Rudolf Borchardt - Gedichte aus den Jahren 1898 - 1944

Gedichte

 

1898 bis 1944


Inhalt

Auf schweren Sohlen wandelnde Geschicke

Idyllische Elegie

Noch mehr? Und was denn mehr? Und welche Spenden

In Memoriam

Val d'Elsa

Syrinx

Nonsense

Nicht mehr gewohnt den alten Klang zu greifen

Wüsst ich von Dir nichts weiter als die Art

Lucchesische Kastanien

Wenn sie die Nahrung die sie von mir schlürften

Widmung der Schriften - An Marel

Die fernsten Breiten aller Sagen

Vergebt mir ihr Mächte die Fülle der Freuden

Muse Du schaffst mirs ich meld' es . . .

Rund ums Jahr

Lichterblickungs Lied

Epiphanias

Amaryllis - Februar in Berlin

Amaryllis - Bild der Geliebten

Amaryllis - Als er von ihr getrennt war

Amaryllis – Jeder Mann der Seine

Amaryllis – Amulett

Amaryllis – Vollkommenes Wesen, das mein Leben teilt

Beim Tode von . . .

Tiefe Nacht

Lebenslied

Versuchung

Ecclesia pressa

Steigt die Sehnsucht meiner Augen

An ein schönes Mädchen

Entfernte, deren grosses Herz ich ehre

Herz, Herz, das nicht gesundet

Bellosguardo degli Amanti

An Marion

Oh sag es nicht so leichthin

Marel von Viareggio kommend

Wir haben keine Kerzen . . .

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Auf schweren Sohlen wandelnde Geschicke . . .

 

Auf schweren sohlen wandelnde geschicke
entfliehn der hoffnung die vergebens sehnend
die arme in die weite streckt, das wusste
ich längst und andre Wissens.

An fremder welle aber sass ich und die seele
gleich armen dehnte wünsche in die weite
und ich gedachte deiner kraft und anmut
die dir die musen gaben denen du
getreulich dienst wie schlanke knaben
die zwischen strengen säulen alte lieder
zur flöte singen, aber stunden wandelten
mit lässiger sohle über den äther
und waren sonst doch süss und hatten
voll schwerer kränze die jungen schläfen.

Und ich hörte du wollest zum stabe greifen
und die gesellen verlassen und die knaben
und berge besiedeln die das weisse haupt
in reinere lüfte dehnen und ich wusste
wie ich dir schweren herzens die beiden hände
hinstrecken würde und ich nicht allein.

Aber meine seele hub heimlich zu singen an
wie ferne doch gewisse geisterlaute
wie saiten die gelinde winde rühren
wie ungeregte rüder die im dunklen streifen

Du hörst es
viele sind es die dich reine worte lehren
wer aber wird dich an der locke fassen
von hinten schreitend
wenn du in gut und bösem mehr als jüngling
gemessne grenzen zornig überspringst?

Und andre stunden gaben dich uns wieder.
Du faltetest die stirn - und meine augen
armer dass du sie nicht sähest glänzten.

Auf deines neuen hauses frischer schwelle
trittst du mit einem jungen weibe trittst
mit einem kinde das die weit
noch mutter nennt.
ich aber hinter dir mit salz und brot
und einem weiten prunk von blumen reiche
die hände dir, zum letzten mal die hände nicht.


Idyllische Elegie

Eine große trauervolle Stille
Füllt den Traumweg und den schönen Garten
Meine leicht und schweren Füße folgen
Ungesehen unsichtbaren Schritten

Einer hat das Gras mit seinem Fuße
Von dem toten Brunnen weggeschoben
Einer hat die Sohle
Auf den Marmorrand gesetzt. Von Rosenhecken
Ist ein Blatt gestreift und liegt und zittert.

Eine Hand hat von der grünen Höhle
Drin das Wasser fällt den Stein geschoben
(Eine Treppe windet sich hinunter
Wenn die schwere Platte sich gelüftet)

Unsichtbarer Fuß von Beet zu Beete
Ist durch alle Blumen hingelaufen
Rätselvoller Schritt geheimer Wandrer
Durch die Grotten durch die Taxushecken

Ist es der der von dem Blütenhause
Dieser Rose flammenhaften Becher
Fortgerissen
Deren dunkles Blut ein tiefes Zeichen
Ward wie Druck von Lippen eines Gottes

Hinter sich hat er die Tür des Hauses
Nicht ins Schloß gestoßen. Duft des Abends
Ist als wärs mit Gliedern wärs mit Locken
Hergeschwebt und haftet in den Wänden

Und so folg ich jeder seiner Spuren
Und das Herz schlägt mit in meinen Brüsten
Nebenan vermein ich ihn zu hören
Jedem Winkel geisterhaft vertraulich

Hier das Bette. Hier die weite Lampe
Hier der Maske wächsernes Gebilde
Gegen dem behauchten Spiegel über
Der der Blassen blassere Antwort zuwirft

Aber welch verwegne Hand oh Lampe
Hat Dein Öl verschüttet hingegossen
Welche Hand mißgönnt mir meine Nächte
Halb im Licht halb singend zu verweinen

Einsamkeit und Einsamkeit und Schweigen
Dringt von irgendwo ein dunkles rufen
Seh ich irgendwo in einem schwarzen
Spiegel-Wasser
Ein Gesicht in Tränen und erkenn ichs
Ist es meines war es eines andren

Weiß ich dieses nicht und fühl ein andres
Rätselhaftes Haus um Deine Schwelle
Die ein tot-entrückter Fuß betreten
Haucht ein bittrer Duft ein tränenloses
Letztes Schweigen schwankt und zieht von hinnen

Schöner ist Dein Garten Deine Rosen
Voller deine Nachtigall verworrner
Deine sieben Brunnen sprechen ewig einen Namen
Und Du sprichst ihn wieder

Ja ich fühle Dich und schaudre fühlend
Lust oh Duft geheimnisvoller Nähe
Um die Dinge schwebend an den Orten
Haftende wo Liebe ging und eintrat

Stand und lauschte und sich gern verweilte


Noch mehr? Und was denn mehr? Und welche Spenden . . .

Noch mehr? Und was denn mehr? und welche Spenden
Noch immer nicht erfüllt, nach solchen Tagen
Was noch zu tun? zu danken? was zu sagen
Und es zu hören, nur es zu ertragen ?

Nur anzusehn und nicht den Blick zu wenden
Vor Beben? was noch tiefer zu vollenden,
Nach diesem Herbst auf Seelen und Geländen
Nach Mund auf Mund und nach verwachsnen Händen?

Nichts mehr! Etwas und nichts! Etwas und fast
Fast nichts: Und dennoch weiss ich: keiner nahm
Von mir, was Du nun so genommen hast.
Wie dunkle Perlen: scheinen sie gering
Doch hat das tiefste Meer kein tiefers Ding.
Nimm was ich gebe: Sieh! es ist nur Scham.


In Memoriam

Der erste der mirs sagte war ein solches Nichts
Wie eines Bettlers Schatten ist, kein Erinnern wert -
Er hatte die Ahnin nicht gekannt, den Namen nur
Und dass sie tot war trug er bei sich und er war
Für wenige Stunden mir etwas wie ein Weggesell
Am Kreuzweg, einer den Du noch vor Schlafengehn
Aus Deinem Kleide geschüttelt hast mit dem Reisestaub
Und wie ein solcher Flegel etwa Stein um Stein
Den er vom Rand der Strassen in den Sack sich las
Nach Bäumen wirft und pfeift
Indes Du gehst im Gram und Deinen dunklen Weg
Begreifen willst, so hatte das Schicksal diesem Wicht
Vor seine Füsse ein Verhülltes hingerollt,
Sichs aufzunehmen wie einen andern Wacken auch
Nun hings ihm in den Taschen, und ich wusste nicht
Dass ich mit etwas könnte gemeint sein, was er barg
In diesem Bettel, bei Rechenpfennigen, Zufallsgut
Bei blindgegriffener Münze dran das Klebende
Von Händen Schlag und edele Titel ausgelöscht.
Er hatte mich halb gedauert. All sein Zielen ging
Verthan ins Leere neben mir durch, Komödienschwatz
Gefehlt, zu Boden fiel ihm Krieg und Kriegsgeschrei,
Skribentenzank umsonst und was schändliches
Im Brodem nistet, wo sich Geck und Stümper grüsst
Der Schenkenwitz verschossen, und er musste schon
Suchen und stammeln und war auch einer Mutter Sohn
Und sucht und fasst das Schicksalswort, weiss nichts davon
Als dass es wiegt, wie anderes wog und wirfts
Die Augen kneifend vorwärts aus der losen Hand
Mir vor das mitte Herz
Dass ich nur rot sah und nicht sicher unterschied
Wo mir das nur gethan war, ob im Hals vielleicht -
Dann aber langsam war ein Lebendiges mir versehrt
Ein Frommverwachsenes wie eines Baums geheimer Leib
Geschändet und nackt und fing lautlos zu rinnen an.


Val d'Elsa

Gieb mir die Hand und schaue nicht zurück
(In welchem Träume gehn wir!)
Frage mich nicht, ich weiss nicht viel
Doch die Strasse weiss ihr Ziel.

Frage mich nicht, ich weiss nicht viel
(Das Land hat kein Ende!)
Keins weiss was keins fände
Nach der nächsten Wegwende
Nur die Strasse weiss ihr Ziel.

Da wir im ersten Tag weggingen
Hören wir fern die FrüheGlocken schwingen
Das Land hat kein Ende

Wir waren wach mit dem ersten Rot
Das macht wir lagen zu lange tot
Ganz beschlossen und eingegraben
Wer weiss wie lang wir geschlafen haben
(In welchem Traume gehn wir!)


Syrinx

An die Frau
Wenn ich nur wüsste wann es war. Du sagst
»Während die Vögel kamen.« Aber Vögel
Sind doch nicht Ein Mal oder auch nur Zehn Mal
Gekommen, dass mir dächte. Vögel drängten
Doch nicht nur um das Fenster wenn wir assen,
Der Brösel wegen überm Tuch und Brocken
Von Schüsseln zu den Stunden die sie kennen!
Von Zwielicht bis zu Zwielicht, ja bis Schneelicht
Ist doch ein Ab und Zu von wilden kleinen
Furchtlosen Fittigen bei dir, ein Recken
Von Köpfen draus es äugt, und zwischen Fenster
Und Baumast die Zwei Spannen voller Landen
Und Locken Spahn Auffliegen und Rückkehren.
Ists nicht so? Bunt und blau und immergraue
Rotbrüste und ein Zaunkönig und all die
Verschneiten Finken und die Zeisig Pärchen
Mit einzelen die nicht riefen - klang denn Dir nicht
Die schöne Kammer immer wie ein Bauer,
Ja wie der Wald? Denn was im Sommer denen
Ein Feld ist oder WaldPlatz, Luft voll Mücken
Ein Kirschenbaum vollhangen mit der Reife
Von Frucht die sich nicht kennt - Revier, das Heilige
Welt Teil für ihre wilde kleine Dürft,
Schuldlos wie sie, geberdelos wie alle
Die Brut des Eis das Samenauf Gewachsene
Frei nackt und schwer von Gottes gleicher Einfalt,
Das bist im Winter denen Du. Was mir
Schiert sie nicht; Dich erkennen sie wie Feld,
Ein Stück lebendiges Gebüsch, den Baum
Voll Nahrung, ohne Falsch, ganz dicht bei Gott

Dies hilft mir nicht zu denken, wann es war
Dass ich Dich mit der Syrinx - wars das wirklich
Und nicht die Orgel, und dabei das Andre
Bloss in Gedanken? - dass ich Deine vielen
Stimmen verglich mit dem was Pan erfand,
Um gegen Zeus' durch Regen aufgebogenen
Urkreis der Farbigen Siebenfalt die Einfalt
Der Heiligen Sieben Töne zu bestellen
Dass Einer wisse »Alles ist darin«.
Dies hilft mir nicht, Du weisst dass mir das Andre
Nicht helfen kann, auch nicht was Du dazu sagst:
Es war nicht einmal, einmal war auch das nicht
Noch dürft es ja nur einmal sein. Das Tiefre,
Das Tiefre jetzt, das Damals und Niewieder
Wenn ichs bedeuten soll wie ichs zum Tiefsten
Verstand. Ein Mal! Und hätt also gewesen
Sein können als du von mir fort hintüber
Und jede Hand vorwärts ans Kinn mir lehnend
Erblichst und sagtest Mund und batest sprich?
Der Mund sprach nicht der jäh erblich wie Du
Und mehr als einmal nicht, auch Tags darauf
Auch da nicht, als wir eins des andern Wangen
Mit beiden Händen hielten und uns lautlos
Erduldend langsam einen Atem holend
Von Angesicht zu Angesicht erkannten -
Er hatte da kein Wort als das halb abbrach
Wie eben keinen Kuss als die Du sagst
Die immer bittrer weidend zu viel Seele
Ausglühten in uns beiden, mehr als einmal
Und musste mehr als einmal sein. Nichts mehr
Davon. Und wars. - Es war. Entsetzlich, Alles
Das Ganze weiss ich jetzt. Tod! Seine Seele
Vergessen, Oh! Gleichviel; da ich es weiss.


Nonsense

Nun am bröckelnden Tor wieder die Rose blüht
Und im leichten Gewölk silbernes Mondlicht schwimmt
Schwebt zum dämmernden Garten
Goldensohlig der Lenz herein.

Wieder Frühling im Land, wieder der Blütenduft
Nachtigallengesang wieder im Lindenbaum
Und im Schimmer des Mondes
Wieder dieses geprüfte Herz.

Welcher Bilder Gestalt wandert dem Aug vorbei
Fern vergangener Lenz schüchterner Liebesblick
Und die Träne des Scheidens
Ach und schüchterner Mädchenkuß.

Aber wenn auch der Pfad wieder den Augen schwand
Wenn im Toben des Meers wenn in der Wut des Sturms
Auch die Barke des Herzens
Spielball ward in der Wogen Streit

Preis ich doch mein Geschick denn es verlieh ein Gott
Meiner ahnenden Brust da mir der Odem ward
Im Getriebe des Lebens
Still das große Gesetz zu sehn

Und ob Lust oder Schmerz je diese Brust entzweit
Fromm zu ringen nach Maß ewigen Strebens voll
Und im Lied zu gestalten
Was die Seele verwirrend drängt.


Nicht mehr gewohnt den alten Klang zu greifen . . .

Nicht mehr gewohnt den alten Klang zu greifen
Nicht mehr wie sonst geübt die Sieben Stufen
Drin alles Lauschen schläft und alles rufen
Einsam berauscht hinauf hinab zu schweifen
Getragen Nicht mehr von den goldnen Hufen
Den Schwingen halb des Zelters halb des Greifen
Zu alt, wo andern ihre Ernten reifen
Zu fliehn und mich zu härmen wo sie schufen

Und nicht so jung dass nicht die tiefste Ader
des Bluts nach dem vorbeigegangnen Irren
Hindurch gelittnen Leiden hungern müsste

Steur ich noch einmal nach der alten Küste
Durch deren Wald die alten Träume schwirren
Wer giebt mir wieder meinen alten Hader?


Wüsst ich von Dir nichts weiter als die Art . . .

Wüsst ich von Dir nichts weiter als die Art
Mit der Dein Haupt sich neigt auf Deinem Hals
Was frommte alle tiefre Wissbegier
So viel als wie sich Kelch und Stengel paart
Alsdann, soviel als untern Füssen hier
Vom ebnen Schwung des starken Wasserfalls
wüsst ich von Dir.

Geh hin und her, sprich her und hin doch zücke
Hierher nicht, wo ich Tanz und Stimmenschall
Einsauge, Deine Blicke nicht nach mir!
Ich wollte sonst geborsten war die Brücke
Auf der Du hertrugst Deine bleiche Zier
Und nicht soviel als Deines Namens Hall,
wüsst ich von Dir!


Lucchesische Kastanien

Nahrung wollen die Deutschen von mir; ich gebs wie ichs habe,
Gibt den Schelmen der Schelm immer nur mehr als er hat.

Dornverwachsen und grün: vergeblich reisst Du die Finger
An der geniessbaren. Leicht platzt die gemeine Dir auf.

Recht so, immer gescholten! doch lacht des Plumpen, der warten
Nicht noch rüsten gelernt, innen die heilige Frucht.

Aber sie drängen herbei, wie nach hesperischen Äpfeln
Oder in Grosser Zeit, nach dem gefälschten Tabak!

Männer und Weiber, gestaut, wie der Festschwarm wogend um Delphi.
Oder wo diesen im Bann frohnt das geschändete Licht.

Wären die Zeiten vertauscht? Und ziehn Euch Götter wie ehmals
Von dem Geliebele fort zu dem entscheidenden Vers ?

Nur mit Weile, Du hast es versehn; die alten Dämonen
Schadenfreude und Neid, führen die Hässlichen an.

Edlerer der Du mir ferne verbleibst, dem wahreren Leser,
Dir, verspare ich noch gärend ein stiller Geschenk.

Aber es hilft nichts Sosias drängt und reibt sich die Hände,
Auf in den nahrhaften Wald Muse und schüttle den Baum.


Wenn sie die Nahrung die sie von mir schlürften . . .

Wenn sie die Nahrung die sie von mir schlürften
Und wohl verdauten, noch erbrechen dürften
So wischten sie das Maul und hätten Recht.
Nun wird es ihnen vorn und hinten schlecht
Der Schluck ist längst hinunter durch die Kehlen
Sie können nur noch würgen oder scheelen.

Hätt aber besser sich vertragen
Ihr schlechtes Herz und ihr gesunder Magen
Wären sie nicht die Handvoll Schneider,
Trotz allem Sattthun eben Hungerleider
Lüstern zugleich und heikel, rechte Mucker
Was hätte wohl solch ausgedörrte Schlucker
Für die mein alter Wein zu herbe war
Gehindert ihn frisch auszuspeien?
So wärs im Hirne ihnen mäßig klar
Und könnten mich anblicken wie die Freien.
Das aber geht sich heimlich bei mir mästen
Macht fort und schwört ich war nicht bei den Gästen
Und meine Schwelle stinkt von seinen Resten!

Kommt her und seht den armen Sünder an.
Ein Lügner ist, wer nicht verdanken kann.


Widmung der Schriften

An Marel

Fort und fort hart' ichs für mich getrieben
Ohne Dich die letzte Frist verschwankt;
Keiner soll mich lesen oder lieben,
Der nicht wisse, wem er mich verdankt.


Die fernsten Breiten aller Sagen . . .

Die fernsten Breiten aller Sagen
Hab ich durchspürt für diesen kleinen Strauss
Die ganze Welt hat zu ihm beigetragen
Und nun sieht er doch ganz natürlich aus

Das edele Träubchen die juwelenen Rispen
Die fremden Kelche der verwunschene Stern
Wie sie in tausend Märchensprachen lispen
Im gleichen Glas vertragen sie sich gern.


Vergebt mir ihr Mächte die Fülle der Freuden . . .

Vergebt mir ihr Mächte die Fülle der Freuden
Die Fülle der Schmerzen vergebt
Ihr sollt sie nicht an den Geringen vergeuden
Der beiden nicht schmilzt und erbebt.

Ihr schüttet im goldenen Horne mir Länder
Die unverschmerzlichen aus
Die klüftigen Ränder die Blütengeländer
Ihr wogt mir den purpurnen Braus

Der ewigen Muschelmusik und den Hafen
Homers in den weinenden Sinn
Betäubt mir die streitenden Stimmen die schlafen
Und ruft mich hinweg und dahin.

Vergebt mir, ihr Mächte die Fülle der Schmerzen
Betäubt mir den letzten den Laut
Den streitenden mir im schwindelnden Herzen,
Den Blick der wie Orpheus schaut

Rückschaut und schauend, dass er sie gewinne,
die Miene, die Wonne, verlor.
Dahin, dahier, ich werd es nicht inne
Hinab oder reisst michs empor.

Empor und ich soll nicht, hinab und ich kann nicht
So brandet mirs vor dem Gesicht
Den mächtigen Bann bricht mächtiger Bann nicht
Und beides ist Hades und Licht.

Vergebt mir ihr Mächte, und dünk ich Euch weichlich
Und unwert dass Ihr mich wahrt -
Ich weiss ihr entzündet mir richtig und reichlich
Gestirn an über der Fahrt

Seefahrendem gönnt sie nur, gönnt die Minuten
Erschüttrung, über dem Seil
Das losrollt, wenn er den Strudel der Fluten
Unsinnig verwünscht, und das Heil

Der schönsten, der götterbeseligten Ferne
Fast undankbarer entsagt
Und wäre im Kindischen Wahne, wie gerne,
Wie gern auf dem letzten der ragt

Am Strande, dem letzten erhabenen Steine
Von dem noch fern wie ein Hauch,
Das Schwindende unwiderkehrende scheine,
Und schwindet, und ist nur ein Rauch!

Oh fort! Und bald: oh war ich geblieben
Und blieb ich: war ich dahin
Mit leben und binden, mit hangen und lieben
Nie ganz bin ich da wo ich bin

Mit Freuden gezogen, mit Schmerzen gerissen
Und selig der beiden zugleich
Ob reicher ob ärmer drum will ich nicht wissen
Ich sing mich und weine mich reich.


Muse Du schaffst mirs ich meld' es . . .

Muse Du schaffst mirs ich meld' es
Und meld ich es schweigen die Völker
   Drein gerauscht mit der Falken Stoss
   Durch das Gitter der siebenfach
      Nerv' schlitternden Harfe
Verbringst du mir, mächtige Botin
   Was dir die Heiligen raunten.

Kündigen heisst Du mich Idas
Und heissest mich singen Marpessa
   Herrlich heisse ich Jugendbrunst
   Wilder Augen und nimmersatt
      Ausgreifender Arme
Herrlicher locken und trotzen
   Die männlich schreitenden Mädchen,

Jägerinnen, dem Wild nach,
Den Pindus kundige, Frührots
   Und des silbernen Reifs und Taus
   Und der Oster Winde gewohnt
      Breit fegen sie Meersher.
Triefend im Urwald, tauschwer
   Die Bognerin stand Marpessa

Borsten sträubte die Bache
Im Buschwerk, draus sie erwühlend
   Stampfend Läuber und Reisig hoch
   Auf spritzend erwirbelte
      Rot glommen die Lichter
Doch glühender flammte der Todblick
   Im Grimm des belagernden Mädchens.

Keinen rief sie um Hilfe
Sie mied das Jägergeleite
   Einsam jauchzt dem Gefährlichen
   Aug in Auge verklammerend
      Am hellsten das Vollblut
Im Rudel erjagens die Wölfe
   Bärinnen Spur läuft einfach.

Laut ihr am Ohre wie Raubschrei
Der Sehnestrang schrie und erschnellte
   Eingeschlagen dem Vieh ins rot
   Unterlaufene Schreckens Aug
      Stak Eisen und bebte
Zu früh aber über der Beute
   Jubelte Herz in der Schönsten.

Hinter ihr gleisste der Schwarzwald
Unsterbliches Gold und es rauchte
   Duft und ahndete geisterschön
   Gottgestalteter Jünglingsleib
      Hoch ragte der Fernschütz
Apollon und reckte den Arm aus
   Da die Erschreckte herumfuhr.

Also begann der Erhabne
Und schüttelte Licht um die Scheitel
   »Mein verlang ich das Beutewild
   Oder meine die Jägerin.
      Hochherzige, keinem
Gebührt als Göttergebürtigen
   Dir das Erblühende weiden.

Söhne verheisse ich, Halbgott
Dir jeglichen, jedem ein Weihtum
   Leto nenne ich Letosohn
   Dir nicht eitel; unsterblich ward
      Die Götter Umschlungne
Lass kosten mich, dessen ich fiebre
   Werbender Gott ist Schicksal.«

Düster zurücke den Trotzkopf
Verbog und nagte die Lippe
   Unerschüttert das Königskind:
   »Übel spricht zu der Jägerin
      Wer immer, der Waidmann,
Wo lernten die Söhne des Himmels
   Frevel an rechtlichem Wilde?

Beutewild hab ich erschossen
Es ist mein, wird es und bleibt es
   Wags und reiß aus dem Schrecklichen
   Meinen Bolzen und kenn ihn erst
      Für Deinen den goldnen.
Den eisernen schoss ich die Erzne
   Dann Dein im Bette nicht eher.«

Lachend am sterbenden Schwarzwild
Und höhnend rückte der Phoibos
   Riss den goldenen Himmelsstrahl
   Aus dem Schusse des Aderbluts:
      »Sieh selber und zittre.
Ich schoss ihn Dir über die Schulter
   Den du geschossen, fernab

Steckt er in Brüsten des Idas
Geh spüren und geh ihn Dir heilen
   Wol belauschte ich himmelher
   Euren heimlichen Jagdanbruch
      Kuss sah ich und Arme
Um Arme und sah Euch entbrennen
   Eh das Gejaid Euch trennte.

Sterblichen gönn ich das Höchste
Des Sterblichen nicht, Du gehorchst mir
   Wer Dir Arme um Nacken warf
   Dir den Atem am Munde trank
      Geh trinken an Lethe
Der Bolzen ist mein und Du schworst mir
   Wirst mir«; und schwand in Finstrung

Fort über Busch in die Dornen
Im Sprunge gestreckt wie der Schweisshund
   Lechzend fand sie die Tobende
   Pfeilwund liegen im Blumenflor
      Den Herzengeliebten
Erschrecklich ergellte die Klage
   Zeus und den Hades rief sie.

»Nimmer noch Menschen noch Götter
Ins Brautbett zwinge mich keiner
   Herz in Brüsten zermalme mir
   Eher Zeus im Geleucht des Sturms
      Eh mirs einer beuge
Eh mirs von dem herrlichen Buhlen
   Stürb er auch hier, sich löste.

Will mir der Heilenden keiner
Sich nahn der Himmlischen? Mördrin
   Soll ich selber geheissen sein
   Er mein Wild, dem im Morgenrot
      Ich Lippen am Mund hing?
Ach dass uns Geläute der Rüden
   Bett und das Herzglück wehrte!«

Neben der Schrecklichen neulings
In Lohendem lächelte Phoibus
   »Sieh, gesund ist der Sterbliche
   Gehn und bleiben, er woll es nur
      Hin fürder vermag er«
Weit aus der Wunde den Pfeil fort
   Warf er und auf stand Idas

Held und der Göttliche, herrlich
Ins Angesicht sahn sich die Schönen
   Braun und riesig der Jägersmann
   Hochbeschuht und am Purpurriem
      Erzdröhnende Köcher
Es mass der erstrahlende Gottsohn
   Höhnend den Hoh'n im Goldhaar.

Aber umsonst; in die Arme
Der Sterbliche riss sich die Kühne
   Ihn umschlang mit gewaltigen
   Griffen wild das Adlige Blut
      Sie küssten und sprachen
Noch einmal den Pfeil denn und ziele
   Beide sind dein und keine.

Arme empor in. den Himmel
Erreckte der zürnende Fernschütz
   Zeus Vater rette von Hohn mich hier
   Schütze mir Himmlischer, Himmelsvolk
      Mein schwur sich die Arge
Gesundet ihr hab ich den Buhlen
   Soll ich dem Mädchen erliegen?

Blitz erkrachte und hochher
Kam Antwort unter die Kämpfer
   »Küren dürfe ein Menschenkind
   Freiwillig; sie wähle den Gott
      Unsterbliche wird sie
Wir gönnen ihrs, wenn sie den Menschen
   Wahrlich erkürt und hinstirbt.«

Also betrogen ward Phöbus
Ein einziges Mal der Belister.
   Hoch auf über die Schulter schwang
   Idas sich den wonnigen Leib
      Wie Schützen ein Rehwild
Ihm küsste sich biegend die Wunde
   Jene und stürzte das Haar ihr.

Über die Stirne ihr stürzte
Zu Boden und über ihr Schamrot
   Golden Haar das den Herrlichen
   Gott verstrickt in das zähe Netz
      Netzwirke der Kypris
Dank singe mir Muse dem Vater
   Welcher dem Menschen freigab

Dass ihm noch lieben und sterben
Für Bitter Geliebtes ein Recht sei
   Edles wählt ein ärmer Geschick
   Frei für Fronde mit Reicherem
      Heil stehn wie die Pallas
Die Aeoler Mädchen, in Harnisch
   Selber sich eigne Seelen.


Rund ums Jahr

Die Wolke führt das Jahr dahin
   Der Sturm die letzten Gäste -
   Es richten wie zum Feste
Mir Hoffnungen das Leben zu, -

Als wäre meiner Zeit Gewinn
   Und immer künftiger Tage
   In Gleichgewicht der Wage
Von immer wieder neuem Du.

Ich hab wo ich beiseite stand
   Wenn Du mit Jenen spieltest,
   Nur dunkel auf mich zieltest
In ungewollter Spiegelung

Bei jedem Streif an dein Gewand
   Dir selber kaum zu spüren -,
   Wenn ich Dir an den Thüren
Vorgriff, bei jedem Dienst und Sprung

Bei jedem Opfer der Geduld
   Das ich verwunden habe
   - Und wäre, wie ein Knabe
Fast gern entflohn, allein zu sein -

Dennoch den Vielen Deine Huld
   Und Gegenwart verziehen
   Und meine Welt verliehen
Weil sie doch heimkommt, mir allein:

Nun da die Welt in dir gewählt
   Bedungen und entnommen,
   In mir allein vollkommen
Betrittst Du wiederum Dein Reich

Unteilbar und unausgezählt
   Von nirgend widerrufen
   Und fort durch alle Stufen
Der Mannichfalt Dir selber gleich.

Vor meinen Augen öffnet sich
   In solchen Kreis Dein Wandel
   Als blühte mir die Mandel
Indes die Mandel mich schon speist

Als flöge der noch eben schlich
   Der Falter aus dem Wurme
   Als bräche in einem Sturme
Die Menschheit aus in einen Geist,

Und sprengte doch nicht den Begriff
   Uns angeboren, endlich,
   Denn sieh, dort wieder kenntlich
Kehrt er uns zu, kehrt er mir ein

Ein Seeschiff und ein Weberschiff,
   Denn seine Kehr ist Mehren,
   Denn all sein Mehr ist kehren:
Und sein Hinaus ist sein Hinein.


Lichterblickungs Lied

Hebt die Blume an das Licht
Ohne sie vom Stamm zu lösen,
Tiefer Zeugnis gibt es nicht
Für Begütigung des Bösen, -
   Es ist aufgegangen,
   Es ist angefangen,
Leben liegt im Argen, weil es ruht;
Weil es fortfährt, wird es gut.

Rundet rechts und links die Hand
Über Eures Bluts Juwele, -
Dem was von Natur entstand
Schafft mit Willen ihm die Seele;
   Ihm gebührt von Euren
   Einverleibten Feuren
Zu dem Funken, der ihm Leben gab,
Inbrunst, Meistrin über alles Grab.

Hebt Euch, Arme zu verschränken
Über der Geburt der Zeit,
Fühlt sie kommen, Euch zu lenken
In den Sturm der Ewigkeit:
   Dankt dass sie gediehen,
   Denkt sie zu erziehen,
Williget in Zug, der Euch selbmit
Zeucht, - denn alles Wunder wird zudritt.

Bittet Sonn um einen Strahl,
Wasser um geweihte Wellen,
Wenn Ihr wallt, sie in die Zahl
Ihres Gleichen darzustellen, -
   Eh die Erdenkrume
   Eurer schönen Blume
Aufbereitet wird zu strengem Bann,
Ruft die Heiligen der Väter an -.

Aller Treu beständig Wort
Und der Liebe langen Namen
Kommt beschwören, sie hinfort
Und zurück ins All zu rahmen;
   Sie ist nur entsprossen:
   Werbet ihr Genossen.
Heilig End ist alles bis zum Kind:
Aller Heiligst haltet, was beginnt.


Epiphanias

Steh hin, gib mir Bescheid, Gebild
Der Zeit, sprich, was bist Du gewillt
Und was gewahr?
Steh nicht mehr aller Worte bar
Vor dieser Frist!
Bekenne sie, verstummter Christ!

- »Sie zu gewahren weiß ich nichts,
So Du mir nicht statt Augenlichts
Nun gibst
Vom Lichte, drinnen Du mich liebst -
So Du ihr Hunderttausendfach
Für mein Gebrest
Nicht mir wie Dir einfältigest:
Gebrochen und in mir zerschellt
Steh ich vor der gebrochenen Welt -
Was Deine Hand
Nicht bunden hat, ist ohne Band:
Du liest in mir, oh Der Du liebst,
Nur Schriften, die Du in mich schriebst.«

So denk, ich hätt' Dir aufgetan
Die Augen, die noch niemals sahn;
So bind ich Dich in einen Bund:
Steh hin, sieh an, sprich aus, tu kund.
- »Ich seh den Menschen, worden Knecht
Anbeten seiner Hand Gemächt,
Und was er zwirnt, und was er braut
Und was ihm Ungefähr vertraut,
Mit Oel der Majestät geweiht
Bestuhlen auf den Thron der Zeit.
Der sich gerühmet Deinen Sohn,
Ein Schornstein ward sein strenger Fron,
Ich seh ihn betteln eine Gunst
Vom Funken und vom Wasserdunst,
Die, als ein Dienstvolk anzusehn,
Vom Schemel Deiner Füße gehn,
Und deren Du am Sechsten Tag
Ihm alle Macht, der man vermag,
Ihn zu erlösen seiner Angst,
Aus Deinen Stürmen niederschwangst:
Nicht daß er nur sich dran ergetzt,
Daß er in Puppen Werkel setzt
Bis alles, drauf er zielt und druckt,
Ihm dienstlich wie am Faden ruckt, -
Begraben hockt er in dem Tand
Und lallt mit Puppen seiner Hand,
Und heißt das arme Spiel nicht Spiel,
Viel mehr sein Zeichen und sein Ziel.

Mir denkt wie, da ich lag in Gram,
Mir Geisterwort zu Ohren kam,
Dein Hochgesind aus Deinem All
Sich mir gesellten, Licht und Schall.
Sie rissen sich aus Deinem Chor
Heraus und zürnten mir ins Ohr:

>Ohr, das der Herr geheiliget,
Aug, das er auf, zu sehen, tät,
Dem wir zumal und unser Kind
Zu untenan verpflichtet sind -
Zu Notzucht, die an uns verbricht,
Für jede Geilheit sind wirs nicht.
Ihr greift für dreiste Gaukelfuhr
In die Verordnung der Natur
Und was Euch Not und Arzenei
An uns, und steht Euch alles frei,
Habt Ihr gefangen in die Faust,
Daß jeder Hundsbub drinnen zaust
Und daß es jedem Schelme front
Und kein Gewissen seiner schont.
Ihr habt den Strahl in uns gestört.
Der Euch von Anfang nicht gehört,
Und werft den ewigen Strömen zu
Ein so gemeines Ich und Du,
Ein Lied so schal, ein Wort so frech,
Daß vor dem hündischen Gesprech
Das Feuer im tiefsten Erdenherd
Euch zu verschlingen aufbegehrt.
Bewahrt Euch, eh das Element,
Das Ihr nicht kennt,
Den Vorwitz, der es reizt, verbrennt, -
Bewahrt Euch, eh die Allgewalt
Damit Ihr prahlt,
Euch so verarmt, daß keiner zahlt,
Bis alle Weisheit, die nicht frummt,
Euch so verdummt,
Daß Luft nur summt, und Mund verstummt.<

Ich sah die Macht, die uns behext,
Zu viert in Schloten und zu sechst
Mit Bannern Rauchs, die dannen wehn,
Im blausten Deiner Morgen stehn,
Und keins der Tausende des Zugs
Der sich dazu hielt, sich des Trugs
Bewußt, der all die Tausend äfft, -
Wie Tiere gehn an ihr Geschäft.
Sie maßen's hoch und maßen's weit
Und hießen's mehr denn Menschenheit
Undenkend, wie des Maßes Amt
Und aller Zahl vom Menschen stammt,
Und ganz vergessen, und wie blind,
Daß das geringste Menschenkind
Noch Meister ist des Riesenbaus
Und größer als sein höchstes Haus,
Und Menschenherz und Menschenhirn
Erhaben über das Gestirn,
Und aller Sphäre, wie sie prunkt,
Er und sein Grund der Mittelpunkt.«

Und über dies vernahmst Du nichts?
Bediene Dich des tiefsten Lichts.

- »Ich sah die ungeheure Spreu
Der Städte, Brut und Aufgebäu, -
Wie fremd und immer schauerlich -
Noch voll des Funkens, der Dir glich.
Ich sah der größten Sünden Kraft
Von heißen Leiden tugendhaft,
Vor denen in mir aller Stolz
Zu Dank für Deine Langmut schmolz.
Zerstreut ins Flache liegt Dein Heer
Unmächtig schier der Gegenwehr,
Und allen guten Wesens bar,
Was sich's zumeist vermutend war;
Es trägt empor das freiste Haupt,
Was nichts mehr liebt und nichts mehr glaubt,
Und was noch wollte und nicht kann
In weiten Scharen, Weib und Mann,
Fängt's in sein Netz der Trismegist
In der Verhängnis vor dem Christ.
Doch sah ich auch - noch denkt mir's heiß -
Den knien, der weiß, daß er nichts weiß,
Der glaubt - und ich vernahm auch ihn -,
Was unglaublich mir erschien,
Der hoffte, wo nach Menschen Lehr
Die Stunde am Verzweifeln war,
Der liebt - ich weiß, daß es ihn gibt -,
Was weder liebt noch wiederliebt - -
Es atmet noch, das Volk des Herrn:
Gönn ihm noch dies Mal Deinen Stern!« -



                                       Horst Janssen

Amaryllis



Februar in Berlin

Jede Ahnung süßer Weste,
   Jeder Hauch von dir!
Hier im bitterlichen Winterreste,
   Im Gefangnen hier!

Ohne Duft und ohne Himmel,
Ohn ein wirkliches Entzücken,
Wo wir uns, Vermummte, drücken
Durch das niedrige Gewimmel -

   Hochhinein die Wände,
   Hundert Fenster leer -
   Bruch der Gegenstände
   Berstend um uns her -

Schollen unter Sohlen knirrend,
   Um die Ecken Wind,
Staub und Schlack und Ruß verwirrend
   Beizt das Auge blind.

Aber aus dem pelzigen Neste
   Blaust du mir und blühst -
Jede Ahnung süßer Weste
   Taut schon, wo du glühst:

Zwischen Wimpern und der Braue
   Treibst du bunt, wohin ich schaue,
Um die Lippen und die Lider
   Da, und hier schon wieder -

Rosig braun und gold,
   Schmelz, darin sich kündet,
Wie ein schlummernd Tausendhold
   Bald, wie bald, in vierlei Purpur münd

Schüttelst du wie ein Verheißen
   Zauber ins Revier:
In ein Frühjahr will mich reißen
   Jeder Hauch von dir.

Sterbe um mich immerzu
   Alles ab, Getroste du,
Im Verhängnis allen Lichts
   Du bist Leben, anders nichts.

Aus dem Pflaster, wo dus trittst,
   Müssen Veilchen quellen,
Und mich sollte, wo er blitzt,
   Blick nicht augenblicks erhellen?

   Jede Ahnung neuer Tage
   Im Betrübten bunt -
   Schließe mir die kurze Klage,
   Ewig blühender Mund.


Bild der Geliebten

Und so sag doch schon, wie sie ist,
Über der du alles vergißt,
Die Nächte wachst, bei Tage träumst,
Alles doppelt tust oder halb versäumst:
Ein Mädchen - will noch nicht viel sagen;
Schöne gibt es genug;
Jede zweite ist lieb, jede zehnte klug,
Die meisten können sich betragen.
Gib was Gewisses, einen echten Zug,
So will ich dich nicht mehr plagen,
Und sagen, es wohnt noch was unterm Mond,
Darum sichs Narr zu werden lohnt.
B. Narr zu werden!
A.                                Warum so störrisch?
Im Paradies, meinthalb, ist selig sein gescheit:
Mir scheint, wir sind noch nicht so weit.
Hier sind die Seligen all ein wenig närrisch. -
B. Gib mir kein anderes Paradies
Als hier der Selige zu werden - -
A. Wol, und einstweilen hier auf der Erden,
Die keins von euch beiden bisher verließ,
Zeig wer du bist, zum Teufel, sei Mann
Und stell sie mit drei Worten auf zwei Beine.
Ich halte etwas vom Augenscheine,
Und mich bedünkt, auch noch das Ungemeine
Fängt bei dem Allgemeinen an.
Wenn du nicht weißt, woran sie halten,
So nimm das Erste, womit sie dich hält:
Denn so wie ein Hand in Hand gefalten
Begreift sich alles auf der Welt.
B. Halten, - und wie denn und wann?
Halte die Windsbraut an!
Zwischen Sonnblick und Guß
Halte den Schatten im Fluß,
Zwischen dem Baum, den du kennst
Und der nun, im Mond, ein Gespenst,
Steht, und nun wieder ganz gemein,
Stelle dich, wenn du kannst, hinein!
Greif zu, und sieh was du gewannst
An dem was du halten kannst,
Von Kaumanfängen, von Übergängen,
Von ewig jungen Erschütterungen,
Von der Gewalt ohne Halt,
Von dem Hinriß ohne Spur,
Von Blitz nach Blitz ohne Aufenthalt,
Spiel das sich löscht im Spiel das sich malt,
Im Unendlichen der Natur.
Mich hält? Und womit denn hielte?
Die nie mehr als vor mir über spielte,
Wie ein Strahl, der den Waldgrund fleckt,
Mir das Auge neckt,
Wie der Quell, der über mein Antlitz spült,
Verfließt, unahnend die eigene Kühle,
Wie das Licht im Tropfen, das ich fühle,
Mich drum nicht fühlt,
Und all der Geist, der um mich handelt,
Mit tausend Pfeilen scheinbar nach mir zielt
Und doch nur mit sich selber spielt,
Mich wandelt, und schon von mir wandelt!
Was besteht, das magst du erreichen.
Es ist mit Lot und Zirkel leicht umzirkt:
Was um dich webt, was auf dich wirkt -
Da fragst du nur »Wem kann ich dich vergleichen?«
Lebendiges! und nicht ein Ding!
Wer's erfuhr, wie's zuerst anfing!
Wer's erfahren, wie's weiter fuhr!
Alle Worte sind gering,
Außer eins – Natur!

A. Und das alles, vergib,
Ist so neu wie weiße Barte.
Hat wo eins das andre lieb,
Seit Adam Even begehrte,
Spurts immerfort auf dieser Fährte:
Wild und Wilders so fest im Bund,
Wie mit dem Hasen der Hund.
Sollen immer denn Liebesleute
Bleiben wie Meute nach Beute?
All die Erschütterung
Immer nur Witterung,
Ob sich eins nun im andern vergißt
Oder eins das andre frißt?
Bist du Natur oder Geist?
Bist die Welt oder der ihr gebeut?
Sie muß heißen wie du sie heißt,
Obs dir leidet oder dich freut!
Eh du sie nicht aus der Wildnis reißt,
Aus Glitzer und Glimmer und Wetter
Und Spiel der Blätter
Und Wirr und Wirk
Und deinen hunderttausend Tropfen -
In Eins, ein Einziges, den Bezirk,
Wo Herz regiert, wo Pulse klopfen,
Wo Leib und Geist sich entzweit,
Und, ihm paarweis nach, der Streit
Der Links und Rechts, von Unten bis Oben,
Im Gleichgewicht aus einander geschoben,
Im Gegensatz wider einander bestellt,
Zur Sicherheit verkoppelt
Oder einander zur Aufsicht verdoppelt -
Menschheit, Welt über der Welt, -
Und solang dirs nicht gelang,
Sie der Menschheit wieder zu entreißen
Im Blitz, der ihn sieht,
Den unverfehlbaren Unterschied -
Was will der ganze Überschwang,
Was will die ganze Liebe heißen?

B. Und du hast Recht, weißt selber nicht wie sehr!
Es waren Worte, laut und leer,
Ich weiß, ich muß mich ihrer schämen.
Doch hast du selbst fast meine Schuld bezahlt:
Du hast sie so genau gemalt,
Daß deine Striche mir die meinen lähmen!
A. Ich sie gemalt? der sie nie sah?
B. Sie war in deinen Worten da,
Mir, dem ein Wort genügt, sie zu gewahren,
Und dem sie tausend noch nicht offenbaren.
Und so laß mich, noch eben ungemein,
Der Biene gleich, die in den Kelch versinkt
Aus dem sie ihren Honig trinkt,
In dir verschwunden und bescheiden sein.
Ja, sie ist, wie du sagst, genau:
Ein Mensch, ein Mädchen, eine Frau,
Ein Herz, ein heftiges Geblüt,
Ein Rechts und Links, so im Gemüt
Wie in zwei Händen, in zwei Augen,
- Nein, laß mich bienenhafter summen noch und saugen -.
Sie ist im Kleinen Welt ob aller Welt,
Im Kleinsten Mensch mit ihres Gleichen,
Und wenn mich dünkt, ich sah an ihr das Zeichen,
Das sie Unsterblichem gesellt -
Ich solls nicht deuten:
Ihr ists nicht Not, es sucht nicht Ruhm
Mein Wissen um das Heiligtum,
Und Gott braucht keinen Hermeneuten,
Wenn er, im ungeheuren Schalten
Mit Mitteln, welche um ihn sind,
Durch sein hervorgezogen Kind
Erscheinen will, mein Herz zu spalten:
Sie unterbricht mir nicht den Strahl,
Mit dem er in mich regnet -
Sie ist mit keinem Zug noch Mal
Als dem allein gesegnet -:
- In ihr Gesicht Mal ich ihrs nicht,
Daß Himmel und Erd mein eigener Saal
Vom Tag an, da sie mir zuerst begegnet.


Als er von ihr getrennt war

Du bist nicht da, und füllst mich aus.
Ich bin das mietvergebene Haus,
Das jedem Fremden sich verwehrt,
Und drein sein Herr, wer weiß wie lange noch, nicht kehrt.

So schleichts in mir bei Mitternacht,
   So springts, bei Sonnenschein, die Kammern lüften.
Mein Herzschlag horcht sich voll Verdacht,
   Es steigt aus mir, bis zu den Hüften,
Als wärs aus Söllern, vorgebeugt,
   Zu spüren, ob noch nichts von Ankunft zeugt -
   Es sinkt zurück, der Laden schließt,
   Leer ist die schwarze Nacht, es gießt.

Manchmal in mir wird aberwitzig
Dies Spukverlangen, fingerdünn und spitzig
   Zu forschen, ob du mich denn gar so ganz besitzt?
   Ists denn verbrieft? Bin ich denn dein allein?
Wo ist dein Name in mich hinein geritzt?
   Entfuhr nicht gar der Gott? Deckt ihn der Stein?
Und wie der Hüter überm Grabe sitz ich.

Nicht in mir du? Wol, aber allerorten
   Um mich: die Luft, die Wand, das aufgeschlagene Buch,
   Ein Wurm, das Angedenken, der Geruch
Geht auf mich aus mit hunderttausend Pforten,
   Draus, mit dem Auge, wie kein andres blitzt,
   Du ahnst, und wirst, und eben trittst -

Und in den Geisterkreis der Näherungen
Mein Herz, der Ägatnadel gleich, verschlungen,
   Und vorbestimmt nach Einer hinzuweisen,
   Es ist kein Wunder, wenn es immer bebt.
   Es zittert auf dich zu in allem das da lebt,
Wie sie all durch die Welt nach einer Spur von Eisen.

Denn es ist dies, Magnet, die bittersüße Ehe,
Wie meine, dein: gehörig sein, nicht Eins, -
   Ewige Trennung; zitternde Bussole,
Du einzig kennst mein Los: die Kluft des Seins,
   Von Wittrung überschwebt, paart und entzweit die Pole.
   Es faßt, es läßt. Ich habe nicht, ich hole. -
Nur wenn du in mich fliegst, wird Deins ein Meins.

Ich sollte sprechen: Was verschlägts,
Mehr oder minder fern ? Nah war die Ferne,
   Sobald das Wunder wollte. - Herr der Sterne,
Der du uns schufst, - wer, der da liebt, erträgts,
Daß Nah auch Fern ist. Dieser überlegts,
   Jener verlachts; wer's aushielt, stürbe gerne -

Daß Ja auch Nein ist, - Nein auch Ja.
Du füllst mich aus, du bist nicht da.


Jeder Mann der Seine

Dass wir ein Ganzes worden sind,
Mit Schmerzen werd ichs inn - -
Nicht Haus und Hof, Gesind und Kind -
Du bist was ich nicht bin.

Bists wol, und dennoch nicht sogleich,
Doch endlich bist du's ganz.
Vom Nochnicht blickst du mir so bleich,
Vom Endlich voller Glanz.

Was ich nicht hab, und hast dus nicht,
Aus dir nur wirds ergehn,
Indes es dir das Herz durchbricht,
In Jammer solln wir stehn.

Und werd ich wissen meinen Wank,
In dich bring ich ihn ein,
Und stehn wir dann zu zweien krank,
Heil werden wir zu zwein.

Wenn Ewigkeit mich nie verlor
Und Zeit mich nie gewann
Und mich die Wächtrin vor dem Tor
Nicht riefe dann und wann,

Du wärest nicht die Gott gewollt
Und ich nach ihm benannt,
Als ich, verloren in Sein Gold,
Blind in dein Licht gerannt.

Er gab uns nicht den Rat der Welt:
»Du nimm, und du laß gehn«,
Er überwand uns wie ein Held
Und hieß uns überstehn.

Und grimm wie manche Stunde war, -
»Vorüber« sagten wir,
Weil Ewigkeit im Bunde war
Mit Zeit, und ich mit dir.


Amulett

Zerrisse dies gefeite Band
Und das darein geknüpfte Leben,
Es liegt in keines Geistes Hand
Die Macht, mir wieder eins zu geben.

So hat Gestirn mich wollen mengen:
Ich habs vor aller Welt voraus:
Die Würde, von dir abzuhängen,
Macht all mein Recht auf Dasein aus;

Die Sicherheit, die dich gewahrt,
Die, kaum gewahrt, sich nach dir richtet
Und, kaum gerecht, sich so dir paart,
Wie Lippe nichts von Lippe schlichtet,

Ich habe sie wie angeboren,
Sie stellt sich ohne Willkür ein;
Ein Tun und Lassen wird beschworen,
Doch ein Gesetztes ist das Sein.

Und steht in allen Geisterreichen
Kein Sein in immer gleicher Ruh -
Denk des Geheimworts auf dem Zeichen:
»Verwandle dich dir selber zu.«


Vollkommenes Wesen, das mein Leben teilt . . .

Vollkommenes Wesen, das mein Leben teilt,
Und über mich gebeugt mir jeden Schatten,
Damit der Welt Gebrechen nach mir zielt,
Benimmt; weil er auf dir nicht zu Verfinstrung
Mehr würde, nur zu Stufen deines Lichts:
War ich so reich wie ich nicht bin, - so weise
Wie ichs nicht werde, - so genehm vor Gott
Wie er, der mir dies heftige Blut erschuf,
Mirs heut nicht frömmer mischte, oder wiedrum
So arm wie ers am liebsten sich erwählt
Zu Vollgefäße all seines Überflusses:
Noch war ich nicht gemacht das Wort zu finden,
Im Armen reich, daß ichs mit einem Blick
Auf dich nicht bald verwürfe. Staunen ist,
Vor bloßem Stammeln, schön. Ein Glück ist Schweigen
Wie Sprechen, auch, wenn wir so eingefaßt
In uns das Herz der Welt, Begeisterung,
Daß mit dem Wurf der Arme auseinander
Die Ängstigung entweicht, der Mut uns groß wird,
Das Aug sich ausgießt, und der Mund nicht gilt.

Ein Bube singt sein Herz, zwingt Mond und Sonne
Unter die Liebste, - Fink etwa und Drossel,
Der ganze Frühling, nicht? Die Nachtigall
Nimmt ihr erschüttertes Geschäft für ewig,
Doch Juli brütet stumm, was übertrieben
Der Werber März und was April gepaart,
Und schwül und nüchtern über Erden Kindern
Wird Sommertag zu Herbst. Nicht zu verkehren
Den Gang gemeiner Zeit, heiß ich durch dich
Mich ausgenommen vom Geschick; ich habe
Nichts stillgestellt: Dich heut wie immer lieben, -
Mehr lieben - minder lieben, Zeit und Raum
In Anschlag bringen, auch den Traum vergänglich
Wie Wirklichkeiten schelten: Lästerung,
Eins wie das andre, wärs. In deinen Reichen
Sind Jahre nicht gesetzt, ist Lauf nicht Ablauf
Noch Wiederkehr des Sterblichen ein Trost:
Es hat der Segnerwille, der gewollt
Vollenden dich, dir seine eigne Anstalt
Verliehn: sie nahm mich labyrinthisch auf
Wie die verschlungene Welt; sie fördert mich
Geheim, wo sie mich aufhält. Vorwärts ahn ich,
Indes ich umzukehren scheine, Licht
Am Eingang meiner Bahn. Fern ist der Tag,
An dem michs nach dem Ziel verlangte. Lieben
Ist immerfort beginnend wie die Welt,
- Enden damit mag der, der's nie begonnen -
Vollkommenheit, die gleiche um und um,
Und gleich der seligen Kugel, - was sie soll,
Ein Vorbehalt des ungesehenen Schützen -,
Spricht sich nicht, denkt sich nicht, erlöst sich nie:
Erfährt sich, lernt sich langsam: lebenlanges
Raunen mit Gott - der Muschel wie des Meers.


Beim Tode von . . .

An . . .

Eine Ewigkeit wird sein,
Zu begreifen,
Das, warum in solcher Pein
Beide wir nur streifen:

Daß ein Sternenname bricht
Aus Gefunkel -
Anders sieht sichs an im Licht,
Anders tief im Dunkel.

Ein Geheimnis ist Besitz,
Eins: Verlieren;
Unsern Augen flieht als Blitz
Sternenglanz der Ihren.

Ein Geheimnis ist Ersatz,
Eins: Untröstlich
Blick im West der goldne Schatz.
Schicke denn dich östlich.

Einen Zauber weiß der Geist:
Mehr aus minder;
Vor dem Heilgen, ders beweist,
Alle sind wir Kinder.

Ich ermaß den ganzen Raum
Meiner Gabe,
Seit ich meinen höchsten Traum
Wehe, nicht mehr habe!

In uns selber unversehrt
Schwebt die Gänze:
Fragst Du, was die Heimat wert?
Frag es an der Grenze.

Frag ich, was ich denn verlor,
Du erklärst mirs:
Nie gewährtest Du's zuvor;
Heute, Du gewährst mirs.

Heute, daß ich diesen Harm
Fühlend endige:
Fasse Dich in meinem Arm,
Weinende Lebendige.


Tiefe Nacht

Still, auf Zehn ans Fenster, - still,
Daß mirs diesmal nicht entglitte!
Denn die Nacht weiß was sie will,
Denn das Plätschern klang wie Schritte.
Nichts. Die Brunnen traufen,
Nichts. Die Becken laufen.
Immer nichts: Ohne Zeit,
Wiesen, Wege, mondverschneit.
Weit und breit immer nichts. -
Oder lachts da? oder sprichts?

Ja es sprach, es lacht' es weinte, -
Ja, ich fühlte, wen es meinte, -
Jetzt!
Mein Aug' ward naß, mein Puls hat ausgesetzt.

Nichts. - Die Wasser, drauf es schattet
Aus den Kronen, unersattet
Ihres Silbers, ihres Sprudelns
In der Schwärze, -
Schluchzens, schüttens nieder, strudelns
In den Mond auf, flüssige Kerze. -

Komm zurück. - Laß die Thür
Fallen zu; das Für und Für
Dieser Rede will sich stillen.
Laß der tiefen Nacht den Willen.

Oder wenn michs wollte?
Ich was müßte? Ich was sollte?
Ich weiß, ich habe nicht geträumt.
Wenns draußen wartete,
Weil mir erhartete
Das Herz, als hätt es nichts versäumt?

Denn es gibt sich nicht zur Ruh. -
Auf vom Kissen; in die Schuh;
Leise Tritte
In die Mitte -
Denn der Mond war wie ein Geist
Denn die Luft sagt, wie er heißt,
Denn das Waldgeräusch ist satt
Von der Botschaft die er hat,
Von der Bitte -
Denn sie flüstert jedes Blatt,
Denn das Plätschern klingt wie Schritte.


Lebenslied

Was die Sterne mir vergönnen,
Dies Gewahren und dies Können,
Dieses Rühren an die Schranken
Menschlich umgetriebener Bahn -:
- Mags die Erde mir verdanken,
Oder mit im großen Schwanken
Flüchtigen ihr Ozean:

War mirs dennoch Deiner Handen,
Guter Geist, so zugestanden,
Daß michs auf der eigenen Schale
Widerwog der wüsten Zeit:
Ich beließ die eigenen Male,
Ich verfloß im eigenen Thale,
Ich gebar mir meinen Streit.

Keiner Ausgeburt von Schooße,
Reichte sie ins noch so Große
Ist verliehen zum Gesetze
Zugeständnis über dies:
Fern der Jagd und ihrer Hetze,
Fern dem Fang und seinem Netze,
Spüren wie ihr Stern sie hieß.

Aus der Finster ihr entgegen,
Wenn sie ja nicht ließ von Wegen,
Wenig Klarheit mag ihr münden
Dennoch erstgeboren Licht:
Ob ihm löschen, weiterzünden
Vorbestimmt, nicht uns ergründen
Heißts und darum markten nicht.

Unser sei, von Süd zu Norden
Eins der Geisterwelt geworden,
Und ein Gleichnis ihrer Achsen
Zu getrösten uns im Geist:
Weil du wurdest, ist Galaxen
Eine Mehrung zugewachsen
Die nicht fragt, ob man sie preist.

Jede That, die ehdem tot war,
- Eh sie Pol zu Pol im Lot war, -
Fühle sich emporgestiegen
In den Chor aus Tausch zu Tausch -
Herrlich ist auf Erden siegen:
Dich in Dir ums Stillste wiegen
Und vergessen, ist der Rausch.


Versuchung

Was staunst Du, Fürst der Welt,
Wenn ich mein leichtes Zelt
Vom ein zum andern Tage
Abbrach und neu aufschlage,

Wo mir der Baum die Kost
Und Frischungen der Ost
Und um die winzige Miete
Sich Dach und Säule biete?

Was staunst Du Herr des Schlots,
Der Massen und des Tods,
Der Schnellen die nicht laufen,
Der Schätze die nicht kaufen,

Des Sacks darin nicht klingt
Was mich um etwas bringt,
Für nichts, darum Du wettest,
Mir Du zu geben hättest?

Ich ward, der ich nun bin;
Ich habe meinen Sinn;
Was wir von andern hätten,
Wer kanns vor andern retten?

Was ich mir selber gab, -
Und sprach ich auch »da hab«
Und sperrtest Dus in Schrägen
Es hurtig fortzutragen,

Es käme, Dir entflogen,
Mir flugs zurückgezogen,
Und spottete der Welte
Im Wind auf meinem Zelte.

Sei meines Gleichen Du
Von selber fällt Dirs zu.
Sonst kann Dichs wol zerstören
Doch wird Dirs nie gehören.


Ecclesia pressa

(An Rudolf Alexander Schröder)

Wetter schlug, und mächtiger Flügel
   Fegt die Schwüle, hebt die Angst -
Nebelduft bewegt den Hügel
   Den Du längsthievor besangst.
Wo bei Busch und Rebgeländern
   Hält Dein Gang und Dein Gedicht, -
Züge, die sich nicht verändern
   Ob Du wiederkehrst, ob nicht.

Bildern bist Du zugetreten
   Dieses vielerfahrenen Lands,
Fürsten tröstlich und Poeten
   Sanft mit bitterlichem Kranz:
Wo, der nach der Welt gegriffen,
   Und ein sicheres Dach verschmäht,
Ueberm Schicksalsmeer voll Schiffen,
   Schatte noch, nach Boten späht. -

Aber Dich vor Deinem Hafen,
   Volkverstört und fahrtverwaist,
Lässt die Rechenschaft nicht schlafen,
   Die verfallene vor dem Geist.
Jäh die Fristen sich verkürzen
   Siehst Du, und den Tag schon dräun,
Da sie das Jahrtausend stürzen
   Die vermeintlich es erneun -

Da die Kirche der Triumphe
   Die Du hieltest über Fall,
Ausgerottet mit dem Stumpfe
   Spurlos bleibt und kaum ein Hall, -
Da die Streitbare den Splitter
   Weichend in die Scheide steckt,
Der umsonst ihr letzter Ritter
   Das verlorene Feld gedeckt. -

Deinthalb nicht, o Herz voll Demut,
   Dem das Lehn der Welt nichts gilt,
Schüttert Dich die wilde Wehmut
   Die noch liebt was sie beschilt -
Mir nicht müssest Du beteuren,
   Welcher Sache halb Du jetzt
Machtlos Dich dem ungeheuren
   Uebermochtsein widersetzt.

Ihr drum hebe Dich entgegen,
   Der noch Herrlicheren, Du
Heimlichen, die unerlegen
   Wieder greift nach Stab und Schuh
Schall ist worden von Drommeten
   Zeitenumkehr angestimmt,
Dass die Hüterin des Steten
   Zuflucht bei Geschlagenen nimmt.

Schau den Berg in seinen Wettern,
   Und verdeutsche seine Schrift -
Wags, dies ewige Land zu blättern,
   Gruft um Gruft und Stift für Stift -
Jeder Sturz ein Pfand auf Dauer,
   Mächtig über Acht und Bann,
Denkmal jede stille Mauer
   Für das Herz in einem Mann -

Jeder Fussbreit Felsenleite
   Tapfe des gekränkten Ruhms,
Jedes Turmgesicht ins Weite
   Aug verarmten Kaisertums,
Eine Landung jede Reede
   Für den Geist, dem jeder Stein
Kerker auftat, bis ihm jede
   Stadt sich hochtat überm Schrein.

Nicht nur Speicher, nicht die Schürze
   Baut den Geist an, nicht das Feld -
Sturm, ob Dach ob Fach drin stürze
   Ist sein Bauer in die Welt -
So zerriss für Völkersaaten
   Herrlich dies geprüft Gebiet,
Denn der Welt soll nicht geraten,
   Was sie einmal nicht verriet.

Birg dich höher in die Blickung
   Der die Weile nichts verschlägt,
Weil sie unterm Fuss der Schickung
   Schon Gefäss der Schickung trägt:
Eine Schöpfung durch Erleiden
   Ueberbietet sich das Erz
Und die harte Welt entscheiden
   Kann nur ein gebrochenes Herz -

Nicht gebrochen, nur zu brechen -
   Dass ihm aufergeh im Spalt
Die aus Teuerkauf der Schwächen
   Erst entbundene Gestalt.
Keinem Schmied liegt sie zu Stücken,
   Keiner giessts und bauts und gleichts -
Wer drauf aus ist, hats im Rücken
   Wems gerinnen soll, zerschleichts, -

Nicht am Ausbund, den sie klügelt,
   Erst am Bund, den Welt zerreisst,
Ausfährts in die Zeit beflügelt,
   Opfer Mensch und Schöpfer Geist:
Weine nicht, dass sies verstiessen,
   Denn so schaffen sies zugleich - -
Dort erst, wo sie uns nicht liessen,
   Oder nirgend, kommt das Reich.


Steigt die Sehnsucht meiner Augen

Steigt die Sehnsucht meiner Augen
Blumen flechtend bei mir nieder
Wunder nimmt michs immer wieder
Dass noch Falter weiter saugen -

Dass noch ihre eitle Weide
Vögel um gemeinere tauschen
Statt sich süsser zu berauschen
Buhlend über ihrem Kleide.

Euch beklag ich, Schmetterlinge,
Vögel die umsonst getragen
Durch die selige Luft den Wagen
Der Verzauberin der Dinge,

Dass ihr den Beruf verloren,
Himmeln zu Gesind zu dienen,
Nun aus ihnen neu erschienen
Unverwelkend, nie geboren,

Die Gestalt dran das Gebrechen
Aller Zeit und Form sich tröstet -
Dass nur Ihr Euch nicht erlöstet,
Aus der Haft der Erdenschwächen.

Aber mich bedünkt als sagt ihr,
Euch verfinge, was verderblich,
Weil ihr eines Tags und sterblich
Selbst, und darum nur entsagt ihr -

Göttin, allerliebste Huld,
Wandellos ob allem Neidigen,
Lass die Ärmsten mich verteidigen
Denn sie habens keine Schuld.

Sie verlockt, weil sie erliegen
täglich eintägliche Zehr -
Dir zum Munde soll nur fliegen
Was unsterblich ist, wie er -

Gib Dich meinem Preis gefangen:
Deines Gleichen ist der Dichter.
Eh vergehn des Himmels Lichter
Als sein Lob und Deine Wangen.


An ein schönes Mädchen

Wenn Du Dich hebst, wenn Du Dich ruhst,
Dich schwingst, Dich fängst, -
Dich aufbaust, Dich herniederthust,
Wehst, oder hängst, -

Wenn Du dem Finger Dich vertraust,
Die allerliebst
Schief aus dem Tuch gedrehte Faust
Im Drehn verschiebst, -

Reisst Du mir, so, wie angeregt
Die Laute schwirrt,
Aus jedem Nerv, der in mir schlägt,
Laut, und er klirrt.

Ich schweig ihn, eh Du ihm noch wehrst:
Nun steh ich fest,
Wenn Du verziehst, wenn Du Dich kehrst,
Dich fängst, Dich lässt.

Doch überhörs, wenn Du nicht weisst
Woher Dirs klingt:
Denk Du beschwörst der Stunde Geist,
Zu dem es dringt

Wenn Du Dich bückst, die Stunde pflückst
Leicht überm Strauch,
Und die zu Dir erhobene drückst
In Deinen Hauch -

Es wundert sich das Element:
Und Du vernimmst
Erst nun den Ton, den keiner nennt,
Eh Du ihn stimmst.


Entfernte, deren grosses Herz ich ehre

Entfernte, deren grosses Herz ich ehre
   Seit mir sein Schlag zu nah trat, und im Rausch
Des Waldbaums und der jugendlichen Meere
   Mir Bürge ward für Ewigkeit im Tausch

Und Wandel der verunglückten Gezeiten -
   Ungern vernehm ich, Saitenspielerin,
Von den gereimten Lippen und geweihten
   Den Hader mit der Botschaft und dem Sinn.

Ungern nicht lieblos, Mädchen, Unbekanntes
   Zu kennen nie bestimmtes Kind; nicht gern
Fand sich mein Herz darein, jedoch benannt' es
   Weil es Dich liebt, Dein Lied nach seinem Stern.

Unstern beschiesst uns Alle, zielt mit gelben
   Beirrungen auf Dich und wirft Dich schief,
Sobald Du aufbegehrst: es sind die selben
   Gestirne nicht mehr, drinnen Phoebus lief

Nicht mehr seit diesem; nur das selbe - aber
   Das immerher noch selbe stärker als
Des Pols voll Stern gehäufte Kandelaber
   Der Überleber alles Zeitenfalls

In uns, das heilige Wesen Herz, begeistert
   Von Gottheit und von seinem Fluss geflösst,
Die das Gestirn des Fluches, eh' es uns meistert,
   Nicht kennend unter seinen Schemel stösst.

Du bist die Welt, sie ist nicht ausser Deiner,
   Sobald Du bist: Du bist, sobald Dein Thor
Springt von Geschöpf. Geschaffen hat Dich keiner.
   Wer dasein wolle bringe sich hervor,

Und leide, wer nicht dasein kann, verschlungen
   Ins Labyrinth aus Hunger und aus Satt
Aus Gallen und aus Honig, Wut nach Jungen
   Und Angst vor Alters Nachbarschaft, aus Matt

Vor Lust und Matt vor Worten, aus Gebären
   Des neuen Rings am Alten, und Verbrach
Des Alten Stückwerks: trage Samt und hären
   Bis er zerfällt in seinen Widersprach.

Lass Fallen Du, Ergänzerin, im Schleier
   Der Fassung, was der Welt und was sich gleicht,
Lass ab Dir stürzen die verlebten Freier
   Des Feiernden Tags: wo war er, der Dir reicht?

Verwinde deinen Zufall im Gesetze
   Wie Königen ansteht, deren Schrift ins Erz
Der Künftigen es gräbt: verschmäh die Schätze,
   Du darfsts, die Dir geworden, schönes Herz,

Doch denen, die zu Roste gehn, und deren
   Du heilig mangeln sollst, das Auge nach
Zu drehn, verleiden mögen Dirs die Zähren
   Der Stunde bitterlichsten, da Du Schmach

Von Dir zu wenden, griffest nach dem Leide
   Das Dir nicht zustand: doch Du wusstest auch
Nur gegen das Entsetzen seiner Schneide
   Zerfloss Dein Sterbliches, und wurde Hauch.


Herz, Herz, das nicht gesundet

Herz, Herz, das nicht gesundet, -
   Schlag in Dir auf, und lies:
Das Waffen, das verwundet,
   Es heilt, nur eben dies;
Der Zeit Gesetz und Raumes
   Prägt nur aus Minder Mehr:
Trag sie, des Edlen Baumes
   Einschneidende Beschwer.

Die Härte wird ihn biegen
   Vom Lot, da nach er brennt;
Im Blau soll er nicht wiegen
   Den Flor, den sie nicht kennt -
Es kennt nur Frucht und Kelter
   Des Ewigen Jahrs Gelag, -
Der Herrlichkeit Behälter
   Erdrückt Dich für Ertrag.

Die Welt ist nicht des Bösen
   Noch Guten: Beider Quell
Schwillst DU. Vom Trübsten lösen
   Nur Blitz und Schlag Dein Hell.
Erschütternd erst erkiesen
   Erschaffende Dich zum Gast:
Sei, was Du wardst, gepriesen
   Für das, was Du nicht hast!


Bellosguardo degli Amanti

Geh nicht, wenn Dir das Herz
Um die Freundin schwer ist, -
Oder, wenn sie Dir nahm
Was sie gestern gab -

Nicht bergan geh,
Hinter der Dämmerung her,
Den Weg nach Bellosguardo
Der Liebenden.

Denn Du gewahrst sie dann,
Die Dich nicht gewahren, -
Nichts mehr gewahren die Un-
Anrührbaren,

Über deren verschlungner
Gefangenschaft
Der Kuss, die Falle
Eines Jägers, zuschlug. -

Aufwärts die unzählbare Rampe
Der Kehrenstrasse,
Wo die Mauer den Hang
Gegen Abgrund stützt,

Wo, gen Berg auf, Gitter und Hag
Und ein stolz Gemäur
Goldne Wohnungen
Gegen den Einblick wahren -

Winterlich, wenn alles zumal
Was da lieblos, friert und einkriecht,
Oder im März, noch lange
Vor der erschütterten Nachtigall,

Der Bötin des von Neuem
Unglaublichen,
Die das ausgestorbene Herz
Mit Schlägen ruft, zu leben, -

Wenn der Regen der Wärme
Die Glut noch abschlägt,
Und warten heisst, was ohne ihn
Schon stürzte gegen den Sommer,

Hängen sie da, die Mauren,
Voller erstickten Gelübds
Das Mund auf Mund den einzigen
Des Lebens werten, wildesten Honig sammelt:

Wie voll Bienen ein Busch
Noch vor die Nacht fällt -:
Die höchste Blume am Zweig
Füllt sich zitternd mit Besuch, -

Aber, der untern auch,
Am Boden streifend
Entbehrt der Dringlichkeit
Nicht ein enterbterer Mund, -

Also lebt er, der Weg,
Von Hingerissner
Dunkel brennendem Geschäft,
Und Du fährst vorbei:

Hart in der Kehre
Röcheln die Wagen der Welt
Bei der Flüsterstunde
Der Unweltlichen

Deren verschlossene Unschuld
Geisteräugig
Den schamlosen Lichtern der Fahrt
Ihren Stoss verzeiht, -

Denn schon vorbei sind
Die Gnadenlosen,
Bei dem Eide
Des Gnadenstands.

Geh bei Mitternacht nicht,
So Du sehend wärest,
Den Weg nach Bellosguardo
Der Liebenden

Wenn in die Bogenlampen hoch
Geklommen die Liebe rächend
Dem Licht die Augen zerschlägt
Und die Scheibe klirrt,

Dass ein vergötterter Blick
Erst aufgehn dürfe
Und die Verzweiflung selbst
Ihrer Küsse sich nicht schäme -

Unvernommen
Weint das »Sag Ja« »Sag Nein«.
Wie, - sag, - überleb ichs?
Unaufhörlich, unvernommner

Über die Maur weg, aus den höchsten,
Den Gärten der Königs-Buhlin
Der verlassene Vogel
Sagt »Nie« - sagt »Nie«.


An Marion

zum 15ten Mai 1937

Dein Haus ist wieder übervoll - lass gehn
Ob ganz wie einstmals - - Deine Diener eilen,
Dein Gärtnersvolk lässt seinen Prunk entstehn,
Und schneidet, bindet, bringt; in bunten Zeilen
Blüht das erhabene Kommen-und-Vergehn,
Den ganzen Lebensschmerz Dir halb zu heilen,
Und, wo Dir Gäste gehn in Deinem Eden
Weiss ich, dass Zwei von Dir sich unterreden.

Sie preisen Dich, - - wie oft, wo man Dich pries,
Schwieg ich beiseit, begnügt, mich Dein zu wissen,
Und spann für mich im Stillen fort, und liess
Die Antwort gar, auf die man drang, vermissen!
Was halfs auch, hätt' ich Jenes oder Dies,
Auch Ich noch, beizutragen mich geflissen?
Wie sagen, was nicht Jeder wissen musste?
Wie Anderen das mir Einzelnem bewusste?

Denn wer erlebt, aus welchem feurigen Kerne
Von Mut und Pflicht und Fassung und Geduld,
Und von Behauptung gegen alle Sterne,
Gelassen ohne Glück, doch ohne Schuld,
Dies Leben sich vorbildete - - wie gerne
Auch Er zum Preis der Hoheit und der Huld
Sich meldete, sein Korn zum Bau zu tragen,
Was bleibt ihm denn, als an die Brust zu schlagen?

Was bleibt ihm, als zu lernen? Wer Dich liebt,
Wird Lehrling, aufgespart der letzten Lehre:
Du zeigst ihm, wie man nimmt und wie man gibt,
Wie man, dem reichsten gleich, ein Dürftiges ehre;
Wie, wer vorwegnimmt, und wie wer verschiebt,
Mit gleichem büsst. Du zeigst die Kunst, die Schwere,
Dem Unerhörten, ohn' ein schwach sich-Fügen
Aus eigener Seele einfach zu genügen.

Und doch, - wen lehrst Du's? Unauflösbar ist
Ein Wachstum - Gärtnerin, Dich lehrts Dein Garten.
Wie Du's vermocht, des Lebens Schmach und List
Mit andern Kräften nicht, als Deinen zarten
Zu Fall zu bringen -, was sich nie vergisst
Nicht mehr zu kennen, - und des Tags zu warten,
Der schuldig spricht, und zu sich ruft, was ehrlich -
- - Man sagt »so ist's«; und es ist unerklärlich.

Und wol uns, dass es ist; nicht nur dem Kinde
Geht, was es greift, zuletzt in Märchen aus -
Was auch Vernunft erschliesse und verbinde,
Sie dankt sich nicht - sie ist bei sich zuhaus.
Wunder muss sein, was uns auf Knieen finde,
Ein Wunder ist der Frühling und der Strauss, -
Und Du, das weiss die Welt, gehörst zu ihnen,
Und nicht zu dem, was wir, vielleicht, verdienen!


Oh sag es nicht so leichthin

Oh sag es nicht so leichthin,
Nicht um die Welt so schnellhin,
Bezaubernde Gesellin,
Erscheinung aus dem Dort,

Dass die Gewähr der Zeiten
Hin sei und schon beim Gestern
Und von der Grazie Schwestern
Nur Du nicht ganz noch fort!

Ich weiss es, Deines Gleichen,
Die Wunder aus den Bäumen,
Die sich bei uns versäumen
Im langen Glück des Munds,

Sie liebens, halb zu schenken
Und schenkend halb zu necken,
Dass wir erst recht im Schrecken
Versichern uns des Bunds, -

Dass die Begehr nicht lasse,
Der Mut je heisser dringe
Unlösbarer umschlinge
Der Arm den goldenen Duft,

Dass der Verklärte endlich
Der Unglaubhaften wert sei, -
Dass nie mehr heimgekehrt sei
Wie aus der Luft, in Luft.

Was war und ist, wird wieder, -
Was einzig, ists für Viele,
Und Du ein Ziel der Ziele,
Vollkommenes Gefäss -

Steh hin, mit diesen Augen
Die Dumpfheit zu berücken -
Ein Lahmer wirft die Krücken,
Ein Blindgeborner sähs,

Dem Tauben ders vernommen
Nachjubeln kommts der Stumme
Mit Zungen sprichts der Dumme,
Ja, fast der Blöde spricht -

Der Höchste der Entzückten,
Das weiss die Welt, ich bin es, -
Lass mich nur meines Sinnes -
Der Letzte bin ich nicht!


Marel von Viareggio kommend

Wenn Dich, mit diesem Blick, der Fahnen schwenkt,
Aus Einem Tag erneuert,
Das weit aus rollende Meer mir wiederschenkt
Und wie die Muschel steuert,

In der, mit einer Brust in jeder Hand,
Goldbraun und rosenmündig
Die erste seiner Ausgeburten stand,
Unreuig und unsündig,

Vergangenheit-los, aller Zukunft Trutz,
Und allem Wandel höhnend,
Schön nicht für Dienst, vollkommen nicht für Nutz,
Siegreich, und nicht versöhnend - -

Wie dünkte michs nicht jählings ohne Sinn,
Dass ich die blaue Ader,
Den Gruss der Hand, dies Lächeln um das Kinn
Gekettet in den Hader

Des Lebensstreits von Minder und von Mehr,
Von unterthan und stärker -
Denn Dir, die Haft, auch andre, minder schwer,
Die leichteste, war ein Kerker.

Ich kann Dich Deiner Muschel nicht zurück
Befehlen zu Korallen,
Du trankst vom Kruge dieser Welt, - mit Glück
Auch Tropfen, dreingefallen -

Zu solchen die, wie gern! ich Dir erspart,
Auch die nur ich verschuldet,
Denn Widerspruch mit sich ist diese Art
Mensch, der sich nie geduldet.

Wirf Dich ins Meer, und lass drin die Gestalt
Die Welt Dir schuf, ertrinken -
Du schwebst doch in den ewigen Aufenthalt
Zu Wundern, die nicht sinken -

Oh Morgendliche, ohne aufzugehn,
Als war ihr Sinken Sage:
Jung, und von je her - plötzliches Entstehn -
Geschöpf vom Ersten Tage.


Wir haben keine Kerzen . . .

Wir haben keine Kerzen
Nur einen düstern Baum
Und bringen es nur kaum
Zu weihnachtlichen Herzen
bei Fiebern und bei Schmerzen
In engem fremden Raum
Und doch, die Weihnacht spricht
Die Nacht ist kurz und unterwegs das Licht

Wir haben keine Schrift
Die Botschaft zu verlesen
Es ist ein giftig Wesen
Das diesmal uns betrifft
Da hilft ein Gegengift:
Gedenken was gewesen
Dass doch, wie Weihnacht sagt
Kurz nur die Nacht ist und es bald schon tagt.

Sie kamen uns zu knechten
Uns frommte nicht zu fliehn
Sie zwangen uns zu ziehn
Und wollten uns entrechten
Den Schergen und den Schlechten
Wars halb an uns gediehn
Und doch die Weihnacht hiess
Die Nacht nur währen bis der Tag sich wies

Der Knecht den sie zum Herrn
Uns setzten blieb nicht roh
In seinem Herzen so
Gott wandelte den Kern
Es ging sein treuer Stern
Nachts mit uns übern Po
Weil doch die Weihnacht weint
Nur kurze Nacht drin doch ihr Stern erscheint

Zu Mantua in Banden
Dräut uns ein offen Grab
Wir sind draus ohne Hab
Lebendig doch erstanden.
Sind wir auch weltabhanden
Verdrängt am Bettelstab
Dennoch die Weihnacht heisst
Arm wol die Nacht sein, reich den lichten Geist

Oh krank und halb genesen
Oh Liebste und zuletzt
Ich der Euch singe jetzt
Wie ich Euch sonst gelesen
Es wird noch wies gewesen
Der Kern ist nicht verletzt
Denn Weihnacht bringts vom Herrn
Dass Nacht nur Schale, und der Tag ihr Kern

Die Kerz ist nicht das Licht
Die Schrift nicht das Versprechen
Lasst alles uns gebrechen
Was Einsamen gebricht
Das Reich verbleibet nicht
Dem Finstern und dem Frechen
Denn Weihnacht spart die Krone
Durch Nacht nach Vaters Willen einem Sohne.

Und hiess es wol ein Hohn
Wenn wir von Betten sängen
Kommt uns zusammendrängen
Um unsern süssen Ton
Kommt danken heute schon
Und an ein ander hängen
Weil dennoch Weihnacht ward
Sei Nacht auch grimm und Anfang noch so zart.

Dass wir uns Alles sind
Wie dort auf jenen Wagen
Drauf wir geworfen lagen
Durch Mitternacht und Wind
Das bringt uns zu dem Kind
Bei dem ist kein Verzagen
Denn seine Weihnacht brennt
Von unserem Tag am ganzen Firmament


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