Gedichte Erich Mühsam Die Wüste

Die Wüste

Euch, Kameraden

Euch, Kameraden meiner frohen Bünde,
Euch leg ich lachend meine Beichte hin,
Daß ihr als Richter meinen Wert ermeßt
Und prüft, ob ich des Lebens kurzes Fest
Im Kampf bestehe, oder ob der Sünde
Des trägen Gottvertrauns ich schuldig bin.

Ihr wägt gerecht. Und was ihr auch erkennt,
Ob ihr mich selbst in Not und Tod verdammt -
Als Wahrwort soll mir eure Meinung gelten.
Ihr mögt mich einen heiligen Kauzen schelten
Und einen, der in Mondsuchtsträumen brennt:
Ein Pflock der Weisheit sei der Spruch gerammt!

Um eins nur, meine Freunde laßt euch bitten,
Eh ihr des Urteils Schicksalskind gebärt:
Aus allen Zonen töne euer Ruf!
Denn ich, als ich mein Werk aus Qualen schuf,
Hab tausend Seligkeiten durchgelitten ..
Verzweifeln müßt ich, wenn ihr einig wärt.


 

Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt

Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
Der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
Vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.

Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
Der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
Der das Erwachen flieht, auf das er harrt.

Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
Der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
Der einst in fahle Ewigkeiten fällt.

Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
Das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
Das küßt und fortschwemmt, - weint und froh genießt.

Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.


 

Ein Droschkenkutscher flucht

Ein Droschkenkutscher flucht. Ein Marktweib kreischt.
Zwei Hunde, die vor einem Obstkarrn schleifen,
Vergehn vor Durst. Ein Schutzmann hoch zu Roß
Sieht schwitzend auf das Straßenhasten nieder.
Er sieht - doch weiß er nicht - wie sich der Troß,
Der leben will, einander grimmig fleischt.
Er weiß nicht mehr, was man ihn einst gelehrt:
Liebt Mensch und Tier! - Seid alle Freunde, - Brüder! -
Was schert's ihn, ob sie hungern, dürsten, keifen! - - -
O säß ein Dichter doch auf seinem Pferd!


 

Durch Ekel fahr' ich meinen Lebenskarren.

Durch Ekel fahr' ich meinen Lebenskarren.
Der Kutschbock kracht. Es ist ein elend Holpern.
Die Gäule, die man Jahre heißt, sie stolpern
In faulem Trott, und alle Fugen knarren.

Aus ungeölten Speichen quiekt mein Gott -
Kein Witz hilft, den ich in die Deichsel träufel! -
So klappert's durch die Welt. - Als Hüh und Hott
Keif' peitschend ich den Mähren zu: Pfui Teufel!


 

Paar urnische Männlein, paar lesbische Weiber

Paar urnische Männlein, paar lesbische Weiber,
Paar Reimer, paar Zoter, paar Schnüffler, paar Schreiber, -
Café, Zigaretten, Gefasel, Gegrein - -
In Summa: ein Literaturverein.


 

Und wieder tief ins Herz hinein ein Stoß

Und wieder tief ins Herz hinein ein Stoß! -
Ach ja! - Das liebe, gute, eigne Herz, - -
Es zuckt so rührend unterm Weltenschmerz. -
Ihr lieben Freunde, tretet doch hinein, -
Nur immer los! -
Es liegt ja offen da, - was kommt's drauf an
Mal im Vorübergehen darauf zu spein -
So dann und wann. -
Was tut euch auch das Herz des Freundes not!
So schlagt's doch tot!
So malmt es doch zu Brei! - -
Ich geh' ins Caféhaus. - Die dumpfe
Tabakverqualmte Luft ist meine Welt,
Wo ich mich langsam in die Grube sumpfe. -
Dann ist's vorbei.


 

Dem Andenken Curt Siegfrieds
gest. 30. Juli 1903

Nur die Besten fahren zur Hölle;
denn nur die Besten können leiden,
Und nur die Besten wissen zu scheiden
Und finden den Weg aus dem Erdgerölle. - -

Du fandst deinen Weg, mein mutiger Flieher!
So laß denn die Vetteln um dich flennen,
Die Erdendrescher und Himmelszieher,
Die nicht wissen, wo Höllen brennen.

Die Sterbensängste, die jene blenden,
Du knalltest sie stark und sieghaft tot. -
Fahr hin, wo die Flamme den Besten loht:
Zu den trunkenen goldenen Höllenbränden!


 

Sie stehen hoch oben auf dem Gerüst

Sie stehen hoch oben auf dem Gerüst. -
Es ist zwölf Uhr und Mittagsruh. -
Sie fluchen und schreien. - Der eine schmeißt
Dem ändern lachend die Flasche zu,
Die heizend von Mund zu Munde reist, -
Und keiner weiß es, wie arm er ist. -
Ich komme des Weges. Und einer erblickt
Den lässigen Gang, die groteske Gestalt:
"Halloh! ein Kerl, dem es oben tickt!" -
Und wildes Gelächter ans Ohr mir schallt.
Ich sehe nicht auf. - Die wissen ja nicht,
Daß dem, um den ihre Rohheit lacht,
Ihr Schicksal klagend zum Herzen spricht, -

Sie fragen auch nicht, ob er Verse macht.

Und ich geh' weiter. Da kommen mir zwei
Verlebte Dirnen kreischend vorbei.
Aus ihren Augen starrt freudlose Gier,
Am Munde frißt wüster Nächte Lust, -
Nur Leiber, nur seelenloses Geschlecht, -
Die armen Wesen, die nie gewußt,
Daß sie arm und verlassen sind, - und nicht schlecht.-
Da stößt eine die andere an: "Du, hier!
Der dürfte mir nicht für ein Goldstück ins Bett!"
Und sie kichern frech. - Sie können nicht wissen,
Daß ich mein Herzblut gegeben hätt',
Wüßt' ich sie in treuer sorgender Hut -
Wüßt' ich ihrem Frieden ein weiches Kissen, -
Auch nicht, wie weh ihr Lachen tut.

Und ich geh' meines Wegs. Aus der Schule kommen
Erblühende Mädchen, halbwüchsige Knaben,
Die eben vom schrulligen Lehrer die frommen
Gelehrsamkeiten empfangen haben,
Mit denen die Menschen die knospenden Seelen
Verkümmern, unmerklich zu Tode quälen.
Doch mit der Jugend schnellem Erspähn
Hat mich ein Dutzend Augen gesehn.
Da machen sie höhnisch die Zungen breit
Und richten spottend auf mich die Finger. -
Ahnen sie denn, daß ein Mensch in der Näh',
Der sinnt, wie man aus dem Geisteszwinger
Die werdenden jungen Geschlechter befreit? -
Fragen sie: tut unser Spott nicht weh? - -
Und endlich bin ich, wohin ich gewollt:
Am Kinderspielplatz - bei den Kleinen.
Hei, wie es mir da entgegen tollt!
Es hängt mir am Hals, an den Armen, den Beinen.
Ach - hier sind doch Menschen, die menschlich fühlen,
Die kleinen Kinder, die sorglos spielen,
Die wissen, wer ihnen Freund, wer Feind,
Wer mit ihnen lacht und mit ihnen weint.
Hier bin ich glücklich - hier wo ich fand
Die ich suchte, die Heimat: mein Kinderland!


 

Aus den Kellern quellen des Elends Düfte

Aus den Kellern quellen des Elends Düfte.
Schneller schreitet der Lebensfremde ins Freie.
Seine Stunde schlug. Er ist an der Reihe.
Triste Lieder singen die Herbsteslüfte.
Das Gewürm verbirgt sich des Menschen Tritten.
Bange durchhallt sein Gang den ganzen Wald.
Klagend lachen und lallen alle Echos: Bald -
Bald sind die Mächte gerächt, die Liebe litten.
Und der Mensch erkennt seine Schwächen und lächelt;
Bitter richtet er seinen Blick ins Nichts - - -
Lieben - Leben - Richten - klirrend zerbricht's. - -
Erde! - Elende Hexe! - Sie höhnt und sie hechelt. -
Aus der Hölle heult's einen Willkommgruß;
Hinter den Himmeln verschwinden die Rätsel der Welt. -
Der Mensch erkennt den Stern, der ihn erhellt ....
Durch das Walddunkel dröhnt hohlrollend ein Schuß.


 

Meine Seele ist so fremd

Meine Seele ist so fremd
Allem was als Welt sich preist,
Allem was das Leben heißt.
Meine Seele ist so rein -
Keine Scham ist ihr zu eigen -.
Nackend steht sie, ohne Hemd
Abseits euerm Lebensreigen. -
Darum nennt ihr sie gemein.
Meine Seele weiß es kaum,
Daß ihr schmähend sie verflucht;
Sie tut keiner ändern wehe; -
Ihren fernen, fremden Traum
Stört nicht einmal eure Nähe! - -
Meine Seele sucht. - Sie sucht.


 

Wer vermöchte in der Rätsel Gründen

Wer vermöchte in der Rätsel Gründen
Zu versinken, die aus meiner Seele quellen!
Furchtbar sengen meiner Väter Sünden
Meine Qual zu lohen Hexenhöllen! -
Alles was in tausendjähriger Schande
Aufwuchs, muß aus meinen Süchten bluten.
Meine Seele steht in heißen Gluten,
Weinend nach dem künftigen Heimatlande.
Meine Seele splittert am Gestein
Dumpfer Reue der gestorbnen Sünder, -
Und ihr Tod wäscht alle Frevel rein. -
Neuem Sein ersteht ein neuer Künder!


 

Das, was ich sehne, steht über den Lüften

Das, was ich sehne, steht über den Lüften,
In denen der Menschen Atem sich mengt.
Das was ich sehne, liegt unter den Grüften,
In die der Tod das Lebende drängt.
Und es weiß nichts von Tun und Beginnen,
Und weiß nichts von Welt und von Zeit.
Meine Sehnsüchte rauschen, rinnen
Unerfüllt in die Ewigkeit.


 

Ich möchte Gott sein

Ich möchte Gott sein und Gebete hören,
Und meinen Schutz versagen können,
Und Menschenherzen zunichte brennen
Und Seelenopfer begehren.
Und möchte Erde, Welt und All vernichten,
Und Trümmerhaufen über Trümmer schichten.
Dann müßte ein Neues entstehn -
Und das ließ' ich wieder vergehn.


 

Die Welt so dumpf - der Mensch so schal

Die Welt so dumpf - der Mensch so schal.
Die Kreatur so stumpf und roh -;
Der Weg vor mir so öd und kahl; - -
Mich ekelt so! -
Ich hab' von diesem Sein genug; - -
Ich weiß kein Glück mehr, das ich will; -
Die Seele ist so bitter klug - -
Und du - - sei still!


 

Ich sah durch ein hohes, großes Loch

Ich sah durch ein hohes, großes Loch.
Ist Nichts darin? - Doch! scholl es. - Doch!
Und ich suchte und suchte und grub nach dem Nichts.-
Da quoll aus dem Loch eine Garbe Lichts. -
Ich habe das Nichts gefunden, -
Und mir um die Stirn gewunden.


 

Tages, wenn der Magen fastet

Tages, wenn der Magen fastet,
Sitze ich im Wald am See; -
Und die Seele, schwerbelastet,
Seufzt in Kummer, Schmerz und Weh.
Aber mir tagt keine Helle,
Wie den andern. Meinen Gram
trägt von dannen keine Welle,
Die verreckend zu mir kam.
Aber nachts in der Destille
Hock' auch ich im lauten Kreis,
Müder Glanz in der Pupille,
Herz erstarrt und Schläfe heiß.
Doch im Schnaps ersäuft das Weh.
Daher mehr her - immer mehr!
Kummer, Schmerz und Wald und See
Tanzen im Taumel toll um mich her.


 

Ich gehöre nicht her auf diese Welt

Ich gehöre nicht her auf diese Welt
Mit ihren Freuden und wüsten Lüsten; -
Ich bin ihr zuviel. - So will ich denn
Zum Scheiden rüsten! - -
Was geht es euch an, ob ich gerne geh!
Was fragt ihr danach, ob ein Mensch zerkracht!
Als ich euch einst meine Dienste bot,
Da habt ihr gelacht!
Ihr tratet mein Hoffen und Ängsten tot;
Ihr stießt meine Seele mit plumpem Fuß.
Jetzt sitz' ich beim Schnaps und trinke voll Haß
Euch den Abschiedsgruß.
Und kämt ihr jetzt zu mir und bätet mich: Bleib!
Ich lachte euch aus. - Ich schriee: Nein!
Ich habe nur einen heißen Wunsch:
Euch vor meinem Ende noch anzuspein.


 

Noch nichts. - Und ich harre und harre. -

Noch nichts. - Und ich harre und harre. -
Und sehe nichts - höre nichts - weiß nichts.- Gar nichts.-
Weiß nicht, worauf ich harre.
Nichts! - Nichts! - -
Dieses Nichts ist entsetzlich -
Weil es das All ist. - - - - -
Wenn ich wenigstens Geld hätte!


 

Jetzt ist es Zeit! - Es ist genug

Jetzt ist es Zeit! - Es ist genug! -
Ich hab' es viel zu lang getragen! -
Warum ich's wohl so lange trug? -
Jetzt wird's zerschlagen!
Ich war so tot! - Jetzt wach ich auf! -
Es ist noch Zeit. - Jetzt ist es Zeit! -
Mein Leben lebt - mein Leben schreit, - -
Ich setz' das Leben an. Ich sauf! -
Rest weg! - Und kracht der Krug entzwei,
So besser! - Besser tot als wrack! -
Weg, Mitwelt, weg! - Ich schmeiß zu Brei
Die plumpen Schädel! - Pack!!


 

Ein trüber Abend verwischt den Tag

Ein trüber Abend verwischt den Tag,
Und all meine zitternden Sehnsüchte gleiten
Hinab in die Nacht.
Mir liegt's auf der Seele wie Schmach. -
War's nicht, als hätt's meiner Bitterkeiten
Hinter den Nebeln höhnisch gelacht? -
Das Lachen hat mich schwer getroffen. -
O Wahn, auf den kommenden Tag zu hoffen!


 

Der träge Wind trug einen Schmerz

Der träge Wind trug einen Schmerz zu mir,
Den herben Schmerz selbstquälerischer Stunden,
Den Schmerz, den immer auf der Flucht vor dir
Als wehen Trost die Seele noch gefunden.
Wie zürnend blitzten mich die Sterne an,
Ein nächtiger Rabe ließ sich krächzend nieder.
Als ob ein Frösteln durch die Pappeln rann,
So hallt' sein Krächzen durch die Nebel wieder.
So kalt der Wind! - An meiner Seele riß
Ein grimmer Hohn. - Ein Stern schoß erdenwärts.-
Doch ich schritt in die ferne Finsternis
Und schrie nach dir. - Im Wind verhallt' mein Schmerz.


 

Wir schwiegen neben einander her

Wir schwiegen neben einander her, -
Um uns erstarb die graue Nacht,
Der Nächte eine - bleich und schwer,
Die ich so oft mit dir durchwacht.
Mein Sinnen hing an deiner Qual. -
Du fühltest wie ich um dich litt.
Lau ging ein Wind und öd und fahl
Klang unser leidgedämpfter Schritt.
Ich fühlte eine Angst in dir; -
Du danktest meinem stillen Trost.
Wir sahen nichts. Doch wußten wir
Das Schicksal nah, das um uns lost.
Vom Himmel hing es dumpf und schwer.
Im Morgendämmern ahnte ich dich.
Wir schwiegen neben einander her, -
Und unsre Seelen küßten sich.


 

Grinsend glotzt der dicke Mond mich an

Grinsend glotzt der dicke Mond mich an.-
Fort! - Ich will dich nicht! - Schert dich mein Wahn?-
Schert dich meiner Seele Gebetbuch? -
Lass' mich doch allein mit meinem Fluch! -
Lass' mich mit der blinden Nacht allein! -
Meine Wege sollen dunkel sein! -
Keiner - hörst du? - Keiner soll es sehn,
Wie die letzten Wünsche mir verwehn. -
Meine Leiden weinen himmelan. -
Grinsend glotzt der dicke Mond mich an.


 

Meine Augen trinken deine Blicke

Meine Seele weiß von deinem Fühlen.
Daß die schwere Nacht aus ihrem schwülen
Drücken kuppelnd einen Stern doch schicke! -
Meine Hände tasten nach deiner Sucht. -
Meine Lippen küssen deine Glut. -
Hörst du des heulenden Nachtsturms Flucht? -
Siehst du das Mondauge triefen von Blut? -
Lehne dich an mich. - So sind wir eins. -
Senke dein Schicksal in meins! -
Du! - wir zwei - - und die Welt so fern
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Sieh doch! - Der Stern! Der Stern!


 

Hundert wunderdunkle Wolken

Hundert wunderdunkle Wolken
Wölben sich als Himmelshülle
Über düstre Frühlingsnacht. -
Winde zischen in die Stille. -
Eine innige Dichterstimmung! - -
Aber meine Galle lacht.


 

Ich hasse die kurzen Sommernächte

Ich hasse die kurzen Sommernächte
Wie mich ihr trüber Frühschimmer höhnt!
Kein Gott, der mir Erlösung brächte
Von der Angst, die auf mich niederstöhnt!
O wäre es erst dunkler Tag
Statt dieser bleichen Morgenhelle - -
Tod! Gott! Vernichter! - Poch nicht so zag
An meinen Qualen! - Spreng die Schwelle!
Erlöse mich von den Lebensmächten
Und von den schweren, hellen Sommernächten!


 

Das Trinkerlied

Stimmt eure Seelen zu festlichen Klängen,
Füllt eure Herzen mit jauchzendem Wein! -
Denn die Jahre der Jugend drängen,
Und das Alter bricht polternd herein, -
Noch strahlen uns Sonnen, noch blinken uns Gläser,
Noch lachen uns Lippen und Brüste heiß, -
Noch blühen die Blumen, noch grünen die Gräser,
Aber eilt euch: was rot ist wird weiß!

Rasch ziehen vorüber die glücklichen Stunden. -
Hält uns nicht Jugend, - wir halten sie nicht!
Wehrt euch der Würde! - Der ist überwunden,
Den fromme Sitten plagen und Pflicht!
Nieder mit dem, den Sorgen bedrücken, -
Denn der weiß nicht was Leben heißt:
Lebend genießen, lebend beglücken, -
Aufs Leben trinken, bis es zerreißt!

Trinken! Trinken! auf Leben und Sterben!
Leben! Leben! auf Blut und Kuß!
Leert den Pokal, dann keilt ihn in Scherben!
Lebt euer Leben - und dann ein Schuß!
Trinken ist Leben, und Leben ist Trinken!
Nieder der Schwächling, der trunken fällt!
Wein her! - Wir wollen im Leben versinken!
Das Leben her! - Es lebe die Welt!


 

Redet mir nicht von Kunst

Redet mir nicht von Kunst, ihr Stümper!
Redet mir nicht von Leben, Krüppel!
Mißgunst blinzelt euch unter der Wimper,
Hundeangst vor dem Knotenknüppel!
Was schert euch mein Tun! - Laßt mich zufrieden! -
Was wißt ihr, ob meine Fibern sieden!
Laßt mich allein meine Weltluft schnappen -
Und kühlt euch selber mit feuchten Lappen!
Doch ich verdiene, daß ihr mich betupft
Und an mir riecht und an mir zupft! -
Was greine ich um euch! - Was spei' ich euch nicht
In das eitle grinsende Angesicht! -
Geht mir vom Leibe! - Laßt mich allein! -
Ich höre nach mir einen Menschen schrein.


 

Meine grundlostiefe Einsamkeit

Meine grundlostiefe Einsamkeit
Fleht mit Tränen: Geht mir aus den Wegen!
Aus den wahnberauschten Augen schreit
Euch mein Kainsmal das Halt entgegen.
Geht mir aus den Wegen! - Eure Welten
Krachen unter meinem Haß zusammen.
Naht mir nicht! - mein Sehnen heißt: Vergelten!
Wer verdammt ist, der nur darf verdammen.


 

Mich kommt ein Lachen an!

Wie sie am Leben
Mit allen Ängsten hängen, zappeln, kleben!
Und jeder einen Finger Gottes heischt!
Ja, glaub' nur, Mensch; glaub' an das Ideal.
So fühlst du nicht, wie sich der Weltgeist fahl
Herniederbeugt auf dich und dich zerfleischt! -
O, ringe um dein jammervolles Sein!
Bezwinge bleiche Geister, die dir wachen -
Und glaube, eine edle Welt sei dein! - -
Mich kommt ein Lachen an - ein wüstes Lachen.


 

O ihr Verständigen, ihr Gehirnathleten!

Ihr wißt im tiefsten Weltenschrein Bescheid.
In euern Rechenseelen grämt kein Leid, -
Ihr müßt zu keiner fernen Sehnsucht beten!
Der Brummer, der schon früh im Bette
Die Qual der Welt ins Ohr mir summt,
Euch schreckt er nicht. Ihr wißt: das fette
Sechsbein ist ein Insekt, das brummt.
Wohl dem, der klug ist und gelehrt!
Es stimmt zufrieden, viel zu wissen. -
Ihr habt dem frechen Vieh gewehrt
Und wühlt euch wärmer in die Kissen. - -
Die Fliege kommt zu mir und andern Tieren,
Zu euern Kindern auch, die nicht so klug.
Wir fühlen in dem drohungsschweren Flug
Den Schmutz der Welt.- Wir schrecken auf und frieren.


 

Nun endlich, stehst du weiß und nackt

Nun endlich, stehst du weiß und nackt
Vor süßen Sünden zitternd hier -
Und meines Pulsschlags wilder Takt
schlägt rasend an die Sinne dir.
Und meine Augen halten dich
wie straffe Seile fest umspannt. -
In meinen Willen hab' ich dich
Nach langem Werben nun gebannt.
Dein Weinen schürt die Fiebern mir -
Dein keuscher Widerstand wird matt. - -
Ich packe dich - und meine Gier
Frißt sich an deiner Reinheit satt.


 

Wir gingen hintereinander ins Haus

Wir gingen hintereinander ins Haus:
Ich hinterher und sie voraus.
Sie führte mich durch einen Korridor
Einen Hof entlang an ein dunkles Tor.
Und als ich dadurch in die Finsternis schritt,
War mir's, als zöge der Tod mich mit.
Fünf Treppen stieg ich ihr nach empor,
Und mir war, als ob ich die Welt verlor.
Sie winkte mir in ein schmales Gemach;
Ich wankte ihr haltlos schwankend nach.
Und innen im Flimmern des Kerzenlichts
Begriff ich des Lebens grinsendes Nichts.
Und feindlich starrte mich an das Weib
Und zog sich Kleid um Kleid vom Leib. -
Sie lag auf dem Lager dürr und bloß
Und zwang mich wortlos in ihren Schoß.
Meine Hände drückten auf ihr Gesicht.
Vor Grausen empfand ich mein Leben nicht.
Der Morgen schlich tastend ins Fenster hinein. -
Auf sprang ich - zu fliehn - nur frei zu sein …
Im Bett hat sich nichts mehr gerührt und gerückt. -
Ich hatte das gräßliche Weib erdrückt.


 

Ich küsse dich, die du dich mir ergibst

Ich küsse dich, die du dich mir ergibst
Und nur mein Kuß ist dein, die du mich liebst.
Ich darf dir deine Nacktheit nicht entweihn, -
Sie ist zu schön. - Und nur mein Kuß ist dein.
Dich aber küss' ich nicht, die ich mir nehme.
Du bist nicht nackt genug. - Wie ich mich schäme!
Ich deck' um dein Gesicht ein dunkles Tuch
Und küss' dich nicht. - Du bist nicht nackt genug!


 

Angst packt mich an

Angst packt mich an
Denn ich ahne, es nahen Tage
Voll großer Klage.
Komm du, komm her zu mir! -
Wenn die Blätter im Herbst ersterben,
Und sich die Flüsse trüber färben,
Und sich die Wolken ineinander schieben
Dann komm, du, komm!
Schütze mich -
Stütze mich -
Faß meine Hand an.
Hilf mir lieben!


 

Drück' mir die Hand

Drück' mir die Hand, daß mich dein Leid beglücke,
Dein heiligreines Leid, das meinem gleicht.
O könnt ich doch, wenn deine Hand ich drücke,
Das Glück dir lügen, das uns nie erreicht.
O könnt' mein Blick in deinen Hoffnung gießen,
Daß endlich doch sich unser Traum erfüllt.
Lass' unsre Tränen ineinander fließen.
Ein Schleier sei, der beider Leid verhüllt.
So komm', mein Treuer, unsre Stunden rufen!
Komm', wo die dunkle Erdenscholle rollt!
Hin zu den Tiefen, die uns trügend schufen, -
Fort von der Erde, die uns nicht gewollt!