Erich Mühsam - Bilder und Verse für Zenzl



meiner
Zenzl
zum
9. Hochzeitstag
15. September 1924

Erich

 



 

Wer nie vor einem Herzen gekniet
und hat ihm ein Blümlein dargebracht,
der ist so arm, daß die Sonne ihn flieht;
der kennt nicht der Liebe himmlische Macht.


 


 

Wer klug ist, denkt auch bei der Unterhaltung
so an die Leibes- wie die Geist-Entfaltung.
Wie fördert da die Billardspiel-Beschäftigung
das Augenmaß wie auch die Muskel-Kräftigung!
Du freust dich deiner Hand Geschicklichkeit,
und Nutzen mischt sich mit Erquicklichkeit.

 


 


 

Herr Bräutigam und Fräulein Braut,
das große Glück - jetzt naht es.
Das Standesamt hat Sie getraut,
und auf Ihr Bündnis nieder schaut
fortab das Aug' des Staates.

 


 


 

Vermöchten wir's, mit einem jeden
Geschöpf von Gott und Welt zu reden,
wir staunten wohl in Permanenz
ob manchen Tiers Intelligenz,
zum Beispiel, wieviel Intellekt
entwickeln könnt' selbst ein Insekt.

Doch lassen lieber wir's beim Alten.
Denn sollten wir ihm Vortrag halten,
wo bliebe da bei dem Insekt
vor Menschenweisheit der Respekt?

 


 


 

So warb der Sportsmann Max sein Weib Marie:
„Willst du es mit mir wagen, meine Teure?
Begleite mich zur ewigen Kahnpartie:
Ich rudre dich durchs Leben, und du steure!"

 



 

Guten Morgen, schmeckt die Pfeife,
lieber Ururgroßpapa?
Gib das Pfötchen, und begreife:
Ururenkelchen ist da!

 


 


 

Nimmst du es mit der Pflicht der Liebe ernst,
so prüfe, wo des Nächsten Kummer haust.
Indem du ihm die Pein vom Haupt entfernst,
hast du die eigne Seele mit entlaust.

 


 


 

Den Mann preist laut vom Rhein zur Weichsel,
der, stets für Weib und Kind besorgt,
zur Ausfahrt ein Gefährt sich borgt,
sich selber einspannt in die Deichsel
und rüstig, kühn und frohgemut
dahinstürmt trotz der Sonnenglut.

 




 

Ein Frosch jagt eifrig einen Skorpion;
ein Pelikan möcht diesen Frosch verschlingen
und kann das Bein nicht aus dem Lasso bringen
womit ein Mensch ihn eingefangen schon.
Doch ach, des Menschenbeines eigne Knochen -
sie knacken mittlerweil' im Riesenschlunde
der Dschungelbestie, die zur gleichen Stunde
vom Skorpione tötlich wird gestochen.

Man staunt: so geht es zu in der Natur; -
Von Polizei nicht die geringste Spur!

 


 


 

Mit viel Geduld und regem Eifer nur
erzielt man hohe Wunder der Dressur.

Wem durch den Reifen glückt der große Sprung
verdient sich Speck sowie Belobigung.

Doch mancher zum Dressieren stets Erbötiger
hätt oftmals selbst die Unterweisung nötiger.

 




 

Dreimal die Woche badet sich Susanne,
und Jumbo duscht sie kräftig in der Wanne.
Solch Freundschaftsdienst - ob auch Susanne schreit -
ist viel mehr wert als fade Höflichkeit!

 



 

Auf dem Jahrmarkt gibts Musik,
Trubel, Krach und Lustgequiek.
Wunder werden da gezeigt,
daß das Haar zu Berge steigt.

Drückt der Gaukler auf den Knopf,
schnellt ein Tier nach deinem Kopf,
grüßt mit deinem Hut nicht nur,
stiehlt dir auch diskret die Uhr.

Erst daheim packt dich die Panik,
wenn du merkst, daß der Mechanik,
die nach deiner Habe angelt,
leider doch die Seele mangelt.

 




 

O Weib - Gemahlin, Schwester, Tante oder Schwägerin -
Du bist der Menschheit holde Blumenträgerin, -
und wo Du weilst - Amalchen, Röschen und Brigittichen, -
bist Du umrauscht von lichten Engelsfittichen.

 



 

Die Grätsche ist der Clou der Turnerei.
Wer sie beherrscht, dem wird es kaum mißlingen,
beim Match, im Staatsdienst wie in der Partei
den Vordermann gewandt zu überspringen.

 



 

Sah man je ein solches Glück?:
Drehn die Eltern sich im Tanze -
Eins, zwei, drei - und - vor, zurück!
hüpft die Kinderschar im Kranze,
brav sich bei den Händchen führend
rings herum auf ihre Weise. -
Der Beschauer denkt sich leise:
Wie ergreifend! Nein, wie rührend!

 



 

Es ist noch lange nicht erwiesen:
sind hier die beiden Kinder Riesen? -
beziehungsweis' ist wiederum
von Zwergenwuchs das Publikum?
Ein wahrhaft schwieriges Problem.
Die Antwort lautet: Je nachdem!
Auf wessen Standpunkt man sich stellt,
der ist normal. - So ist die Welt.

 



 

Wer wahrhaft liebt, scheut keine Schwierigkeit.
Ob es im Winter noch so friert und schneit, -
er trägt zu seines Herzens Heiligtume
dessungeachtet eine Frühlingsblume.

 



 

O hehre Sangeskunst wie traut,
wie seelenvoll ist dein Getön!
Soprangeschrill und Baßgedröhn -
der Vogel lärmt, die Katz miaut, -
dazu des Flügels Wucht. - Wie schön
ist doch solch Lied! Wie es erbaut!

Musik! Gesang! Wie schön! Wie laut!

 



 

Hans Pfiffig führt am Gängelband
den Meister Ungeschlacht durchs Land.
Wie das? Kann's möglich sein? Nanu!
Der Knirps den Kerl? Wie geht das zu?

Je nun, die Sache scheint mir die:
Hier gibt es Muskeln, - dort Genie!
Die Körperkraft tut's nicht allein:
Wer klug ist, wird der Stärkre sein.

 



 

Das Leben ist ein Wipp-Gestell,
und die Geschicke wechseln schnell.
Der Eine in den Lüften kutscht,
derweil der Andre abwärts rutscht.
Doch wenn's dem Teufel grad gefällt,
er Diesen in die Höhe schnellt,
indem er Jenen rutschen läßt. -
Drum halt am Wippen-Griff dich fest.
Dann bringt dich auch der Teufel nicht
aus deinem innern Gleichgewicht.

 



 

Bedenklich ist das Jagen nach dem Glücke.
Auf stachelichter Kugel hält's voll Tücke
den Spielern hin den goldnen Siegesreifen,
die meist nach der verkehrten Seite greifen.

 



 

Wenn aller Wesen Herz und Seele
in Liebe doch verbunden wär':
Es tauscht den Kuß mit dem Kamele
die Schlange und der Zottelbär.

Versöhnt wär was Natur geschaffen;
in Freundschaft lebte alles Vieh:
der Alligator mit dem Affen,
der Fuchs selbst mit dem Kolibri.

Die ganze Welt wär' ohne Sünden.
Doch leider ist es umgekehrt,
weil man aus ökonomischen Gründen
sich gegenseitig meist verzehrt.

 



 

Trägt der Herr Professor vor,
sind die Hörer Aug' und Ohr;
denn am lebenden Objekt
demonstriert er den Effekt
seiner neuen Theorie
im Gebiet der Zoologie.
Alle sind vom Unterricht
ganz entzückt, - nur Waldmann nicht,
der mit seiner Lebenskraft
dienen muß der Wissenschaft.
Dächt doch der Professor nur
an die Qual der Prozedur, -
dann war' diese höchstwahrscheinlich
für den Dackel minder peinlich. -
Doch so geht es leider zu:
Ich bin Ich und Du bist Du!
Hast du Schmerzen, bist du krank,
tut's nicht mir weh - Gott sei Dank!...
Nur weil selbst den klügsten Köpfen
für das Leid von Mitgeschöpfen
derart das Verständnis fehlt,
handelt man so unbeseelt.
Wüßt stets Jeder, was er tut.

 



 

Zerrt mal ein Gespenst am Bein -
Eh' man's denkt, ist's auch zerronnen.
Nur nicht gleich verzweifelt sein!
Zag erst, dann mit goldnem Schein
Leuchten bald uns tausend Sonnen.