dingen,
daß Druckerschwärze dem Gedanken wird:
einer werde zerspringen.
Doch wie eben menschliches Streben irrt:
es wird nicht gelingen.

*

Das gute Gewissen

Ganz resolut, als ob's in Ordnung wäre,
verübt der Zeitungslump die Lumperei.
Kein Wertbestand, der ihm nicht einerlei,
das Schänden, scheint es, schafft die wahre Ehre.
Den ehrlichen Mann erfaßt ein Neid
vor dem guten Gewissen der Schlechtigkeit.

*

Das Infamilienblatt

Nein, keine Peitsche, sie vermehrt das Gfrett,
man muß da die Methode tauschen.
Geprügelt kroch der Köter unters Bett,
um das Geheimnis besser zu belauschen.

*

Austausch der Werte

Wie der Familie längst die Prostitution gelungen,
so ist der Bürgersinn auch ins Bordell gedrungen.
Die Tugend trägt viel Schmutz und Schlacken
und das Laster ist freudenhausbacken.

*

Der Heuchler

Gleich solchen, die da tugendlich prunken,
hab ich mich insgeheim entschädigt.
Ich habe Wein gepredigt
und Wasser getrunken.

*

Merkspruch für Eheleute

Gar manche Ehe war' wieder verbunden,
hätten die Teile die Trennung vom Tisch gefunden.

*

Eifersucht

Wie er sie selbst in seine Arme nahm
und keinen Grund zur Eifersucht nun hatte,
ihn nichts so sehr wie diese überkam:
das war die Sicherheit, er sei der Gatte.
Und weit und breit war keine andre Seele.
In solchem Zweifelsfalle fand er Rat:
und so ertappt' er sich auf frischer Tat
und packte sich bei seiner eignen Kehle.

*

Perversität

Der Sinn der Sinnenlust: daß Leiber sich erlaben.
Weh dem, der sich vermißt, dabei noch Geist zu haben!

*

Die Anregenden

Als sie zu dir kam, ach wie warst du angeregt!
Du bist's und bleibst's, seit sie sich von dir fortbewegt.
Im Schatten ruht sich's gut des selbstgeschaffnen Lichts,
und nichts verlierst du, stellst du deine Sach' auf nichts.

*

Die Unentbehrlichen

Ohne Frau könnt' man nicht leben?
So lasse man sich begraben.
Mir soll sie die Kraft erheben,
bis ans Grab grenzt dies mein Streben,
denn wahrlich, man braucht sie eben:
ohne sie nicht gelebt zu haben.

*

Post festum

Schöner als in die Sonne zu sehn
ist es, vor ihr die Augen zu schließen.
Dann erst werden sie Übergehn
und du wirst Farbenwunder genießen.

*

Gewitter im Winter

Allbekannt sind jene Blitze,
hergebracht vom blauen Dunst.
Wettern sie durch Sommerhitze,
ist's Natur und keine Kunst.

Aber wenn im Frost erzittert
jeglicher Naturbesitz,
welch ein Wunder, wie's gewittert!
Und den Winter traf der Blitz.

*

 

Du bist so sonderbar in eins gefügt

Du bist so sonderbar in eins gefügt
aus allem, was an allen mir behagte,
Du hast etwas von einer, die belügt,
und von der andern, die die Wahrheit sagte.

Du hast den Blick, der mir zum Glück genügt,
die Stimme, die es fühlte und nicht sagte;
begrenzt wie die, an die der Wunsch sich wagte,
unendlich an Erfüllung angeschmiegt.

Die Züge der Besiegten, die besiegt,
sind Spiegel aller Wonne, die mich plagte
und allen Zwistes, der am Herzen nagte,

und daß ich mich vergnügte und verzagte,
und wie ich im Gewinn Verlust beklagte
von Federleichtem, das ein Leben wiegt.

*

 

Am Kreuz

Du, die so grenzenlos im Ungefühl,
dich auszudenken wird ein Fluch dem Beter!
Zum Pfuhl des Abgrunds weitet sich ein Pfühl,
dein Gnadenblick wird zum Verräter.

Und diesen Weg, der weit von mir dich führt,
ihn wandelt meine Lust bis an das Ende,
wo jenes Feuer, das du aufgerührt,
verflackert an der Wahnsinnswende.

Dort steht ein Kreuz, das ich mir selbst erbaut
aus zwei Gedanken, die einander kreuzten:
ich hab dem Himmel Gluten angetraut,
die mir die Hölle überheizten.

Welch eine Sehnsucht hat mich aufgestürmt,
daß ich an der Erfüllung leide.
Weh, daß ich einen Reichtum mir getürmt,
um den ich als dein Bettler mich beneide!

*

 

Das Wunder

Als von tiefen Abendschatten ward mein armes Herz
                                                                    verdunkelt,
sah ich plötzlich, daß ein Stern noch mir in deinem
                                                                 Auge funkelt.
Und durch deine Züge zog ein Leuchten wie von
                                                                 jenem Lichte,
als der Schöpfer sich erkannte in der Schönheit
                                                                     Urgesichte.
Da ich schaudernd mich vermutet außer des Natur-
                                                             glücks Grenzen,
unvermutet übergoß mein armes Haupt ein
                                                             großes Glänzen.
Denn durch deine Züge zog ein Leuchten wie von
                                                                 jenem Lichte,
und es standen Nachtgedanken strahlend auf als
                                                                   Taggedichte.

*

 

Und liebst doch alle, liebt dich einer so

So brauchst du niemand außer dir zu lieben
und liebst doch alle, Hebt dich einer so.
Und länger weilt der Augenblick, wo hüben
dein Auge blickt, der Ewigkeiten froh.

Und Freudenfeuer brannten lichterloh,
als ich aus jenes Zweikampfs Kräftemessen
in deine unbesiegte Ohnmacht floh,
und Wissen sank in seliges Vergessen.

Sag mir die Landschaft, die dein Auge sah,
da du dir nichts und alles ließt gefallen,
und welcher Himmelskörper war dir nah?

Und welche Sphäre hörtest du erschallen?
Denn außer dir war nichts zur Liebe da,
und sie war nicht von einem, nur von allen.

*

 

Die Schauspielerin

Das Stichwort fällt, gleich trittst du auf,
es drängen Partner sich zuhauf,
und stets gebeten, nie bedankt
spielst du, was man von dir verlangt,
und wie den vielen es gefiel,
stehst du und alles auf dem Spiel,
und oft gespielt und immer neu
und jeder will, daß er es sei,
und jeder durch die Maske spricht,
der nicht erkennt das Urgesicht
der monotonen Vielgestalt
und Wechselblicks Naturgewalt;
blickst insgeheim dich um und um,
spielt mit das ganze Publikum
und jeder fragt, wer heut sie war',
man flüstert, Eros sei Souffleur;
süß schwindet diese Stimme hin,
die sich verlor vor Anbeginn,
es lebt sich, bis der Vorhang fällt —
Applaus, versunken ist die Welt.

*

 

Inschriften



Analyse

Löst es nur auf und unbefangen dringt
bis auf den Rest der Werte und der Sachen.
Verschont die Kunst nicht, der es doch gelingt,
aus der Lösung wieder ein Rätsel zu machen.

*

Die Sprache

Mit heißem Herzen und Hirne
naht' ich ihr Nacht für Nacht.
Sie war eine dreiste Dirne,
die ich zur Jungfrau gemacht.

*

Herrin und Magd

Die Sprache beherrschen? Das war' mir recht;
spricht man nur laut, gleich ist sie still?
So beherrsch' ich die Sprache, die ihr sprecht —
die meine macht mit mir, was sie will!

*

Arbeit

Die Qual, sie läßt mich nicht zur Wahl?
Ach doch, zum Schluß wähl' ich die Qual.

*

Kunstgeschmack

Ein Greuel vor Gott wird seine Welt,
wenn über Gott und die Welt der Philister spricht,
der das Kunstwerk für eine Genußsache hält
und die Genußsache nennt ein Gedicht.

*

Die Freiheit, die ich nicht meine

Die Freiheit, die möcht' ich echt haben,
drum möcht' ich sie früher befrein
von solchen, die zwar recht haben,
doch ohne berechtigt zu sein.
Denn die, deren die sich erfrecht haben,
ist die Freiheit nicht, die ich mein'!

*

Polemik

Was immer drauf los mit dem Knüppel geht,
das sind keine Künstler, nur Knoten,
Satiren, die der Zensor versteht,
werden mit Recht verboten.

*

Die neuen Räuber

Ein freies Leben auf des Weltkriegs Särgen
besingt der neue Libertinerchor,
Nur fehlt den Schufteries und Spiegelbergen
ein Schweizer und zumal ein Moor.

*

Bekessys Sendung

Die Freiheit hat dem Auswurf erlaubt,
die Korruption zu verkünden.
Hoch trägt die neue Presse das Haupt,
auf dem die Butter zu finden.

Die alten Diebe waren bedacht,
den Raub in Ruhe zu teilen.
Sie haben damit kein Aufsehn gemacht,
sie stahlen zwischen den Zeilen.

Die Schmach, die unter die Sonne sich traut,
sie glänzt in den fettern Lettern.
Den hellen Mittag durchdringt der Laut
von den neuen Revolverblättern.

Die Sorte kennt ein Erröten nicht
auf ihren verbotenen Spuren.
Und stolz ruft sie der Scham ins Gesicht
das Bekenntnis: Mir san Huren!

*

Verlust des Adels

Der Staat will den Adel aberkennen,
als hätte er diesen bloß geborgt.
Vom Titel mag er getrost sie trennen,
die's mit dem Charakter selber besorgt.

*

Der Heros

Die Lorbeern riechen nach dem Rum der Taten,
ein Rauf- und Saufgraf findet seine Literaten.
Sie sagen, daß er rülpse? Keine Spur,
sie spüren nur die Renaissancenatur.

*

Die Journalisten

Wie unberufen bunt sie es doch treiben
mit der Berufsmacht und den Gottesgaben:
sie schreiben, weil sie nichts zu sagen haben,
und haben was zu sagen, weil sie schreiben.

*

Das Berufsgeheimnis

Viele würden in Redaktionen rennen,
bedürfte es nicht die spezialste der Gaben.
Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben:
man muß ihn auch ausdrücken können.

*

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten

Für den Lebenslauf versorgt und mit List
ist ausgerüstet die Rasse.
Drum wenn einer von ihnen ein Trottel ist,
dem trau' ich nicht über die Gasse.

*

Die Stunde

Wenn sie stets dümmer und gemeiner haust,
wir haben dennoch keine Sorge drum.
Die Stunde kommt, wo's vor ihr selbst ihr graust,
und einmal wird sie sich zu dumm.

*

Die Ehrlichen

Man zeigt heute unverhohlen,
was einer dem andern stahl.
Und wer vor den andern gestohlen,
der gilt als Original.

*

Fortschritt

Mit Gänsekiel, vor Lampendocht,
und dennoch haben sie 's vermocht
und waren deutsche Dichter.
Von euch wird, was nicht in euch drin,
diktiert in eine Schreibmaschin',
elektrisches Gelichter!

*

Verschiedene Sachlichkeit

Der eine Fall ein zweifach Bild dir mache
vom Unterschied zwischen Sein und Scheinen:
Ich spreche von mir und meine die Sache,
und sie von der Sache, um sich zu meinen.

*

Ersatz

Ihr schwiegt mich tot, ich kann's ertragen,
es wird mir einst um den Ersatz nicht Not sein.
Und bis dahin hab' ich euch tot geschlagen.
Es möchte kein Hund so länger tot sein!

*

Jedem das Seine

Ich darf wohl sagen, viel Feind viel Ehr',
an mir hat das Sprichwort nicht gelogen.
Ich hab', war der Haß gleich zentnerschwer,
mit Epigrammen ihn aufgewogen.

*

Produktion

Die Fülle meines Werks ist ungemein:
mir fällt zu jedem Dummkopf etwas ein.

*

Metamorphose

Ich muß dem Anlaß zu viel Ehre geben,
vergrößern das Winzige und das Versteckte.
Ist es geschehn, dann erst erkennt man eben
die Würdigkeit meiner Angriffsobjekte.
Und wenn ich's dann noch einmal getan,
hat jeder seine Freude dran.

*

Die Antwort

Sie vernichten mir den polemischen Zweck,
wenn sie sich stolz vernehmen lassen:
Wie kann einer nur mit solchem Dreck,
wie wir sind, immer sich befassen!

*

Ich als Stellvertreter

Mancher hat nicht viel, doch er hat's von mir:
das trägt mir noch weniger Dank ein.
Er haßt mich darob, denn war' ich nicht hier,
so nahm' er gewiß meinen Rang ein.
Der Gedankengang, der sich richtig erweist,
läßt den Anspruch begreiflich erscheinen:
vielleicht hätt' er doch ohne mich mehr Geist;
da ich da bin, hat er ja keinen.

*

Meine Eitelkeit

Sie kennt nachgerade keine Grenzen:
ich bilde mir ein,
was ich bin, zu sein
und durch nichts, was jene sind, zu glänzen.

*

Der Unterschied

Sie schienen schwer den Unterschied zu fassen,
und aller Zwist war doch im Zweierlei:
Ich gab mein Herz dahin im Hassen,
sie wußten nicht, was Liebe sei.

*

 

Optimismus

Wann wird es auf dieser Welt einmal besser?
Wenn mit Gas nicht gekämpft wird bis auf das Messer;
wenn nicht mehr gedruckt wie gelogen ist
und auch sonst die Sanierung vollzogen ist;
wenn Wilhelm sich wieder nach Deutschland traut
und schon alles vertieft ist und ausgebaut;
wenn der Bolschewismus nicht einmal schleicht,
sondern endlich die Monarchie ist erreicht;
wenn Deutschland verschmäht viel Feind, viel Ehr
und Österreich hat einen Fremdenverkehr;
wenn der Papst nicht mehr durch die Presse segnet
und man Herrn Reinhardt in keiner Kirche begegnet;
wenn der Bahr sich wieder zum Freigeist häutet
und das Kreuz kein Inserat mehr bedeutet;
wenn der Kerr seine Sachen fortlaufend schreibt
und der Leser dennoch zur Stelle bleibt;
wenn in Berlin kein Ruf mehr wie Donnerhall braust
und der Werfel dichtet auf eigene Faust;
wenn von der Jeritza nichts mehr gedruckt wird
und auch sonst auf Kulissenaffären gespuckt wird;
wenn die Mädchen sich nicht für den Moissi zerreißen
und schlechte Schauspieler nicht Prominente heißen;
wenn die Beamten sich nicht ins Privatleben mengen
und die Hausmeister nicht mehr am Radio hängen;
wenn wieder die Trottoirs gereinigt
und man in keiner Kaserne Soldaten peinigt;
wenn an den Hochschulen mit Köpfen studiert wird
und nicht mit Kappen um sie herumspaziert wird;
wenn die Gerechtigkeit wieder ihr Ansehn mehrt
und ohne Ansehn der Person verfährt;
wenn der Ramsauer lehrt, wie man Kinder verhindert
und auch die Not der Erwachsenen lindert;
wenn man nicht die kleinen Diebe hängt,
sondern lieber den Castiglioni fängt;
wenn die Presse meinen Erfolg verstärkt
und mich unter andern auf ihrem Balle bemerkt;
wenn der Mietenausschuß einst nicht mehr tagt,
wenn die ,Stunde' einmal die Wahrheit sagt,
wenn die Schalek in Japan den Vortrag hält —
dann wird es besser auf dieser Welt!

*

Nach Nestroy



(Judith und Holofernes)

»Man findt's ganz natürlich und kein Hahn kräht danach«*

[Motiv: Biblische Wunder]




Wunder gibts keine mehr, 's war' ein Wunder auf Ehr',
Wenn ein Beamter der Republik ein Republikaner auch wär'.
Aus 'n Geburtstag der Republik tun s' ein' Trauertag machen,
Denn fünf Jahr' sind grad um, seit die Monarchie tat verkrachen.

          Das ist 's letzte Wunder:
          Es lebt toter Plunder.

Bunt treiben es die republikanischen Richter vom Bund,
Monarchistische Gesinnung ist Strafausschließungsgrund;
Und der Herr Bundeskanzler, er wünscht heut der Republik
Das Glück, daß er bald ihr könnt' abdrehn 's Genick.
Wo steckt er denn heut? Wie begeht er den Tag?
Er fährt zum Herrgott nach Salzburg und kein Hahn kräht
ihm nach!

Lebt einer in dem Land schon ein halbes Jahrhundert,
Da wär's wohl ein Wunder, wenn den noch was wundert.
Nicht genannt soll er wer'n, schweigt ihn tot bis ans End',
So hieß es im alten, im neuen freien Testament.

          Was dort steht, das ist wahr,
          Bis in hundert Jahr.

Und sie haben ein Vierteljahr hundert bereits,
Obgleich unentgeltlich, mit ihm halt ein Kreuz.
Doch finden außer diesem Zeichen noch statt
Auch Wunder — denn es wendet sich plötzlich das Blatt.
Es verschlägt mir die Sprache, stumm preiset den Herrn,
Jetzt reden die Stummen — genannt soll er wer'n!

___________
* Siehe Band VII



(Eine Wohnung zu vermieten in der Stadt, Eine Wohnung zu vermieten in
der Vorstadt. Eine Wohnung mit Garten zu haben in Hietzing)

». . . wenn man so den stillen Beobachter macht«*



Dann spazier' ich, wie man halt ins Spazier'ngehn gerät,
Ein bisserl übern Ring bis zur Universität.
Ja was ist denn da los? was ist denn geschehn?
Vor lauter Studenten ist keine Hochschul' zu sehn.
Zuerst denk' ich, die Jugend, die hat halt ein' Fleiß,
Ja, die weiß so manches, was ein Greis noch nicht weiß!
Da erfahr' ich, sie warten, das Kapp'l auf der Stirn,
Und studier'n, wie sie verhindern, daß die andern studier'n.
Und machen ein' Bahöll, daß ringsum alles kracht,
Während unsereins den stillen Beobachter macht.

Dann komm' ich zur Oper und ich krieg' eine Wut,
Denn da kann ich nur sagen: nein, was sich da tut!
Schon zu Mittag stehn s' da, na warum wissen S' eh:
Am Abend haben die Haifisch' Theater paree.
Ja sehn S', wie der Wandel der Zeit sich beweist,
Da erkennt man so recht den republikanischen Geist:
Sie wart'n nimmer auf die Hofwäg'n, nein, sie stehn
                                                                     heut, damit
Sie sehn vom Castiglioni den elastischen Schritt.
Es hat ihn sehr gefreut, es war sehr schön, er hat g'lacht,
Wie das Volk so den stillen Beobachter macht.
Die Welt liebt den Lärm und schon in aller Früh
Geht's los und ich denk' mir halt oft: tant de bruit
Pour une omelette, doch in den meisten Fällen, ich wett',
Ist am Ende mißraten die ganze Omelett'.
Man sieht kein Ereignis, aber man hört einen Schall
Und wenn s' das Gschrei dann noch drucken, so heißt man's
                                                                                          Journal.
In der Kunstwelt zum Beispiel, da reißen s' was z'samm',
Der am wenigsten kann, hat die meiste Reklam'.
Ein andrer — na ich red' nichts, meine Stimm' ist heut schwach,
Es ist besser, wenn ich den stillen Beobachter mach',



»Da ließ' sich viel sagen«*



Ein Staat ist im Elend, trägt würdig sein Weh,
Ein'n andern bringt das Betteln bei die Feind' in die Höh,
Saniert und in Herrlichkeit tut er jetzt leb'n;
Früher hat er nix g'habt, als was der Freund ihm hat geb'n.
Wie tut mm der Staat gegen den Freund sich betragen?
Sein Beileid und »da kann man halt nix machen« läßt er sagen.

Gar viel war' zu sagen, aber das wissen S' bereits —
Mit der Justiz der Republik ist's ein recht's Hakenkreuz,
Die Justiz der Republik ist nicht blind, gar ka Red,
Denn sie scheangelt sehr schön, wenn ein Monarchist vor
                                                                                   ihr steht.
Doch kriegt sie einmal einen Republikaner beim Kragen —
Da nimmt sie sich zusammen, das muß ich schon sagen!

________
* Siehe Band VII



»Da bleibt man zeitlebens gern eine Partei«*



Es muß halt in allem eine Einteilung sein,
Gott schuf zuerst die Ämter und hernach die Partei'n,
Und damit sich die Welt diesbezüglich erhält,
So sind die Partei'n für die Ämter auf der Welt,
Hat aber der Herrgott bei die Ämter Schererei,
Da macht er halt eine Eingab' und nimmt für die Parteien
                                                                              Partei,



(Die verhängnisvolle Faschingsnacht)

Lied des Holzhackers



Unser G'schäft ist zwar grob, doch von viel feine Leut'
Wird der Holzhacker oft um seine Arbeit beneid't.
Zehn Fräulein kommen in a G'wölb' und suchen was aus,
Lassen alles sich zeigen, kaufen nix, gehn wieder 'naus,
Da brummt dann der Kaufmann, in Resteln vergraben:
»Lieber holzhacken, als solche Kundschaften haben!«

Manches Fräulein rast um aufm Klavier, ja, das geht
Net viel anderster, als wenn 's ein Holzhacker tat,
Der Lehrer sagt immer: »Ich bitt', nur Gefühl I«
Doch d' Mama sagt: »Meine Tochter kann spiel'n, wie sie will.«
Da seufzt der Klaviermeister oft nebenher:
»Lieber holzhacken, als Lektion geben bei der!«

A Putzgretel, die schon vor etliche Jahr'
Majorenn, notabene zum zweitenmal war,
Alle Tag' ihr'n Friseur bis aufs Blut fast sekkiert,
Weil d' Frisur nie so g'rat', daß ihr G'sicht reizend wird.
Da tut der Friseur oft im Still'n räsonieren:
»Lieber holzhacken, als so a Urschel frisieren!«

________
* Siehe Band VII




Im Operntheater geht's zu wie verruckt.
Da is g'hupft wie gesprungen, gesungen wie gespuckt.
Man schlägt sich, verträgt sich und kriegt es nicht dick
Und der tägliche Mißton der macht die Musik.
Da denkt man, es müßt' einer aufstehn und schrein:
»Lieber holzhacken, als Dirigent hier zu sein!«

Vor Hochschulen drängen sich heute in Massen
Studenten, um keinen hineinzulassen.
Weh, wenn sie da wen beim Studieren ertappen —
Ein Kopfstück für einen Kopf unter Kappen!
Und was hört man heraus, wenn sie so krawallieren ?
»Lieber holzhacken, als auf der Hochschul' studieren!«

Der Adel, der hat zwar den Adel verloren,
Doch umso echter beweist er, wozu er geboren.
Ein Adel, so alt wie die Weifen und Staufen,
Verpflichtet zum Schimpfen und Raufen und Saufen.
Ein Holzhacker, der ein Gefühl hat für Ehr',
Der möcht' nicht, daß er Mitglied vom Jockeiklub war'

Einen Weltkrieg zu führen, das ist nicht so leicht,
Und mit Wilhelm dem Zweiten, da war's nicht erreicht.
Das Ende war dornig, die Krone verlor'n,
Und so lebt man halt jetzt auf ein' Landgut in Doorn.
Und da kann man höchstens ein Selbstgespräch führen:
»Lieber holzhacken, als noch ein' Weltkrieg verlieren!«

Das Holzhacken ist ein bescheidenes Brot,
Und besser lebt sich's als Lump und Idiot.
Das Holz dient der Menschheit zu Nutz und zur Zier,
Und allerdings auch zu Zeitungspapier.
Doch darin stimmt alles stolz überein:
»Lieber Holzhacker, als bei der Presse zu sein!«

Ein Holzhacker hat es mit Klötzen zu tun.
Ist die Arbeit getan, nachher kann er auch ruhn.
Doch sagt wer die Wahrheit und hofft durchzudringen,
Das kann mit dem gröbsten Keil nicht gelingen.
Er denkt: »'s ist ein Gfrett und es freut halt nicht jeden —
Lieber holzhacken, als wie mit Klötzen zu reden!«




(Lumpazivagabundus)

»Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang«*



Wie still lebt so ein Stern in seiner Nacht,
Vergleicht man damit, wie's auf Erden kracht.
Und bei dem Lärm kommt gar nichts 'raus, nichts g'scheit's,
Am Himmel kommen s' aus ganz ohne Hakenkreuz.
Der große Löwe selbst brüllt nicht so laut
Und hätt' sich an den Hitler nie getraut.
Der Mars, ein Held wie Ludendorff, geht dort
Herum in Freiheit und ganz ohne Ehrenwort.


Die Stern' haben die Störung der Ruhe nicht gern
Und sie werden ganz dasig, wenn s' die Hiesigen hör'n
Und sie denken sich nur: Der Klügere gibt nach,
Wir überleb'n euern Kriegsruhm, wir überleb'n eure Schmach;
Es dauert gewiß nicht mehr lang,
Wir überdauern euern ganzen Gestank stank stank
stank stank stank Wir überdauern euern ganzen Gestank!

___________
* Siehe Band VI und VII



Tut's auf der Erden drunter und drüber gehn,
Wir hab'n trotz allem doch den Vaugoen.
Der halt's noch z'samm, daß droben ganz neidig sein:
Wo hab'n s' am Mars denn einen Vaugoein!
Wer macht a so a Wehrmacht wie in Wien,
Am ganzen Himmel hab'n s' kein' Vaugoin.
Der Republiktag hat's ihm angetan,
Da spielt den Prinz Eugen der Vaugoan.



Kommt die Zeit, zieht die Zita auf ihren eigenen Stern,
Wie gern hätten s' im Himmel dazu den Vaugoern.
Er bekennt seine Färb' und drum sind sie ihm grün,
Denn so schwarzgelb kann der Himmel nicht sein wieder Vaugoün.
Zu schlagen eine Brucken ihm gelang —
Noch vom Train der Vaugoen für'n Eugen hat einen Hang
                                                                        Gottseidank
Mit Klingklang der Vaugoang ang ang ang.



Jetzt halt' mr bald so weit, daß wir was hör'n
Speziell vom Mars und von die bessern Stern'.
Sie selber freu'n sich, uns zu hören, und
»Wie spricht der Mensch?« frag'n s'; wir: »Wie spricht
                                                                          der Hund?«
Doch eh' sie noch vernehmen unsre Sprach',
Mach'n s' uns ak'rat schon fleißig alles nach.
Bei Tag sind jetzt schon weniger Stern' zu schau'n.
Warum? Sie fangen halt schon auch an, abzubau'n.


Sie wollen ein irdisches Leben jetzt führen,
Und kommen, um ihre Seel'n zu sanieren,
Vom Hund auf den Bund, und bald sind sie schon da,
Und im vorigen Sommer war der Mars uns ganz nah.
Und sein erstes Wort, was glauben S', welches war's?
»Habt's uns gern, uns am Mars Mars Mars Mars Mars Mars
                                                                      Mars Mars Mars
Habt's uns gern, uns am Mars Mars Mars Mars!«



Im Himmelstheater spiel'n s' auch bei Nacht,
Man hört schon, daß es oben wie unten kracht.
Mit'n Repertoire, da haben s' ein rechtes Gfrett,
Der kleine Bär spitzt auf die Operett'.
Die Musik der Sphären hat zu wenig Schlager,
Das Buch der Schöpfung ist als Text zu mager,
's ist unbegreiflich, wozu so viel G'schichten,
Statt gleich die Weltenraumbühn' einzurichten!


Das höchste Theater wird's im Himmel nie geben,
Die stell'n sich nicht vor, was wir täglich erleben.
Mit Radio und Kino, mit Sport und mit Mord
Erreicht jetzt die Erde den Weltrekord.
Und damit die Hölle frohlock',
Gibt der Papst seinen Segen durch den Schmock Schmock
                                Schmock Schmock Schmock Schmock
Gibt der Papst seinen Segen durch den Schmock.



Im Tierkreis oben hab'n s' zwar unser'n Stier,
Doch fehlt ein andres stadtbekanntes Tier.
Die Milchstraß'n ist so breit wie unser Graben,
Was nutzt das aber, wenn s' dort keine Ochsen haben.
Und wo die Ochsen fehl'n, da ist's fatal,
Da erscheint am Himmel all's, nur kein Journal.
Und sonst auch kann den Unterschied man spüren:
Sie lassen sich um keinen Preis sanieren.



Wie anders geht's zu, ach du himmlischer Vater,
Im siebenten Himmel, in unserem Prater.
Seine Seel' zu sanieren, ist kein Wiener zu faul,
Drum flieg'n ihm die gebratenen Ochsen ins Maul.
Dazu gibt's Zank und patriotischen Gsang,
Denn der Friede, der dauert schon z'lang lang lang
                                                            lang lang lang
Der Friede, der dauert schon z'lang.



Was denen droben fehlt und nicht seit heut,
Das ist, ich sag' es frei, die Sittlichkeit.
Der Lebenswandel ist rein fürchterlich:
Die Wandelsterne gehn am Himmelsstrich.
Die Venus trifft man auf der Milchstraß'n allein
Und kein Hund fragt sie nach ihrem Schein.
Aber was dort droben g'schieht, ist einerlei,
Herunt' hab'n wir zum Glück die Sittenpolizei.



Wie sie überall aufpaßt und überallhin lugt
Und nachschaut, ob eine zur Liebe befugt,
Und zur Vorsicht auch eine, die befugt ist, arretiert,
Damit ihr im Lebenswandel nichts mehr passiert!
Ja, sie erfüllt ihre Pflicht ohne Wank
Und da sag'n wir nix als Gottseidank dank dank
                                                   dank dank dank
Wir sag'n nix als Gottseidank.



Kastor und Pollux man zusammen nennt
Als solide Firma dort am Firmament.
Bei uns gibt's Sterne wie Castiglioni und
Der Bosel ist daneben auch kein Hund.
Noch untrennbarer aber wirkt die Kraft
Der beiden Kola, welche dioskurenhaft.
Doch auch um andre ist ein großes G'riß:
Sie leuchten alle in der Finsternis!


Das Himmelsgewölbe ist als Ganzes kein G'schäft
Neben dem, was in unserem Tierkreis man trefft.
Dort oben ist allweil das nämliche los,
Da gibt's keine Börs', keine Baiss', keine Hauss'.
Auf der Milchstraßen gibt's keine Bank
Und kein Fixstern verliert einen Franc Franc Franc
                                                  Franc Franc Franc
Und kein Fixstern verliert einen Franc.



Im Burgtheater spielen s' den Nestroy und
Man ist im Himmel, nämlich auf dem Hund.
Im Haus voll Würde und von stolzem Wuchs
Woll'n sie sich mit ihm machen einen Jux.
Und wenn s' den Z'riss'nen spiel'n in diesem Haus,
Kommt nur der Titel als a Ganzer 'raus.
Doch den Lumpazi bringen s' erst zu sich,
Denn den spiel'n s', wie sich's g'hört, ganz liederlich.



Die Leut hab'n a Freud' beim Nestroy sein' Schaden:
Der Leim der ist trocken und mit'n Zwirn hat's ein' Faden.
Beim Knieriem sein Lied da wurde mir bang,
Bei dem Humor steht d' Welt auf kein Fall mehr lang.
Doch ich hör' s' vor Begeisterung schrei'n —
Nein, die Welt fällt auf jeden Fall 'rein 'rein 'rein
                                                     'rein 'rein 'rein
Die Welt fällt noch lang lang herein.

*

 

Inschriften



Begleitmusik

Bei »Lumpazi« im Burgtheater spielt
das Orchester den »alten Drahrer«.
Das habe selbst ich als richtig gefühlt,
der wahren Werte Bewahrer.
Es war die Begleitung, ich fand sie gut,
zu dem, was grad Nestroy im Grabe tut,

*

Der melancholische Komiker

Man stellt Herrn Moissi meist sich melancholisch vor.
Er sagte, über alles lieb' er den Humor.
Das war nicht wahr, denn bald kam er in der Gestalt
des schlimmen Buben in der Schule Willibald.
So leidumflossen war Herr Moissi nie zuvor.
Als Hamlet, heißt es, hat er halt doch mehr Humor.

*

Die Prominenten

Was es bedeute, hat einer gefragt,
und was für Leute man heute so nennt.
Man nennt, versetzt ich, prominent,
die einst nicht hätten hervorgeragt.

*

Raumbühne

Das Instrument, geschaffen, daß wir wissen,
wie's zugeht hinter den Kulissen,
Raumbühne der Geist der Neuerung nennt's.
Der Komödiant stellt leicht sich darauf ein:
er muß von allen Seiten sichtbar sein,
nur nicht von der des Talents.

*

Pirandello

Ein schaler Witz zwischen Schein und Sein,
Rosinen schmecken nach Kuchen.
Der Autor aber bildet sich ein,
daß sechs Personen ihn suchen.

*

Kino

Noch läßt sich diese Menschheit nicht begraben,
noch kann's im Fortschritt weiter gehn.
Erst wenn sie sich ganz und gar im Film gesehn,
dann wird sie am Ende genug von sich haben.

*

Radio

Ein Weltfeind, wen dieser Fortschritt verdrossen:
Der Wiener Hausmeister an den Kosmos angeschlossen!

*

Theaterkritik

Man sieht sie im Parkett allesamt,
bezeichnet durch besondre Gaben.
Sie haben vor den andern das Amt,
gleichfalls keine Meinung zu haben.

*

Kerr

Warum er Absätze macht und sie peinlich zählt?
Daß kein Einfall ihm fehle, wenn er ihm fehlt,

*

Auf einen Polemiker

Vor solchem Helden hat es mir gegraut,
da wagt' ich höchstens diese wenigen Verse:
Er gleicht dem Siegfried durch die dicke Haut
und dem Achilles durch die Ferse.

*

Auf einen Kaffeehausbuddhisten

Wer dränge zum Ziel dieses mystischen Dranges
Ein Joghi am Ufer des Müßigganges!

*

Empfang beim Papst

Im Himmel herrschet ein Frohgelock
über das, was ihm neulich begegnet:
der Papst hat durch einen Presseschmock
die gläubigen Völker gesegnet.

Im anno santo hat sichs geschickt
und die Engel freun sich nach Noten:
der Pius hat dem Benedikt
einen Herzensgruß entboten.

Der Grund zur Freude ist leicht durchdacht,
wenn man sich von Bedenken losmacht:
Der Papst, er hat es weit gebracht,
er verkehrt mit einer Großmacht.

*

Das Kreuz

Ein Eindruck ist's von einem eignen Reiz,
ein Anblick ist es wahrlich zum Entzücken,
wie nach Gemütsart und Geburt das Kreuz
ein jeder trägt auf seinem Zeitungsrücken.

Die Freie Presse, wer war' nicht gerührt,
und mich speziell erfüllt's mit wahrer Wehmut,
sie seufzt: es ist ein Kreuz, doch wie's gebührt
trägt sie es mit der echten Christendemut.

Die Reichspost wieder windet sich und will
mit Judenlist des Kreuzes sich entheben;
die Last und Lästerung trägt sie nicht still,
man merkt: sie ist nicht lang noch bei dem Leben.

Doch niemand merkt das unscheinbare Kreuz
und keine Schande trägt's und keinen Schaden,
und gern trägt jeder, was es andrerseits ihm trägt.
Man ist mit Trost im Leid beladen.

*

Gemeinbürgschaft

Zur ,Stunde' kamen die Maitressen
und klagten bitter ob den alten Reichen,
die, weil sie reich sind, schwer sind zu erweichen
und, weil sie alt sind, allzu leicht vergessen.

Da meinte jene, ihr sei dessengleichen
ihr Lebtag bei dem Leben nicht passiert;
denn wer sich heutzutage prostituiert,
der hält sich besser an die neuen Reichen.

Doch stracks bereit zu einem Waffengange,
verfocht sie den verwandten Fall mit Lust.
Als Mensch ist man in seinem dunkeln Drange
des rechten Wegs sich wohl bewußt.

Vor Scham erröten und vor Furcht erbleichen?
Nein, Schulter stets an Schulter stolz am Strich!
Mit freier Stirne wird man fürchterlich
sowohl den neuen wie den alten Reichen.

Und wenn's erreicht, für die Maitressen
so kriegend was zu kriegen von den Reichen,
von Stund' an wollten sie, zum Dankeszeichen,
dafür auch für die ,Stunde' was erpressen.

*

Preisrätsel

Sag an, wer ist im Lande
der allerstärkste Mann?
Den keines Leumunds Schande
nicht überwinden kann.

Er trägt's, und wird bestimmter
gekündet, was er macht,
auf leichte Achsel nimmt er
die schwerste Niedertracht.

*

 

An meinen Drucker

Georg Jahoda zum 60. Geburtstag


Genosse einer zeitentfernten Welt,
wo Geben durch sich selbst den Dank erhält:
der, was er gibt, mit seiner Seele gibt
und Lettern hat für Worte, die er liebt;
der nie ermüdend für mein Schaffen schafft,
der fremdem Wesen dient mit eigner Kraft,
rastlos befaßt dem Wort dient mit der Tat,
Mitschöpfer, nicht bloß Wirker am Format;
der seiner Sorge keine Grenze kennt,
mitleidend mitlebendges Instrument,
dem Zweck verbunden, dem ich es vertraut,
werktreu bemüht um den geringsten Laut,
Du, dieses Übermaßes Hut und Hort,
Mitdiener Du am anspruchsvollsten Wort,
der aus dem Wirrsal der unheilgen Schrift
ein Wunderwerk der Worterscheinung trifft,
daß dem, der dem Erfinder nie verzieh,
der Druck erscheint als hellere Magie;
der glaubend, was ich glaubte, mit erschuf,
dem Handwerk treu im innersten Beruf,
der oft mit meinem Zweifel hat gebangt,
Arzt, der an meinem Fieber gern erkrankt:
Du Herz von gutem Schlag, sei mir bedankt!

*

 

Die Zeit

Nicht wird am technisch vorgetäuschten Tag
der tausendfache Tod zum Leben langen.
Wo Hämmer schlagen für des Herzens Schlag,
beschleicht es ein Bangen.
Die eine Sonne, die alles vermag,
ist untergegangen.

*

 

Fünfundzwanzig Jahre

Ein größres Wesen hat mit mir geschaltet,
ich hab, was mir vertraut ward, treu verwaltet.
Was ihr von meiner kleinern Welt auch haltet,
mögt ihr sie schelten, dennoch ungespaltet
besteht sie, ihrem Innersten entfaltet
und heiß geboren, die am Tag erkaltet.
Und daß es Wort zu Wort sich mir gestaltet,
ward jede Nacht bestellt, die ich gealtet.

*

 

Vor dem Schlaf

Da weht mich wieder jene Ahnung an,
ein Federflaum von jenem großen Grauen,
ein Nichts, genug, um alles doch zu schauen,
was mir von allem Anfang angetan.

Und klopft ans Herz: Du bist in einer Falle,
versuch's und flieh! Dies hast du doch gemeinsam,
das einzig eine, worin alle einsam,
und keiner will und dennoch müssen alle.

Wer wird in jener Nacht nach diesen Nächten
bei dir sein, um den letzten Streit zu schlichten,
Endgültiges dir helfen zu verrichten,
damit sie dort nicht allzu strenge rechten?

Dies war ein Blick aus dem Dämonenauge,
das mich im Dämmern eingenommen hatte.
So prüft das Leben mich, das nimmermatte,
ob nun noch ihm zum Widerstand ich tauge.

Noch wart ich auf das Wunder. Nichts ist wahr,
und möglich, daß sich anderes ereignet.
Nicht Gott, nur alles leugn' ich, was ihn leugnet,
und wenn er will, ist alles wunderbar.