Else Lasker-Schüler - Gedichte aus dem Nachlass

Else Lasker-Schüler

"Gedichte aus dem Nachlass"

(bisher unveröffentlichte Gedichte aus Handschriften und Typoskripten)


 

Inhalt

Erkenntniß

Du mußt mich streicheln

Ein Lied aus Gold

Das Lied des schmerzlichen Spiels

Ein Geigenliedchen

Abraham Stenzel (Begraben sind die Bibeljahre langst)

(Es ist der Tag im Nebel völlig eingehüllt)

Unser Liebeslied (Es fallen die Kastanien von den dunkelgrünen Bäumen)

Ein trübes Lied

Dänischer Prinz

Mein Volk (Mein Volk wird morsch, dem ich entspringe)

(Sir!)

Charlotte Bara

Marianne von Wereffkin (Marianne steht schon in den Morgenstunden)

Marianne von Wereffkin (Marianne spielt mit den Farben Rußlands malen)

Sascha (Er war schön und klug)

Werner Kraft

Werner Kraft

Fritz Lederer

Leopold Krakauer (Leopold Krakauers Zeichengemälde)

(Melech David in Juda saß)

Ein Lied (So sag mir doch)

An — (Es ist so dunkel heut am Heiligen Himmel)

Die Dichterin

An - (Mein Angesicht liegt nachts auf deinen Händen)

Mein armes Lied

Ich schlafe in der Nacht -

Mit dir, Goldlächelnden. -

An Ernest von Ehmals

(Du kannst nach Haus)

Abschiedslied an Ernest

An Ernest.

Mein Abschiedsbrief

(Ich wollte wir lägen an einer Bucht)

Ein Liebeslied (Nun stirbt das Laub der Bäume wieder)

(Es war im Frühling)

(Die winzigen Mönche am Baum)

Im Garten

(Hat man die Gelbsucht und wird gelb und gelber)

(Was hat die Lieb mit der Saison zu tun)

(Fleißig wie ein Bienenschwarm)

Das Lied vom Gutsein mit dem Gutschein

(Meine Freiheit)

(Die mich hassen)

(Die Dämmerung holt die Sichel aus der Dunkelheit)

(Ich friere)

(Mich führte in die Wolke mein Geschick)

(Wir treiben alle durch den Ozean der Luft)

(Man muß so müde sein)

Man muß so müde sein

(Ich bin so müde)

(Ich weiß nicht)

(O Gott ich bin so müde)

(Die Thräne, die du beim Gebete weinst)

(Am Freitag in der Abendstunde)

(Ich falte meine Hände betend in der Abendstunde)

(Ich falte meine Hände betend in der Abendstunde)

(Ein einziger Mensch ist oft ein ganzes Volk)

(O Gott wie soll dich meine Klage rühren)

Dämmerung (Ich suche eine Hand der meinen gleich)

Dämmerung (Ich halte meine Augen halb geschlossen)

(Ich suche eine Hand der meinen gleich)

Mein Sterbelied (Bin welk und mürbe)

Mein Sterbelied (Bin welk und mürbe)

 

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Erkenntniss

Herren Julius und Heinrich Hart und Landauer
zugeeignet


Schwere steigt aus allen Erden auf,
Und wir ersticken in diesem Bleidunst.
Jedoch die Sehnsucht reckt sich und speit
     Wie eine Feuersbrunst.
Es tönt aus allen wilden Flüssen
     Das Urgeschrei
Adam und Evas Lied!
Wir reißen uns die Hüllen ab,
Vom Schall der Vorwelt hingerissen:
     Ich nackt! Du nackt!

1.

Hasche mich . . . . fasse mich, . . . .
Eh' der Nordsturm mich packt,
     Dir fort,
Über Felsen und Klippen!
Sieh' die Blüten zwischen den glitzernden Gräsern -
Sie duften nach Paradiesäpfeln und Kinderodem
Und küssen Tag von Deinen Lippen.
     Riesengroß
Steigt aus unserm Schoß,
Zuerst wie Erfüllung zagend,
Dann sich ungestüm raffend,
     Sich selbst schaffend:
          Gott-Seele! -


2.

Diese brennende Furcht
Vor dem Unsichtbaren,
Vor dem Rätselklaren,
Vor der Schöpfung-Seele!
Verstecke mich Du!
Denn meine wilde Angst
     Wird Scham.
Verstecke mich Du
Tief in das Auge der Nacht,
Daß mein Tag Nachtdunkel trage!
Gräber reißen ihre Höhlen auf,
     Abgründeweit,
Und gieren nach uns.
O, dieser heißen Todesstille
     Leichenschrei!
An dem frierenden, schwarzen Herzen des Tods
     Röchelt
Unserer Sehnsucht sterbende Einsamkeit.

3.

Wie wächst diese Seele
Über die Welt hinaus!
Ihren Anfang verlierend,
Vorseits dem Morgenrot,
Über alle Zeit hinaus,
Das Ende überragend,
Ewigkeit überschweifend!

4.

Siehst Du wie der Tod uns nachstarrt,
Als ob er Augen habe,
Augen, die nicht weinen können?
Tränenmeere, die versteinert sind? -
. . . Schwarz geht das Auge unter,
Die blickende Sonne Gottes,
Hinter den züngelnden Ästen
Des Erkenntnißbaumes. -
Fern flüchten wir dem Paradies
     Vertrieben von uns. - -

5.

Fühlst Du, wie Gott-Seele lächelt,
     Unser ewiges Kind,
Und auf blauen Enzianen ausruht?
Sieh mich an, ob ich mit ihm lächle,
Das Grauen hat mich verirrt in mich!
. . . . Ob nicht ein Stern brennt
     Rückseits der Erde?
Diese Glut, die mich umsonnt. -T
räume ich seeletrunken?
Fiebere ich im Mark der Unsterblichkeit?
          Wie Abbittend
     Lächelt Gott-Seele
          Unser ewiges Kind.
     Und spielt uns voran
          Wieder ins Paradies.


Du musst mich streicheln

Jethro Bithell zum Geschenk

Ich kann die Sprache
Dieses kühlen Landes nicht
Und seinen Schritt nicht gehn.

Auch die Wolken, die vorbeiziehn
Weiß ich nicht zu deuten.
Die Nacht ist eine Stiefkönigin.

Immer muß ich an die Pharaonenwälder denken;
Und küsse die Bilder meiner Sterne.

Meine Lippen leuchten schon
Und sprechen Fernes.

Ich liege auf deinem Schoß,
Ein fremdes, buntes Bilderbuch

Aber dein Antlitz spinnt
Einen Schleier aus Weinen.

Meinen schillernden Vögeln
Sind die Corallen ausgestochen

An den Hecken der Gärten
Versteinern sich ihre weichen Nester.

Wer salbt meine toten Paläste -
Sie trugen mächtige Zinnen aus Gold

Und alle Gebete meiner Vorfahren
Versanken im heiligen Fluß.


Ein Lied aus Gold

An Kete Parsenow

Nun kentert meine Seele
Du schlanke, goldene Fischin.

Durch deines Leibes Gewebe
Schimmert kühles Gold.

Ich schenke dir einen Strand
Mit goldenen Muscheln
Und mein Herz, das rauscht.

Mein Herz möchte
In deinem goldenen Schooß liegen,
Dein goldenes Spielzeug sein.

Seitdem du da bist
Seh ich die Sterne nicht mehr -
Vor lauter Golddichten.

O, du meine goldene Nacht -
Goldsyrinxe . . . . . .


Das Lied des schmerzlichen Spiels


Als ich aus steigender Spiellust
Euch folgte,
Waren da nicht meine Lippen, wie bange Turteltauben -
Aber Euch ekelte vor dem lallenden Singsang meiner Liebe,
Denn Ihr saht den kahlen Himmel meines Herzens.
Ich bin geplündert, wie ein Herbstabend
Ich erwache nur noch im Sterbehemde . . . .
Aber ich liebe die schwarzen Lenze Eurer Nächte
Euer junges Honiggeträufel.
Ich sehne mich nach Eurem Schwirren und Summen,
Goldhonigträufelnde Nachtbienen seid Ihr.
Sind nicht meine Lippen, wie geopferte Kinder -
Aber der Sturm naht und raubt meine letzte, verwelkte Weise.
Tausendmal tausend den Gram um den Hals geschlungen,
Um Sternenewigkeit taumelnd
Jäh losgelassen! Und wie ich mich drehen muß,
So kommt doch und spielt mit mir,
Ich stöhne vor Spiellust.
Schwang sie nicht jubelnd mein Leben zu Tode,
So kommt doch und spielt mit mir
Ihr goldenen Bienen alle,
Ihr goldträufelnden Schelme und Schelminnen.


Ein Geigenliedchen


Die jungen Rosen sprossen
Und erbleichen in stiller Sehnsuchtsglut.
Ich habe sie heimlich begossen
Mit meinem sprudelnden Blut. -

- Ich liebte ein kleines Mädchen
Mit sonnenfarbigem Seidengelock.
Und küßte das holde Gretchen
Oft hinter dem Rebenstock . . . . .

Ich mußte durch Welten Wandern
Und küßte seitdem manchen rothen Mund.
Mein Mädchen und die andern,
- Sie gingen in Sehnsucht zu Grund.- - - -


Abraham Stenzel


Begraben sind die Bibeljahre längst.
Wir beide tragen nur noch sehnsüchtig
Den Flor um unseren blauen Hut.

Mein Spielgefährte Hamid Stenzel:
Er gärte mit dem Mark im Stamm
Der Gottesbäume auf dem Libanon.

Der Sturm vertrieb ihn aus der Heimat
In ein hartes Land.
- Man ihm die ehrwürdige Sprache steinigte.

Und seine Zunge stolpert über das Hebräisch.
Er spricht seitdem des Gettos: Jiddisch Platt.
»Werklich«!

Stark und hilflos -
Weit gehen seine Blicke auf und schimmern,
Klar, grün, man sieht auf keuschem Grund

Der großen Jordanaugen.
Die erinnern
An die Erzväter sich.

Ein inniginnerlicher Dichter,
Und seines Herzens Unverfälschheit
Macht ihn liebwert.

Wenn wir nach Mitternacht
Im Winter durch die Straßen
Zwei edle Lasttiere trabten

Zusammen leiernd durch den Schnee -
Wie in der Wüste klangs -
- Kopf gebeugt - überall: Saharah . . . . . .

Und jedem Winde blickt er nach,
Der liebreich über seine schwarzen Haare streicht,
Denn seiner Verse Muse Kabala
Trägt ihn im Arm.


(Es ist der Tag im Nebel völlig eingehüllt)


Es ist der Tag im Nebel völlig eingehüllt
Nur angedeutet ist das Land
Fast durchsichtig gezeichnet wie auf einem Bild
Und keine Leidenschaft bewegt sich auch nicht du und ich

Kein Wunsch erzittert, regt sich.
So lange war kein Herz zu meinem mild
Die Welt erkaltete, der Mensch verblich
Der Dichter nur trägt unverändert mit sich
Des Feldes wogend Liebesbrot und seiner Blume Ebenbild.

Wo weilt der Wunderodem, der aus meinem Leben wich?
Ich streife heimatlos ein flüchtend Wild
Durch bleiche Zeiten träumend, denn ich liebe dich.

Doch deine Lippe, der der meinen glich
Ist wie ein Pfeil gespitzt, auf mich gezielt.
So einsam ist die Dichterin wohl ewiglich.


Unser Liebeslied


Es fallen die Kastanien von den dunkelgrünen Bäumen,
Die du so liebst - elf schattenmächtige Feeen,
Die treu dein Haus und dich, du Rauschender, beträumen.

Wir leben lange schon im höheren Geschehen,
Ein weißer Damast liegt auf allen Seeen
Aus Zauberseide wie in meinen Reimen.
Von einem jähen Hauche kann der Vers verwehen.

Es gilt den Augenblick nicht zu versäumen,
Da Heimat gegenseitig wir im Auge sehen.
Am Hange unserer Liebe silbersüßes Schemen,
Erblüht die Königin der Nacht aus den Cakteeen.

Schwer in den Wolkenbergen - es beginnt der Herbst zu keimen, -
Taumelt um Sternenrebenüberschäumen,
Der trunkene Winzer - und beleuchtet die Alleeen.


Ein trübes Lied


Ich will am Abend tauchen in die Sterne,
Daß ich den Weg zur Heimat im Gemüte nicht verlerne,
Umflorte sich auch längst mein mich vertriebenes Land.

Ich weiß du hältst wie früher meine Hand . . . . . .
Verwunschen hatten wir uns beide gerne -
Und meine Seele rauschte als dein Mund es mir gestand.

Es ruhten alle Herzen liebverwandt
Gepaart in einer Schale wie zwei Mandelkerne.
Nun aber reißt der Haß an unser Vaterland -
Die Engelschaaren klagen es dem Herrne.


Dänischer Prinz


Ich schloß die Augenlider
Immer wieder und
Öffnete die Augen immerfort
Ich sah Euch spielen am geheimnißvollen Ort.
Und dann im dänischen Palast.
Das Licht fiel grün und dann wie Flieder
Ihr Hoheit, gönntet Euch nach dem Erlebten keine Rast.

Und fechtetet mit dem Rapir
Wie ich auch einst gefochten
Halb furchtbar
Und halb wie beim Spielen
Um dann die Spitze in das Herz des Anderen zu kühlen.


Mein Volk


Mein Volk wird morsch, dem ich entspringe,
Und meine Gotteslieder singe.
Jäh stürz ich vom Weg
Und riesele ganz in mir
Allein, fernab über Klagegestein
Dem Meer zu!

Hab mich so abgeströmt
Von meines Volkes Mostgegorenheit -
Und immer immer noch
Der Widerhall in mir
Wenn schauerlich gen Ost,
Das morsche Felsgebein,
Mein Volk zu Gott schreit!!


(Sir!)


Sir!

Wenn man in Cafes oder Bars,
Noch - hintern Sternen--gestern wars,
So viel verzehrt und Gläser leert,
Und Memphis raucht und Parisienne -
Dem gehts nicht allzu schlecht - und wenn!
Doch einer Rüge höchstens wert.

Ich bin der Schimmelpfennigrappen Detektivbureau
Und so -
Und aus Erfahrung kenn ich meine Leute.
Es geben welche, die zu schwelgen pflegen heute
Und morgen pauvre essen irgendwo.
»Fleischlen« im Herzen, Sonne in der Milz.
Wenn etwas aber auszufressen, mir es gilts.

Im Grunde - weinte ich gerührt, etwas - geziert,
Beim Lesen jeder Ihrer Büttenseiten.
Guirlanden glaubt man Ihre Schrift von weitem,
Und nicht zerpflückt wie bei m i r hingeschmiert
Und nachträglich erst manicürt.

Wie Sie, Thorquato, hat noch nie jemand erkannt
Bis in die Ein und Ausgeweide,
Mich und mein zweites Mich, ich glaub wir sind verwandt,?
Wir beide -
Vielleicht am Wahltag wahlverwandt.

Gedicht zu singen auf die Melodei: Wär ich geblieben
doch auf meiner Haide.


Charlotte Bara

Dem Doktor Rütters

Charlotte wandelt an den Nachmittagen
Durch ihre Gartengänge grünen Heiligensagen
Von frommer Dämmerung ins Himmelreich getragen.

Die heiligen Jesusfrauen: Ihre Fee'n . . . .
Sie hört wenn sie vom Leiden Christi klagen,
Der schon im Weltenanfang sah die Welt verwehen.

Sie aber lernte auf den Spitzen ihrer Füße stehen
Von den Cypressen, die das Weltenende überragen.
Zu einem sanften Tanze hebt sich leicht ihr Gehen.

Zwei weiße Schäferhunde folgen ihrem Wagen,
Erzählten ihre Gliederweisen uns vom höherem Geschehen.


Marianne von Wereffkin

Ihrem Santos

Marianne steht schon in den Morgenstunden,
Perlenborden grüngelbrote um den Hals gewunden
An dem Autokarren mit den anderen Kunden
Und kauft Kirschen, die ihr ganz besonders munden.

Marianne kleidet sich so ungezwungen
Und ihr Temperament macht Ehre allen Straßenjungen.
Doch auf ihres Herzens Balaleika,
Ist das süße Liebeslied noch nicht verklungen.

Mariannens heiße Bilder offenbaren
In der bunten Wildnatur die Tänze der Tartaren.
Zwischen Schellen in der Troika
Naht ein Brautpaar,
Das sich auf der Zauberleinwand »gerad'« gefunden.


Marianne von Wereffkin

Der großen Malerin
»betet für sie« ... So stand es in der Traueranzeige.


Marianne spielt mit den Farben Rußlands malen:
Hellgrün, rosa, weiß;
Das Kobaltblau, ihr innigster Spielgefährte.

Marianne von Wereffkin -
Ich nannte sie den adeligen Straßenjungen
Schon früher in der Russenstadt, im ganzen Umkreis
Den Streich gepachtet.

Ihren Vater, der Verweser Alexanders,
Trug sie im Medaillon um ihren Hals.
Marianne malte ihn - achtjährig war sie erst:
»Es fiel vom Himmel eine Meisterin.«

Goldene Saat wächst auf ihrer Landschaft,
Wenn gottgefällig sich ein Bauernvolk
Im Kreise um die reiche Ernte freut.
Man hört vom Turm Geläut, malt sie den Sonntag.

Mariannens Bilder sind Geschöpfe,
Sie atmen und voll Leben strömen sie.
Und wie ein Meer und wie ein Wald
Bergen sie auch tiefsten Frieden in sich.

Mariannens Seele und ihr unbändig Herz
Spielen gern zusammen Freud und Leid.
Genau wie sie die Melancholie
Hinmalt in zwitschernden Farbentönen.


Sascha

Senna Hoy

Er war schön und klug
Und gut.
Und betete wie ein Kind noch:
Lieber Gott mach mich fromm,
Daß ich in den Himmel komm.

Ein Magnolenbaum war er
Mit lauter weißen Flammen.
Die Sonne scheint -
Wir spielten um ihn fangen.

Seine Mutter weinte sehr
Nach ihrem »wilden großen Jungen«
Neun Jahre blieb sein Leben stehn,
Neun Jahre mit der Zeit gerungen
Hat er! Mit Ewigkeiten.

Da er den Nächsten liebte
Wie sich selbst,
Ja, über sich hinaus!
Verloren: Welten, Sterne,
Seiner Wälder grüne Seligkeit.

Und teilte noch in seiner Haft
Sein Herz dem Bruder dem -
Gottgeliebt, da er nicht lau ist;
Der Jude, der Christ ist
Und darum wieder gekreuzigt ward.

Voll Demut stritt er,
Reinen Herzens litt er, gewittert er!
Sein frisches Aufbrausen
Erinnerte an Quelle . . . . .
Aller Quellen.

Doch in der Finsternis zwiefacher,
Böser Nüchternheit des Kerkers,
Schrieb er mit Ruß der Schornsteine:
Lebensernste.

Rindenherb, hindusanft
Erlöste ihn der Tod.
Hinter kläglicher Aussicht Gitterfenster
Unbiegsamen Katzenpupillen
Starb er im Frühgeläut.


Werner Kraft


Ein Troubadour tiefsten Formats.
Er singt vor dem Wolkenfenster der leisverschleierten Welt.

Ist sie doch seine unsterbliche Geliebte, -
Herre Werner ihr ehrerbietiger Kavalier.

Hört! die Welt ist nicht verloren -
So lang ein Sänger sie besingt! . .

Ein edler Rittersporn steigt er empor
Am Bogenfenster seiner Dame,
Der Welt! . . . . . .

Mit großer Zucht geschrieben,
Tönen Vers an Vers gereiht,

Melancholisch - Krafts Gedichte.
Es blutet sehnsüchtig des Verses Herz.

Über ureigenes versunken
Entgleitet er jäh.

Verwundert erwacht sein Auge
Im Glanz des Mittags.

Das Buch seiner Gedichte:
Abbild des innerst innigen Menschen.

Man lese in seinem Buch:
Traum und Erwachen.

Und zweite dir gereichte Versgabe
Das wundervolle Gedicht: Orpheus.

Ungeheuer, hold zu gleicherzeit:
Die Verwandlung der Angst.

So verdunkelt und gelichtet,
Ist nur ein wahrer Dichter im Stande zu dichten,

Der schon bei Lebzeiten
Sein Körperverließ von sich abzuschütteln vermag,

Die ihm anvertraute Seele,
Ganz im befreienden Licht steht.

Tausendmal verzaubert sein Wort,
Ehe des Verses Melone dem Leser gereicht.


Werner Kraft

Meinem feinen Freund

Ein Troubadour tiefsten Formats.
Er singt vor dem Wolkenfenster der leisverschleierten Welt.

Ist sie doch seine unsterbliche Geliebte.
Herre Werner ihr ehrerbietiger Kavalier.

Hört! Die Welt ist nicht verloren -
So lang ein Dichter sie besingt!!

Edler Rittersporn steigt er empor
Am Bogenfenster seiner Dame:

Der Welt! . . . .

Mit großer Zucht geschrieben,
Tönen Vers an Vers gereiht -

Melancholisch - Krafts Gedichte.
Es blutet sehnsüchtig des Verses Herz.

Das schon bei Lebzeiten
Sein Körperverließ abzuschütteln vermag.

Die ihm anvertraute Seele
Ganz im befreienden Lichte steht.

Tausendmal verzaubert er sein Wort
Bevor er des Verses Melone dem Leser reicht.


Fritz Lederer


Man braucht nicht erst ins Riesengebirge reisen -
Neuschnee zu sehen;
Fritz Lederer malt ihn auf jedem Bilde.

Er ist der Sohn Rübezahls
Aus Stein und Bergklee gestaltet.

Man muß sich schon warm anziehn,
Gefütterte Schuhe nicht vergessen,
Wenn man in sein Atelier steigt;

Und nicht frieren will beim Betrachten
Seiner schneienden Landschaften
In hölzernen Rahmen.

Lederers Schöpfung - jede - eine weiße Welt!

Wenn man den Maler schon von ferne sieht
Weiß man, der kann was.

Denn nur vom Wesen künstlerischer Reinheit
Fällt so weiße Seele.

Er läßt sie glitzern, zaubert Sonnenröte,
Und goldendunkeln, still bedacht,
Vom Mond.

Er malt und schminkt nicht
Er zeichnet leuchtendweiß und hinkt nicht
Und macht nicht Moden auf der Leinwand mit.

Kunst ist eine Welt aus Blut.
Und keine Bühne, auf der man sich versucht.
Die Kunst ist Gottes und nicht degenerierbar.

Und es weißzeugen von der echten Pracht
Die wundervollen Schneegefilde
Unsers jungen Rübezahls:
Fritz Lederers.


Leopold Krakauer


Leopold Krakauers Zeichengemälde
Sind Geschöpfe.

Von der Gestalt ungeheurer Kameelbuckel
Oft grau und sandfarben enthäutet.

Man vernimmt das Herz des Wüstenberges
Noch entschlafend pochen auf dem Bilde.

Es wartet wie die Hingeschiedenen in der Gruft des Ölbergs
Auf seine Auferstehung.

Auf seinen Rebstock
Auf sein Blumerblühen.

Der Zeichner haucht, ein Schöpfermensch,
Den Bildern Seele ein.

Liebreich wie Gott den Heiligen Bergen:
Sinai, dem Gestein Moabs und Gilboas.

Des Künstlers Höhen erheben sich,
Weit über Zeichenblatt zur Ewigkeit empor.

In ihren Stein umrissenen Schalen,
Ruhen Adern, Gewebe, und Organe.

Und — überall, und grenzenlos -
Einsames, greises Schweigen.

Ursprüngliche Bauten, Kuppel über Kuppel.
Es sucht ein müder Gotteswanderer die Pforte.

Erzsynagogen der Engel -
Die sich versammeln zur Flügelgemeinde.

Im Hauch der schlichten Schöpfung
Spielt des Zeichners Versunkenheit.

Die stolzen Sarkophage auch auf dem Bogen,
Bewahren Gottes verlorenes Ebenbild.

Der Menschheit verlorene Schatz . . . . . . .
Was sind wir Geschöpfe ohne Gottes bewegendes Lächeln?

Erkaltete Hügel und Berge.


(Melech David in Juda saß)


Melech David in Juda saß,
Leutselig auf dem Throne,
Wenn er Kartoffelpuffer aß.
Auf seinem Kopf die Krone.

Mit Pfaunfett backte ihn sein Koch
Nach neustem Kochbuchhefte;
Und wenn der Melech ihn nur »roch«!!!
Vergaß er seine Staatsgeschäfte;

Und Bathsebâh und Salomo und Absalom
»Was wissen die vom Puffer schon!!«
Wenn aufgewärmt die allverehrte Kochperson

Dem Melech früh und höchst servierte -
- Mit Händen manikürte, -
Den Puffer in Gesellschaft einer Cafebohn.


Ein Lied


So sag mir doch -
Ich liebe dich -
Bevor der Tag ganz dunkel wird.

Mein Lebenlang
Und immer noch
Bin müde ich umhergeirrt.

Ich liebe dich.
Ich liebe dich.
Ich liebe dich . . . . . . .

Es färben deine Lippen sich -
Die Welt ist taub,
Die Welt ist blind;

Und ihre Wolke
Und das Laub.

Nur wir und noch -
Der Anfang sind.

Ich liebe dich . . . . . .


An -


Es ist so dunkel heut am Heiligen Himmel
Ich und die Abendwolke suchen nach dem Mond,
Wo beide wir einst vor dem Erdenleben
Schon nahe seiner stillen Leuchtewelt gewohnt.

Darum möcht immer ich die Hand dir geben -
Ich hab so Angst um Mitternacht.
Es schreckt ein Traum mich aus vergangnem Leben
An den ich gar nicht mehr gedacht.

Ich pflückte mir so gern vom Morgenweinberg Reben -
Doch hat die Finsterniß »mich« auserdacht -
Und deinem tiefen Wunderleben
Als heiliges Opfer dargebracht.

Doch es verblutet, was du mir, ich dir gegeben -
Und auch das ewige Sternenzeichen
Unserer engverknüpften Hand.

Und neben mir und dir und fern daneben
Tröstet mich ein Fremder übermannt.
Ich habe einen Liebsten, Holdester, nunmehr,
Am Abend warten vor der Tür.
Da du, ein Stein mich stießest in den schlammigen Sand,

Gefährdend mich auf seinem Weg dem Zweiten überließest.


Die Dichterin

An Ernest Apoll

Ich säume liebentlang im Morgenlicht - - -
Längst lebe ich vergessen im Gedicht.
Du hast es einmal weich gesprochen.
Ich weiß den Anfang -
Weiter weiß ich nicht.
Doch - höre ich mich schluchzen im Gesang,
Wenn in des Psalmes blauer Melodie,
Du feierlich die Völker tauchst und liebest sie.


An -


Mein Angesicht liegt nachts auf deinen Händen
Es leuchten stille Kerzen von den Wänden
Und werfen um mich einen feierlichen Schein.
Ich will dein heiliger Widder sein
Führ mich zur Opfergabe in den Hain

Die Welt bricht auf an allen Enden
Und an den Stöcken glüht in zarten Ampeln süßer Wein.
Und Mond und Sterne gehen auf mit meinem Herzen im Verein.
Um meine Lenden sprießen feierlich verzückt: vergessene goldene Legenden.

Und die Welten um mich streiten sich
Und berauschen sich am blutigen Weine.

Weißt du noch im Mondenscheine?
Du und ich -
Ehe noch mein Herz verblich
Und ich deinem Herzen glich
Tausendmalundeins verklärt um dich -

Bette meine Liebe fürsorglich
Zwischen leisverpochenden Gebeine -
Müde bin ich wie der rote Rotdorn
Und der weiße Kleine -

An der Hecke drüben und - sich mußten lieben
Und - nie fanden sich -


Mein armes Lied


Ach die Tage lassen mich
Und ihre finsteren Abendstirne ganz alleine
Und die Welten um mich streiten sich
Und berauschen sich im blutigen Weine.

Weißt du noch im Mondenscheine
Du und ich -
Ehe noch mein Leib verblich
Und ich deinem Herzen glich -
Tausendmalundeins - Allleid verstrich -

Bette meine Liebe fürsorglich
Zwischen leisverpochendem Gebeine -
- Müde bin ich wie der rote Rotdorn
Und der weiße Kleine
An der Hecke drüben - und sich mußten lieben -
Und nie fanden sich.


Ich schlafe in der Nacht -


Ich schlafe in der Nacht an fremden Wänden
Und wache in der Frühe auf an fremder Wand.
Ich legte mein Geschick in harten Händen
Und reihe Thränen auf,
So dunkle Perlen ich nie fand.
Ich habe einmal einen blauen Pfad gekannt
Doch weiß ich nicht mehr
Wo ich mich vor dieser Welt befand.
Und - meine Sehnsucht will nicht enden! . . . .
Vom Himmel her sind beide wir verwandt
Und unsere Seelen schweben übers Heilige Land
In »einem« Sternenkleide leuchtend um die Lenden.


Mit dir, Goldlächelnden. -


In meinem Herzen wächst ein Rosenzweig
Sein Duft berauscht so weich den Sinn.

Vernimm das Bächlein rauschendes
In meiner Grube tief im Kinn.

Und immer kommt die Nacht -
Nach ihr der Tag im kühlen Wolkenlinn'.

Springt eine Welle an den Strand
Ergreif ich sie ganz schnell mit meiner Hand.

Zu spiegeln mich - daß ich noch bin
Und du in meiner dunklen Pupill.

Dann schweben wir unmerklich still
Ins blaue Land empor beseeligend traumhin


An Ernest von Ehmals


Noch lächelt zitternd mein Gerank
Beseeligend von deinem Engelhold Gesang, Ernest.

Ich bin eine Blüte, die nur blüht
Und nimmer denkt, Ernest.

Du weißt es wenn dein Knie sich senkt
Im Gebet.

Es ist so kalt und spät, Ernest,
Ernest.

Die Welt wird greis und alt
Sie löscht mein Herz aus bald.


(Du kannst nach Haus)


Du kannst nach Haus -
Ich baute dir dein Heim
Aus warmen Wort in meinem Reim.

Ich aber liege zwischen Stern und Stein – Ernest.

Mein Blut fließt hin -
Dunkler Wein
Durch die Gassen . . . .

Es reicht mir manchmal,
Ernest, eine hohle Hand
Mitleidsvoll wie in pochenden Tassen
Einen Trank, Ernest.

Wenn blütenhaft von deinem Holdgesang
Mein Auge ihn betrachtet lang und bang.


Abschiedslied an Ernest


Ich kann die Augen nicht mehr öffnen weit,
Die einst verschwistert auf und niedergingen mit der Zeit.
Auch hat die Dämmerung sie trüb gefärbt
Vom Gold des Lichtes unerbitterlich enterbt.
Am Abend klagen die Sterne . . . . . . . . .

Ernest, ich halte deine Hände fest! . .
Innigverwachsenes Geäst
Deine und meine beiden.
- Es sang ein Vogel heut im Nest
Im Mandelbaume in den Weiden
Ein weiches Lied von uns und meinen Leiden.
Ernest . . . . . .

Sag einmal nur: Ich »liebe, liebe, liebe liebe« dich
Daß meine Seele länger nicht vor Scham erröte -
Wenn auch von deiner Lippe Pfad
Das blaue »Glückskleeblatt« verwehte.
Beseeligt blühte auf vom Hauch des Lethe
Die Trauerrose meines Leibes Beete.

Es sammeln Wolken sich aus Wüstensand
Verschleiern die süße Himmlischkeit der Ferne -
Ich lege meine Hand in deine Hand
Im matten Mondenschein so gerne.
Sie ist mein Ruheort mein Heimatland.

Bald trägt auf seinen Rücken mich der Ozean
Zurück in die verlassenen Städte
In der ergrauten Früh im Riesenkahn.
Die Wellen bilden eine Liebeskette.

Wer säet auf deinen Wegen - Poesie?
Wir werden uns begegnen, Ernest, fürder nie -
Selbst unsere Erinnerungen meine deinen nie, Ernest.

Es zieht das Pferd den Karren unter schwerbeladener Müh,
Und Peitschenhieben, Ernest.
Doch es erzählt beim Grasen auf dem Rasen
Hinter Kraut und Farren allem Vieh
Von eines Menschen »irrigem« Liebes-Herzen,
- Es kommt der Wolf und
Frißt es mit dem Liebesschmerzen.

Doch niemals meine Hand die deine - läßt.- -
Hüll »diese« Zeile
In die Note deiner holden Stimme ein -
Und verweile - Ernest - - - - -


An Ernest


Ich kann die Augen nicht mehr öffnen
Vor starrer Müdigkeit -
Die einst verschwistert auf und untergingen mit der Zeit.
Auch hat die Dämmerung sie trüb gefärbt -
Vom Gold des reichen Lichtes grausamlich enterbt
. . . . . .- Am Abend weinen die Sterne - . . . . . .

Es sammeln Wolken sich aus Wüstensand
Verschleiern dicht den Strahl der Ferne
Ich lege meinen Kopf auf deine Hand – im matten Mondenscheinen.
Sie ist mein Ruheort, mein Heimatland -
Sie birgt Erinnerungen - seltsame, die weinen.


Mein Abschiedsbrief

An Ernest

Ich kann die Augen nicht mehr öffnen weit,
Die einst verschwistert auf und untergingen mit der Zeit.

Auch hat die Dämmerung sie trüb gefärbt
Vom Gold des Lichtes grausamlich enterbt.
- Am Abend klagen die Sterne -
Ernest - - - - -

Ich halte deine Hände fest -
Innigverwachsenes Geäst
Deine und meine beiden.

Es sang ein Vogel heut im Nest
Im Mandelbaume in den Weiden:
Daß ich nicht mehr vor Scham erröte:
Ein weiches Lied von meinen Leiden.
Ernest . . . . .


Sag einmal nur: Ich liebe dich!
Und wenn von deiner Lippe auch
Das blaue Glückskleeblatt verwehte -
Es blühte auf die Trauerrose auf dem Beete
Leuchtend meines Leibes, Ernest.

Bald trägt mich hohe See
In noch verschlafender Früh
Zurück in die verlassenen Städte.
Und niemand säet auf deinem Pfade, Ernest, Poesie.

Und werden uns begegnen, Ernest,
Selbst unsere Erinnerungen, meine
Deinen nie, Ernest . . . . .

Ich aber werde weiterstreifen, Ernest,
Durch nachtergraute Früh.

Es zieht das Pferd den Karren
Schwerbeladenen mit hoffnungsloser Müh -
Und - Peitschenhieben.

Doch es erzählt beim Grasen allem Vieh
Auf dem Rasen von meines Herzens treuen Lieben
Zwischen Weiß und Rotdorn, Ernest.

»Ach niemals meine Hand die deine läßt« . . . .
Hüll »diese« Zeile, Ernest,
In deine Stimme verweile Ernest holder Noten ein . .

Es sammeln Wolken sich aus Wüstensand
Im matten Mondenscheine,
Verschleiern die süße Himmlischkeit der Ferne

Ich lege meinen Kopf auf deine Hand
Sie ist mein Ruheort, mein Heimatland
Und birgt verblaßte Träume seltsame, die weinen


(Ich wollte wir lägen an einer Bucht)


Ich wollte wir lägen an einer Bucht
Wo sich Wellen zwängen durch steinerne Spalten
Noch unerlöst und unversucht.

Du, unsere Liebe ist am Erkalten
Glühend erhalten blieb nur
Sie konnte im Frühling sich nicht entfalten


Ein Liebeslied


Nun stirbt das Laub der Bäume wieder
Und aller Vögel weiche Liebeslieder
In jedem einzigen späten Blatt.

In deinen dunkelen Indianerhaaren
Duftet noch des Nadelwalds Gefieder.
Die Sonne küßte seine Farbe satt.

Bald schneien kalte Wintersterne nieder
Sie reifen weiß im Silberarm der Wolkenglieder
Ich weiß noch, - als sie Wölkchen waren

Der Himmel öffnete die jungen Augenlider -
- Wir waren eingeschlummert beide müde -
Mild übte sich der Lenz im Regnen der Etüde.


(Es war im Frühling)


Es war im Frühling
Den ich feierlich empfing
Bis dahin führte ich
Ein betusam Leben


(Die winzigen Mönche am Baum)


Die winzigen Mönche am Baum
Behüten alle Gärten in ihrem Blumentraum
Herbstmänner mit Wolkenbärten
Stürmen über dem Weltenraum
Es künden Stürme an ihre himmlischen Depeschen.


Im Garten

 

Es wachsen dieses Jahr auf unserem Beete
Lilare und gelbe Fingerhüte
Von gleicher Farbe
Wie Bonbons in Walters Düte.

Der Walter ist mein Bräutigam
8 Jahre alt!
Wir beide sind genau so alt,
Im gleichen Alter.

»Das Naschen, Kinder, ungesund«!
Pipst seine Großma' Friederike.
Ich nicke - und stecke mir ein gelbes dickes in den Mund.

Die Jette unsere Köchin meint
Der Walter läßt mich kalt -
Den Ernst von drüben habe ich viel lieber!

»Ach seine edele Gestalt« . . . .
»Und frischen Strümpfe um Wadenglieder.«
....»Ach.....«
Und Jette dampft mit allen Suppennudeln im Fieber.

Der Ernst sitzt auch mit mir auf unserer Bank.
. . . . Wir zählen dann die – Sterne.
Auch seine Murmeln
Gläserne hab ich so gerne
Er schiebt mir ab und zu die bunteste in meine Hand.

Um seinen Hut trägt Ernst dasselbe Band
Wie ich ein Gürtel um die Taille.
Mit einem Schloß wie Mandelkerne aus Emaille
Und gucken immer in die Fer
ne.
. . . . In die Ferne . . . . .


(Hat man die Gelbsucht und wird gelb und gelber)


Hat man die Gelbsucht und wird gelb und gelber,
Ist es die Hauptsach, daß sie einem steht.
Das weiter heilt sich von selber,
Und weiter weiteres vergeht.
Ich war so gern von Kerem Abraham gekommen
Wo ich mit zweien Hunden in Pension.
Mit Chokoladenplätzchen und Bombommen
Ich sagte es schon Ihrem Sohn durchs Telephon.
Ich wünsche Besserung und alles Schöne,
Und grüße Sie und die Sirene
Und grüße immerwieder noch einmal.
Mir ist zu Mut so oberflächlig, halbwegs kahl
Tatsächlich


(Was hat die Lieb mit der Saison zu tun)


Was hat die Lieb mit der Saison zu tun
Was sollen diese Possen, . . . .
Ich weiß mir sind im Januar
Die heißesten Thränen geflossen.


(Fleißig wie ein Bienenschwarm)


Fleißig wie ein Bienenschwarm
Schreibt die Hand an meinem Arm
Schon in aller Tagesfrühe
Wie es Euch nun geht und wie es
Bleibet hier im Alpenlande
Zwischen Ostbühlalp und Mondkalbalp.
Zwischen Wolken u. Gestirn
Sterne glitzern in den


Das Lied vom Gutsein mit dem Gutschein


Ich hab ein Reich beseessen von Haupt und Scheitelstädten
Und immer war es drinnen warm, es kannte keine Nässen
So reich war niemand einst wie ich war! Wetten?

Ich tat nur Gutes, ach ich könnt es sonst vergessen.
Gutes und wieder Gutes und noch einmal - Gutes - fast vermessen.
Contre myself - - - ich trüge heute goldene Schulterketten.
Statt einem alten Regenschirm, wenn Wolken sich zusammen pressen.

Ich war so gut, mir wird noch weiland übel und beseessen.
Vor Gutsein - und gilt es heute auf der Hutsein oder ohne Hut sein,
Doch Frühjahr kommt und ich erhole mich vom Gutsein zwischen Blattsalat und Kressen


(Meine Freiheit)


Meine Freiheit
Soll mir niemand rauben.
Sterb ich am Wegrand wo, liebe Mutter,
Kommst du und hebst mich
Auf deinem Flügel zu Himmel.
Ich weiß dich rührte mein einsam Wandeln,
Der spielende Tiktak
Meines Kinder Herzens.


(Die mich hassen)


Die mich hassen
Die mich lieben
Durch Straßen und durch Gassen
Zusammen mit dem Lasttier ruhelos getrieben
Von Herz zu Herz von dir nach mutwilligem Belieben
Durch Schmerz und Schmerz
Mich im Liebesweh zu üben
O in der Dämmerstunde meine Traurigkeit - - -
Ich fahr allein, denn war bereit
Mein Ziel noch hinter Mond und Ewigkeit.


(Die Dämmerung holt die Sichel aus der Dunkelheit)


Die Dämmerung holt die Sichel aus der Dunkelheit
Und steckt sie mir ans Wolkenkleid
Ich bin die Nacht

Verletz dich nicht an mir, gieb acht
Noch hat der Hirt die goldenen Lämmer nicht gebracht


(Ich friere)


Ich friere
Und halte mich vor deiner Türe
In Schneegedanken wie ein Greis
In der Erinnerung Eis
Es                    meine Glieder
.


(Mich führte in die Wolke mein Geschick)


Mich führte in die Wolke mein Geschick -
Wir teilten säumerisch mein erdentschwertes Glück.

Ich dachte viel an Julihimmel -
Du sahst das Blau in meinem Blick.

Und schwebten mit den Vögeln auf
Ein Silberrausch . . . . .
Bevor die Welt brach das Genick.

Und auch wir beide blieben nicht verschont
- Und träumen trübe unterm bleichen Rosenstrauch im Mond
Die Lande unter uns: verblichnes Mosaik.


(Wir treiben alle durch den Ozean der Luft)


Wir treiben alle durch den Ozean der Luft.
Und jedem Wind weiht jede Blume ihren Duft
Und immer landet nur der Tod
Wenn Gott vom Deck den Müden ruft
Nach schöpfungsaltem Urgebot.

Es wachsen bleiche Sträucher doch sie blühen rot
Ein Lächeln steigt aus meines Herzens Gruft
Doch bunte Sommer sind vom Wetter schwer bedroht
Der Mensch ahnt nichts von ihrer Not


(Man muß so müde sein)


Man muß so müde sein
Wie ich es bin
Es schwindet kühl-entzaubert meine Welt aus meinem Sinn
Und es zerrinnen alle Wünsche tief im Herzen

Gejagt und wüßte auch nicht mehr wohin
Verglimmen in den Winden alle Kerzen
Und meine Augen sehen alles dünn.

Dich lasse ich zurück mein einziger Gewinn
Und bin zu müde dich zu küssen und zu herzen


Man muß so müde sein . . . . . . . .


Man muß so müde sein wie ich es bin
Es schwindet kühl entzaubert meine Welt aus meinem Sinn
Und es zerrinnen meine Wünsche tief im Herzen.

Gejagt und wüßte auch nicht mehr wohin
Verglimmen in den Winden alle meine Kerzen

Es bricht mein Leib bevor ich dein noch bin
Dich lasse ich zurück, mein einziger Gewinn
Ein nicht zu teilender
Es teilen sich in dir die Nächte meiner Schmerzen.


(Ich bin so müde)


Ich bin so müde
Und es senken sich
Gottes Augenlider
Ewiger Friede
Über mein Herz

Engel meiner Brüder heben mich
Aus dieser Welt voll Schmerz.

Ich bin so müde
Tag und Nächte trennen sich.

Ich lasse meinen Leib gehüllt in Flieder
Dem letzten Tag des März.

Ich schaue - Gott im Himmelssüde . . . .
So stirbt der Mensch und du und ich.


(Ich weiß nicht)


Ich weiß nicht
Wie ich sagen soll -
Man wird von Armut schließlich toll,
Den Menschen groll.
Ich bin so traurig übers Maß -
Da ich einst auf den Zweigen saß,
Des frohen Liedes voll.
Mein Wort den alten vis à vis
Den Mensch und Menschen jung wie die


(O Gott ich bin so müde)


O Gott ich bin so müde
Von Augenlide zu Augenlide
Schwimmt mein Gedanke hin
Und bin nicht wo ich bin
Das Lied in der Etüde
Das stille Blau im Sinn
Nimm von mir all all Gewinn
Und kommt einmal der Friede


(Die Thräne, die du beim Gebete weinst)


Die Thräne, die du beim Gebete weinst
Verklärt dein Angesicht
Und hebt es bis zu Gott
Doch dein Lächeln
Pflückt sich ein Engel aus den Winkeln Deines Mundes


(Am Freitag in der Abendstunde)


Am Freitag in der Abendstunde
Knieen wir vor unseren Kerzen
Gott erweiche ihre Herzen

Am Freitagabend brennt das Licht
Und welches aufsteigt in die Himmel
Gott übersieht die kleinste Kerze nicht

Freitag abend ruhen wir in Gott
Und Gott in unseren Herzen


(Ich falte meine Hände betend in der Abendstunde)


Ich falte meine Hände betend in der Abendstunde
Und auch dasselbe höre ich aus aller Juden Judenmunde
Die wir am Freitagabend knien vor den Kerzen:
Erbarme dich lieber Vater und erweiche ihre Herzen.
Mein Leib und meine Seele sollen weiter fasten


(Ich falte meine Hände betend in der Abendstunde)


Ich falte meine Hände betend in der Abendstunde
Und auch dasselbe höre ich aus aller Juden Judenmunde
Die wir am Freitagabend knieen vor den Kerzen:
Gott, lieber Vater erweiche ihre Herzen.

Weil wir die kleinste Zahl unter seinen Völkern Ihm gewesen
Hat Er uns lieb, die Liebe hält uns wach ein brennend Mal
Und unseren älteren Brüdervölkern ans Herz gelegt

O Gott erweiche ihre Herzen
Wir weinen alle in der Abendstunde
Und knieen vor den Sabbatkerzen
Wir flehen alle Gott erweiche


(Ein einziger Mensch ist oft ein ganzes Volk)


Ein einziger Mensch ist oft ein ganzes Volk
Doch jeder eine Welt
Mit einem Himmelreich wenn er der Eigenschaften uredelste pflegt:

Gott.
Gott aufsprießen läßt in sich
Gott will nicht begossen sein mit Blut.

Wer seinen Nächsten tötet,
Tötet in ihm aufkeimend Gott.

Wir können nicht mehr schlafen in den Nächten
Und bangen mit den
Wir wollen


(O Gott wie soll dich meine Klage rühren)


O Gott wie soll dich meine Klage rühren
Da alle Menschen auf der Erde fast
In ihren Herzen tragen tiefe Last
Und ihre Kinder hungern hinter allen Thüren
Darum auch sollen meine Lippen schweigen
Die Not ist groß,


Dämmerung


Ich suche eine Hand der meinen gleich
Ich hab das Leben, es hat mich verstoßen
Und lebe angstvoll nun im Übergroßen
In irdischer Leibeshülle schon in Ewigkeit
Und bin ich auch am Morgen blütenreich
Und übernacht froh aufgeschossen
Vom seligen Zauber übergossen
So färben meine Wangen meine Spiegel bleich


Dämmerung


Ich halte meine Augen halb geschlossen
Graumütig wird mein Herz und weich
Die Welt verwandelt sich, ein grenzenloser Teich
Und heilige Angst hemmt seine Flossen
Am Morgen war ich blütenreich
Und über Nacht froh aufgeschossen
Vom Zauber meiner Tränen übergossen
Nun färben meine Wangen meine Spiegel bleich


(Ich suche eine Hand der meinen gleich)


Ich suche eine Hand der meinen gleich
Mich hat das Leben, ich hab es verstoßen
Und lebe angstvoll nun im Übergroßen
Im irdischen Leibe schon im Himmelreich.
Und in der Frühe war ich blütenreich
Und über Nacht froh aufgeschossen
Vom Zauber eines Traumes übergossen
Nun färben meine Wangen meine Spiegel bleich


Mein Sterbelied


Bin welk und mürbe -
Mir ist, als ob ich stürbe -
Ja, gestorben »bin.«

Entblättert ist mein Sinn, -
Das Licht meiner Augen – trübe.

Der Himmel meiner Liebe
Sank in die Grube,
In mein steiles Kinn

Es blühen in meiner Stube
Deine Lieblingsblumen zwischen Immergrün
Und meinem Rosmarin.

Doch alle beglückenden Farben,
Seit meines Lebens Anbeginn
Aus meinem Leben entfliehn,

Die mich ganz bunt umwarben,
Starben . . . .

Um mit dem Wolkenbild
In die Himmlischkeit zu ziehn.


Mein Sterbelied


Bin welk und mürbe -
Mir ist, als ob ich stürbe -
Ja — gestorben bin.

Entblättert ist mein Sinn -
Und meine Augen trübe.

Der Himmel meiner Liebe
Sank in die Grube
In mein steiles Kinn.

Es blühen in meiner Stube
Seine Lieblingsblume zwischen Immergrün
Und mein Rosmarin.

Doch alle beglückenden Farben
Aus meinem Leben entfliehn:

Ein Wolkenbild blaß zerfließen -
Die Zeichen auf seinen Händen.
Schimmernder Thau -
Und mag und mag nicht enden
Die einst ich golden blau


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