Karl Kraus - Worte in Versen IX

H E L E N E  K A N N 
GEWIDMET

 

Inhalt
 

Weg damit!

Zum Geburtstag der Republik

Inschriften

Rätsel

Lucus a non lucendo
Warnung
Wendung
Neun Buchstaben
Alles ist gefährlich
Zwei Grade
Rätselhafte Entwicklung
Ich bin es nicht
Homonym

Schweres Rätsel, leicht zu lösen

Der Führer

Einem sozialdemokratischen Würdenträger

Inschriften

Operette

Die Wegweiserin

Die kleinen Soldaten

Berliner Theater

Mein Widerspruch

Le papillon est mort

Annie Kalmar

Wiedersehen des Tages

Hexenszenen

Versuch der Erinnerung

Frauenlob

Geheimnis

Reflex der Eitelkeit

Liebeserklärung an Zerline Gabillon

Der kleine Kapitän

Brief der Perichole

Entfernte Betrachtung

Inschriften

Das Schoberlied

Gespenst am Tag

Krieg

Rätsel

Uferlos
Zwei Dichternamen
Der Konsonant
Teil und Ganzes
Reihenfolge
Verkehrt ist richtig
Alles in Ordnung
Ablaut der Liebe
Sonderbare Erscheinung
Rätsel

Inschriften

Das Hiesige

Nach dreißig Jahren

 

zurück zu allen Gedichten

Da eine Erstausgabe mir noch nicht vorliegt, halte ich mich bei der Veröffentlichung der Texte an die 1959 im Kösel Verlag - München erschienene Ausgabe, herausgegeben von Heinrich Fischer.


 

Weg damit!

Die ihr errungnes Gut geschändet habt,
bezwungnes Böses nicht beendet habt,
der Freiheit Glück in Fluch gewendet habt;
Hinaufgelangte, die den Wanst gefüllt,
vor fremdem Hunger eigne Gier gestillt,
vom Futtertrog zu weichen nicht gewillt;
Pfründner des Fortschritts, die das Herz verließ,
da Weltwind in die schlaffen Segel blies,
vom Bürgergift berauschte Parvenüs,
die mit dem Todfeind, mit dem Lebensfeind
Profit der Freiheit brüderlich vereint,
die freier einst und reiner war gemeint -
mein Schritt ist nicht dies schleichende Zickzack,
mein Stich ist nicht dies zögernde Tricktrack:
er gilt politischem Paktiererpack!


Zum Geburtstag der Republik

Die Republik soll ich zum Geburtstag feiern?
Daß wir sie haben, ihr beteuern?
Sie ist jetzt im Alter von acht Jahren.
Ich kannte Kinder, die begabter waren.
Es bleibt wohl die beste von ihren Gaben:
daß wir keine Monarchie mehr haben.


Inschriften

Disziplin

Wenn es in Reih und Glied auch glänzend steht,
das äußre Ansehn deckt nicht innere Schwächen.
Ohne moralisches Alphabet
kann man selbst nicht politisch sprechen.

Militarismus der Freiheit

Mit ganzem Herzen am Zweck beteiligt,
hab ich vom Mittel mich abgewendet.
Denn jener hätte wohl dieses geheiligt,
hätte nicht dieses jenen geschändet.

Halb und halb

Sie wollten einander auf halbem Weg
über meine Leiche entgegenkommen.
Doch war ich am Ende auch nicht träg,
trat ihnen beiden in den Weg
und hab den meinen ganz genommen.

Die Betrogenen

Zu mir hinauf nahm ich manchen mit,
der nie es bis zu sich selbst gebracht.
Und doch hat schließlich der Parasit
die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Tätige Reue

Nun hat er's satt, der nimmermüde Esser.
Er geht in sich, er wendet sich von hinnen
und sucht ein andres Land, um als Erpresser
ein neues Leben zu beginnen.

Die Wendung

Die Presse schwieg, es schwiegen die Parteien,
solang der Schuft im Land geblieben.
Da hab ich ihn vertrieben.
Nun fingen alle an: Hinaus aus Wien! zu schreien.

Der Rest ist Schweigen

Man merkt doch meines Wirkens Spur,
wie sich die Dinge wandten.
Der andre ging; nun gibt es nur
noch einen Nichtgenannten.

Die Presse bringt nur Neuigkeiten

Sie sagen, das wüßten doch längst alle Leut,
wer es gewann, wer es wagte.
Da wäre es doch keine Neuigkeit,
wenn es die Presse noch sagte.

Sachliches Genügen

Der Ruhm, der ist mir einerlei
und ob's mir selbst was nützt.
Genug, ich habe die Polizei
vor einem Verbrecher geschützt.

Gut Ding braucht Weile

Ein Steckbrief wäre noch zu erlassen?
Da gilt es halt in Geduld sich zu fassen.
Warum denn immer die Justiz bedrängen!
Die kleinen Diebe sind vorerst zu hängen -
hernach wird man den Steckbrief ihm erlassen.

Der Abschied

Wie man zu lügen doch nie unterläßt!
Er floh nicht, nein, er ging als Patriot:
er kannte die Gefahr, mit der er uns bedroht.
Mir hat er schließlich Tränen noch erpreßt.

Zugeständnis

Ins Lob, das sie der Obrigkeit gesungen,
soll sich kein Tadel mischen.
Es ist der Polizei gelungen,
den Bekessy nicht zu erwischen.

Die weiland Huren

Ich darf mein Argusauge nicht schließen,
solange sie Leben und Freiheit genießen.
Noch ist der volle Sieg nicht gewonnen;
noch brüsten sie laut sich: Mir san Nonnen!


Rätsel

Lucus a non lucendo

Die erste mußt du haben zu dem zweiten,
soll dieses jene dir bereiten.
Das Ganze leider pflegt jedoch den Leuten
das Gegenteil von beiden zu bedeuten.

Warnung

Ließest du alle in das zweite,
es ärgerte die Nachbarsleute.
Denn jeder, stolz in seiner Tugend Glänze,
bezeichnet jede einzeln als das Ganze.

Wendung

Ist er noch in dem frühen Alter,
dreht man ihn um und legt ihn drauf.
Im spätem Alter wird er ihr Verwalter;
den läßt man leider leichter aus dem Kauf.

Neun Buchstaben

Mit eins und zwei sollst wenden dich in Eil,
weil drei, vier, fünf und sechs der Wahrheit Gegenteil,
wovor man besser doch verschließt das Ohr.
Mit sieben fängt Unheil an, mit acht und neun wird's Ernst;
jedoch, wenn Rätselraten du erlernst,
dann gehst aus eins bis neun du heil hervor.

Alles ist gefährlich

Stets fragst du, was das erste macht;
meist hat es dich verdrossen.
Nimm vor dem zweiten dich in Acht:
dafür wird Blut vergossen.
Trau beiden nicht, denn über Nacht
verflossen dir Genossen.

Zwei Grade

Ist unreif noch die Frucht, so ist's der erste Grad.
Im höchsten aber ist's die Zeit nach Ernt' und Mahd.
Du fühlst es so, wenn so auch dir sich's endlich naht.

Rätselhafte Entwicklung

Das erste klingt wie heisres Schrein,
ein Wiener Lied sollt' anders sein.
Ins zweite kannst du kaum hinein;
und bald wird Wien das Ganze sein.

Ich bin es nicht

Ich bin es nicht, weil ich nicht Sklave bin.
Gibst eines du voran,
ist, was ich je begann,
noch immer nicht gemäß dem Ordnungssinn.
Noch eins: damit ich's noch nicht sei.
Denn von Geburt bin ich von der Verbindung frei.

Homonym

Gern neigt dem Wort der Gläubige sein Ohr;
doch mit dem Ding schwingt jeder sich empor.
Hier geht es hoch, dort bis zu Gottes Glanz;
hier wirkt die Kette, dort der Rosenkranz.
Traust du der Technik, traust du dennoch Ihm.
Zwei Welten paaren sich im Homonym.


Schweres Rätsel, leicht zu lösen

Als Instrument dient vielfach es zum Klemmen.
Ein Zustand ist's von Drang und schwerer Not.
Es ist die Macht, die sich durch kein Gebot der
Menschlichkeit läßt hindern oder hemmen.

Nicht das Gesetz, nicht des Gewissens Mahnen
verkürzt der Willkür selbstverliehnes Recht,
und kein Tyrann hat jemals sich erfrecht
zu solchem Druck auf seine Untertanen.

Das droht am Abend, wenn der Tag geendet,
das sinnt auf Listen, bis der Morgen graut
und bis die Sonne Gottes nachgeschaut,
ob nicht dein Glück zerstört, dein Ruf geschändet.

Doch an den Druck gewöhnt, kannst nicht mehr leben
du ohne ihn, und stürbest du an ihm.
Der Teufel wirkt, denn er wirkt anonym,
und kann ja doch auch in den Himmel heben.

Dies ist ein Glaube, wirkend wahre Wunder
aus schwarzem Nebel, der am Horizont;
und alles wird auch anders noch gekonnt,
und jeder andre Glaube ward zum Plunder.

Ein Pack von Schächern, schadenfroher Miene,
gibt aller Wahrheit Ehre in den Kauf,
gebietet dem Verhängnis seinen Lauf,
und sitzt verborgen hinter der Maschine.

Als Instrument dient vielfach sie zum Klemmen.
Der Zustand ist's des Drangs und schwerer Not.
Es ist die Macht, die sich durch kein Gebot
der Menschlichkeit läßt hindern oder hemmen.


Der Führer

». . . Der erste Taktiker seines Jahrhunderts!
Er hat es mir selbst gesagt!«

                                             Pariser Leben

Der Entwicklung Sehenswürdigkeiten
weist er als ein vielgewandter Führer.
Vorwärts, rückwärts, links und rechts zu schreiten,
all dies lehrt und klärt euch nach Gebühr er.

Wellenberge sind und Wellentäler,
vielverwickelt der Entwicklung Bänder:
vorgezeichnet zeigt er es dem Wähler
faktisch, praktisch, taktisch im Kalender.

Anders noch als jenen frommen Springern
muß im Zickzackkurs es uns gelingen.
Diesen Fortschritt darf man nicht verringern,
wenn zwei vor und drei zurück wir springen.

Daß der Feind heut frech, läßt sich erklären
und dazu noch mit Bestimmtheit sagen:
Wenn wir Sieger nicht besiegt nun wären,
könnten wir nicht einst ihn wieder schlagen.

Wie wir haben in der Hand die Massen,
ja da kann der Gegner sich verstecken:
blind gehorchen sie, wenn wir sie lassen
stracks und imposant die Waffen strecken.

Wißt ihr noch, ihr Herrn, wie nur erwogen
wir den Kampf, und schon ward er beschlossen.
Kaum war der Befehl zurückgezogen -
schon, ihr Herrn, gehorchten die Genossen.

Seht euch vor und kommt heran, ihr Herren,
da könnt ihr gleich wieder was erleben:
mögt ihr noch so dreist vom Siege plärren,
nun wohlan - wir werden uns ergeben!

Viribus unitis: weil beschieden
es hienieden und auch stets genügt hat,
daß am Wiener Hofe für den Frieden
die Partei entschieden obgesiegt hat.

Matsch, ja diplomat'sch wie diese Ahnen,
doch beiweitem weiser als die Kaiser
lenken wir die braven Untertanen,
aber eingedenk der Lorbeerreiser.

Geht es gut, wir werden vorwärts schreiten!
Kommt es anders — nun, Sie werden lachen,
denn dann kommt aus längst verklungnen Zeiten
auch der Trost: Da kann man halt nix machen!

Was da ist, ihr Herrn, es ist gegeben;
so und so: es ist diktiert vom Datum.
Die Doktrin läßt vielen Spielraum eben
noch fürs alte österreich'sche Fatum.

Hat's auch weiland weidlich uns verdrossen,
heute nehmen wirs beiweitem lauer.
Denn man schafft doch Klarheit, ihr Genossen,
sagt man sich: Das ist was andres, Bauer!


Einem sozialdemokratischen Würdenträger

Republikanische Regel sei's:
Soll's dir in allen Lagen gelingen,
gelang nicht in jede;
geh nicht aufs Eis,
wo sie die Kaiserhymne singen;
spar deine Rede.
Hast du von Natur den elastischen Schritt,
nimm ihn nicht mit.
Bist aber urban du und konnivent,
sei's bis ans End.
Ziehn alle den Hut
vor einem Schemen,
so ist's nicht gut,
ihn nicht abzunehmen.
Männerstolz vor Königsthronen
zeig lieber, den Festen nicht beizuwohnen,
woselbst sie errichtet
und wo man trachtet, wie der Kernstock gedichtet.
Ist jene zu stürzen dir nicht gelungen,
bleib fern dem Platz, wo ihr Lob wird gesungen;
bei Gespenstern, die wir nicht konnten verjagen,
soll's dem, der es wollte, nimmer behagen;
laß dich dort, wo du nichts als die Schlacht hast verloren,
nicht bemerken unter Honoratioren.
Läßt aber du durchaus dir's nicht nehmen,
sollst ihren Sitten dich anbequemen
und unter Penklubpatronen und Ballpatronessen
niemals deren Sitten vergessen.
Machst du mit den Alfanz,
tu's voll und ganz.
Denn erscheinst unter Bürgern du als Meister,
so mußt du kleben mit ihrem Kleister.


Inschriften

Die Bundeshymne

Wie sinnreich, daß man das alte
Lied ihnen wieder gewährt:
sie wünschen, daß Gott erhalte,
was definitiv zerstört.

Noch blieb vielleicht so viel Grütze
und Liebe zum Vaterland:
zu wünschen, daß er auch beschütze
der Untertanen Verstand.

Entschädigung

Der Wahn ist unsterblich,
für den ihr gestorben.
Er ist nicht mehr erblich,
er wird erworben.

Die neue Macht

Mit Bürgersinn die Bürgerhabe wollen?
Kein neues Stück? Wir tauschen bloß die Rollen?
Da ist das Publikum vielleicht betrogen
und hätt, wenn man's gefragt hätt, vorgezogen
im prominenten Fache die bekannten
Komödianten diesen Dilettanten!
Wie aber kam's, daß es den Wechsel litt?
Noch lauter als, die das Theater füllen,
vermögen die, die oben stehn, zu brüllen,
und jene unten spielen vielfach mit.

Sozialdemokratie

Sie wissen jeweils die Richtung zu nehmen,
sie sind halb von dem, halb vom anderen Schlage,
und erleiden ihn von beiden Extremen,
indem sie trotzdem je nachdem sich bequemen:
halbschlächtig mit ganzer Niederlage.

Revanche

Herr Schumy sprach von einem Karl Kraus.
Wie soll ich mich rächen?
Ich warte, bis die Geschichte aus:
sie wird von keinem Schumy sprechen.

Der Parteiredakteur

Er sagt die Wahrheit, jedes Wort ist echt,
und was er meint, ergibt sich dem Gefühl.
Wenn er es anders meint, sträubt sich sein Stil,
und muß er lügen, schreibt er schlecht.

Der Journalist

Die Zeitung ein Mittel,
um etwas zu künden?
Es gilt, zum passenden Titel
das Ereignis zu finden!

Einem Raubvogel

Tief in mein Innres reichen seine Krallen:
er stiehlt schon, was mir noch nicht eingefallen.

Der Unterschied

Den Zeitungsmann erfaßt der Neid,
wie wir uns unterscheiden.
Ich hatte so oft Gelegenheit,
sie zu vermeiden.

Die Sachverständigen

Daß du nicht merkst, woran man darbe,
verpraßt man es in einemfort:
Die Blinden reden von der Farbe,
die Tauben reden von dem Wort;
die Lahmen lehren, wie man tanze,
die Huren, wie man Andacht treibt.
Kurz, Rezensenten gehn aufs Ganze
und können sagen, wie man schreibt.

Konkurrenz für Kritiker

Spieglein, Spieglein an der Wand:
Wer ist der dümmste im ganzen Land?

Tirolienne

Höher geht's nimmer, glaubt man,
als bisher es ging:
Es empfing Gerhart Hauptmann
den Lippowitzring!

Sommernachtstraum

Ein wilder Zauber wob durch die Nacht:
das Unkraut wurde lebendig gemacht.
Man vergaß, daß man im Theater saß:
bis vorn an die Rampe wuchs echtes Gras.
Und nichts war von Pappe bis auf die Leute,
die nicht wußten, was ein Vers bedeute.
Man hat, wie Zauber die Sinne umflicht,
vor lauter Wald nicht gehört das Gedicht.
So ward jahrhundertaltes Geisteserbe
gerettet durch Regie und Kunstgewerbe.

Schloßtheater in Eisenberg

Zwar hat's die Zeit, doch nicht der Raum vergessen
Gestern sind hier in den Nischen Komtessen,
u. a. jedoch dazwischen indessen
auch Goethe gesessen.
Rang und Parterre sind bald gesichtet,
die Bühne vorzüglich eingerichtet.
Er machte zum Spiel die gnädigste Miene.
Oben ist eine Versenkungsmaschine.


Operette

Mehr Logik will ich, als die Welt kann fassen;
drum leb ich lieber, wo sie fehlt: im Traum.
Am Tag jedoch wehrt ihr die Welt den Raum
und just den Traum will sie ihr überlassen.

Heillose Wissenschaft zerrt an dem Saum,
verpöbelnd das Geheimnis vor den Massen,
die dort, wo Zweck ist, kläglich ihn verpassen
und dort, wo Grund ist, ihn berühren kaum.

Doch jeder weiß, wenn nur zu ahnen wäre,
und jeder wähnt, wenn er zu denken hätte,
und Wahn berechnet, Plan ist im Gebet.

Das Chaos ohne die Kausalität!
Die Bühne war' es, die ich lang entbehre
und die die Welt nicht träumt: die Operette.


Die Wegweiserin

(Aus Offenbach / Meilhac und Halévy: »Die Briganten«)

Erst zur Rechten, dann zur Linken,
Wendest wo die Wipfel winken,
Du dich hin zur Flucht.
Dann gelangst du in die Enge
Und du gehst die ganze Länge
Durch die Felsenschlucht.
Dann auf deinen weitern Wegen
Rauscht im Wald dir bald entgegen
Ein beliebter Bach.
Doch du schreitest ohne Weilen auf dem
                       steilen Steg der Nase nach.

Aber um dich auf dem engen
Steilen Steg nicht anzustrengen,
Steig halt nicht hinauf.
Sondern nimm die andre Richtung,
Dann kommt links gleich eine Lichtung
Und du hemmst den Lauf.
Dann gehts auf bequemer Strecke
Rechts gleich um die nächste Ecke
Glatt und grade aus.
Dort kann jedes Kind dir sagen, wie du
                      kommst schon nach paar Tagen z'haus.


Die kleinen Soldaten

(Aus Offenbach-Millaud: »Madame l'Archiduc«

Jede Schlucht,
Jeden Steg,
Jede Bucht,
Jeden Weg,
Jeden Wall,
Jedes Schloß,
Jeden Stall,
Jedes Roß,
Jeden Rain,
Jeden Strauch,
Jeden Wein,
Auch den Schlauch,
Jeden Baum,
Jedes Brett
Und den Raum
Wo ein Bett -

Selbst bei Sturm
Jedes Schiff,
Jeden Turm,
Jedes Riff,
Jedes Zelt,
Jedes Haus,
Jedes Feld,
Jede Maus,
Jedes Loch,
Jeden Schrank
Und dann noch
Jede Bank,
Eh sie kracht,
Und den Staat
Überwacht
Der Soldat!


Berliner Theater

Dies Gesicht, das ich erfasse,
wenn es in den Traum mir dringt:
Zeit, du Scheusal, das ich hasse,
hier erscheinst du ungeschminkt.

Diese Welt ist Teufels Wunder,
Rampenlicht erhellt die Nacht,
und das Leben wurde Plunder,
und das Nichts ward aufgemacht.

Alle Maße sind verschoben,
groß ist klein und kurz ist lang,
und das Ohr vernimmt ein Toben
zu des Wortes Untergang.

Bis zu aller Dinge Wende
ist die Schöpfung durchgeführt.
Hier ist die Natur zu Ende
und der Mensch ist avanciert.

Jetzt und jetzt: gehetzten Ganges
letztes Ziel ist, daß er rennt,
und ein Ding geringsten Ranges
morgen nennt sich's prominent.

Im Betrieb zeigt jedes Rädchen,
was die Menschmaschine kann:
jeder Knabe ist ein Mädchen,
jedes Mädchen ist ein Mann.

Kritikaster, unberufen,
drängen unten sich zuhauf:
oben steigt auf Zwischenstufen
rastlos die Entwicklung auf.

Das sind so Berliner Bräuche:
oben tobt die Mißgestalt;
unten muntert es die Bäuche,
und sie nennen es geballt.

Das sind so Berliner Sitten:
klafft im Bühnenraum die Kluft,
ramponiert man die Soffitten,
und sie nennen es gestuft.

Nicht so wie bei arme Leute,
alles da, wie sich's gehört.
Für die Pferdediebe heute
rackern sie das Musenpferd.

Koofmichs, die mit Neustem neppen,
haun die Kunden übers Ohr,
und mit Würfeln und mit Treppen
täuschen sie ein Weltbild vor.

Und sie nennen Atmosphäre
Gasluft, wo kein Gras gedieh.
Mangels eines Felds der Ehre
führt der Korporal Regie.

Alles schiebt und stampft besessen
und die Wirkung ist enorm,
nichts bleibt als das Wort vergessen
in des Rhythmus Uniform.

Alles rennt in wilder Hetze,
was ist los, nanu, wo brennts,
sie zertrampeln schon die Sätze -
Tempo statt des Temperaments.

Seelenreste ohne Reue
raffte dieser Drang dahin.
Verse wirft man vor die Säue
und ihr Grunzen ist Doktrin.

Ich, der Heimat treuer Hasser,
will aus dieser Gegend weg -
blau war nie das Donauwasser,
doch die Spree hat noch mehr Dreck!


Mein Widerspruch

Wo Leben sie der Lüge unterjochten,
war ich Revolutionär.
Wo gegen Natur sie auf Normen pochten,
war ich Revolutionär.
Mit lebendig Leidendem hab ich gelitten.

Wo Freiheit sie für die Phrase nutzten,
war ich Reaktionär.
Wo Kunst sie mit ihrem Können beschmutzten,
war ich Reaktionär.
Und bin bis zum Ursprung zurückgeschritten.


Le Papillon est mort

Falter der Nacht mit traumentbundnen Schwingen,
wie irrst aus deinem Dunkel du ans Licht!
Und langst nach Lust um größeren Verzicht,
und dieser Taumel wird den Tod dir bringen.

Starr staunt die Runde. Doch der Retter nicht
ersteht, der aus dem schauerlichen Ringen,
verwirrtem Schwingenschlag und Ampelklingen,
bewahrt dein gottgegebenes Gesicht.

Noch einmal faltest, Falter, du die Flügel.
Kein Menschenblick mehr bleibt dir zugewandt.
Und diese Lampe ist dein Grabeshügel.

Doch eine Stimme dringt zu dir empor -
ein Knabenherz, vom Schauspiel übermannt,
ruft bang dir nach: Le papillon est mort!


Annie Kalmar

gestorben in Hamburg am 2. Mai 1901

Sie schwand dahin, daß man ihr Bild ersehne.
Mit ihrer süßen Stimme brach ein Stern,
unirdisch mild, und klang so hoch und fern.
In ihrem Aug war alle Erdenwonne.

Als ob es gestern war, daß eine Sonne
hinging in Nacht, noch gnadet sie dem Blick,
und einen Schimmer ließ sie ihm zurück,
die Abschied in die Dunkelheit genommen.

Wie war Natur an jenem Tag beklommen,
da sie den heißen Atem aus der Not
befreite und so still zu stehn gebot
dem Herzen, das sich an ihr selbst verbrannte.

Wie sich die Schöpfung in dem Bild erkannte,
so brannte sie danach, zurückzunehmen
das Wunderwerk aus einer Welt von Schemen,
um es erbarmungsvoller zu umarmen.

Denn Lust ist ohne Dank, und ohn Erbarmen
vernichtet sie die Schönheit, ihr gespendet,
erstickt den Glanz, der Menschliches geblendet,
und kehrt befriedigt in die Niederungen.

Mir ist ein Lied von irgendwann verklungen,
ein Himmelskörper hat mit letzter Gnade
beschienen diese dunklen Erdenpfade,
und jenem Glück erwies ich Dank und Denken.

Und immer wieder will es hin mich lenken,
wo es gelandet, nah bei einem Hafen,
und herbstlich war's, bald wird die Welt entschlafen,
und krank erklang die Stimme der Sirene.

Und wie ich mich in ferne Tage wähne,
so ist's als ob's Antonias Stimme sei,
sie schwand dahin mir bis zum Tag des Mai,
und alle Pracht versank für eine Träne.


Wiedersehn des Tages

Wann hab zuletzt ich den Tag gesehn?
Ich mußte an einem Grabe stehn.
Dann ging ich ins Leben weit und breit
und es war, als war es ein letztes Geleit,
leidtragend ging es den Ring entlang
und jegliches Ding den letzten Gang,
dahin, wo sich alle versammelt haben,
wie je und je, zum Graben, zum Graben.
An den Häusern und Läden war alles erneut,
die Waren lebendig, verblichen die Leut,
kein Gefühl, kein Gedanke, kein wirkender Wille,
nur Kinolarven mit starrer Pupille,
viel irdische Hülle auf allen Wegen,
kein Hinterbliebner kam mir entgegen;
du lebst noch? schienen sie zu fragen
und um Lebendiges zu klagen,
im Zeitlupenmaß erstarrte der Fuß,
doch die Hand erhob sich zum letzten Gruß.
Von einem Grabe ging ich zum Grab,
da ich den Tag gesehen hab.


Hexenszenen

(Macbeth)

Ein freier Platz. Donner und Blitz. Drei Hexen.

                    Erste Hexe

Sagt, wann treffen wir drei zusammen:
Wenn Donner krachen oder wenn Blitze flammen?

                       Zweite

Wenn verzischt des Schlachtbrands Funken,
Wenn die Erde Blut getrunken.

                        Dritte

Eh die Sonne noch versunken.

                        Erste

Wo der Ort?

                       Zweite

Die Heide dort.

                       Dritte

Dort hört Macbeth unser Wort.

                     Alle drei

Schön ist häßlich, häßlich schön.
Wir weichen wie Wolken und Windeswehn.


(Sie verschwinden.)

Die Heide. Donner und Blitz. Die drei Hexen.

                   Erste Hexe

Schwester, sag an, was hast du vollbracht?

                       Zweite

Hab Säue gewürgt bis in sinkende Nacht.

                       Dritte

Schwester, was du?

                      Erste

                      War auch nicht faul.
Ein Schifferweib hatte Pflaumen im Maul
Und fraß und fraß und wurde nicht satt.
»Will fressen«, sprach ich, »an deiner Statt«.
»Pack dich, du Hexe!« die Vettel schreit.
Ihr Mann ist nach Aleppo heut.
Da schwimm ich nach in einemfort
Und geh als Ratte dann an Bord
Ihn plagen, plagen, plagen!

                      Zweite

Ein gutes Werk!

                     Dritte

                     Ein Werk des Heils!

                    Erste

Ich werde tüchtig meinesteils
Dort nisten, necken, nagen.
Dann sei nicht am Tag und nicht in der Nacht
Keine Ruh, und kein Auge ihm zugemacht.
Aber meines sieht, wie die Gestalt
Immer welker wird und runzlig und alt.
Das Kähnlein, geht es schon nicht unter,
Dreht es sich doch um sich selber munter!
Pflückte ein Pfand mir fürs Gelingen.

                   Zweite

Ei, laß sehn, was tatst du bringen?

                   Erste

Ei, es befühlt sich weich wie Pflaumen.

                   Dritte

Weis her, es wässert mir schon der Gaumen,
Weis her, laß sehn!

                    Erste

                    Eines Wuchrers Daumen.
Ein fetter Fang, den ich mir fing,
Ich lutschte an dem dicken Ding,
Als er getrost am Galgen hing.

                   Dritte

Soll dir frommen früh und spat.


(Trommelschall.)

Hört die Trommeln! Macbeth naht!

                 Alle drei

Schwestern, die durch Meer und Land
Leichten Fußes umgewandt,
Macht die Runde Hand in Hand,
Macht die Runde um und um,
Krumm ist grad und grad ist krumm,
Legt den Bann und schlingt das Band!


(Macbeth und Banquo treten auf.)


Versuch der Erinnerung

Was hab ich nur heute geträumt?
Noch spür ich, wie ich im Schlaf
ohne Schwanken das Richtige traf,
und das Ding gehorchte aufs Wort.

Nicht war zwischen hier und dort
die letzte Entscheidung schwer.
Jetzt schwank ich, ob es nicht mehr
den Zweifel gab oder noch nicht.

Nichts hatte und alles Gewicht
und federleicht alle Last.
Noch fühl ich, wie es sich paßt,
noch mess ich mit anderem Maß.

Und weiß schon, daß ich's vergaß.
Und nur, daß es glich jener Lust,
bevor ich ins Leben gemußt,
und jener, wenn es vorbei.

Dazwischen ist alles versäumt,
und alles ist einerlei.
Wenn ich nur wüßt, was es sei,
wovon ich heute geträumt!


Frauenlob

O daß nimmer mir der Mut versage,
jenen Duft zu suchen, unverloren
fühl ich ihn im Traum und wie dem Tage
dringt das Traumgefühl in alle Poren.

Und an allem haftet diese Endung
und umrahmt den Tag mit Finsternissen.
Wie es nun sich nähert der Vollendung,
noch ein Schritt nur, und ich werde wissen.

Aufzudunkeln die vergilbten Nächte,
bis zu dem Ereignis vorzudringen,
bann ich eingemischte Lebensmächte,
daß sie mir die Spuren nicht verschlingen.

War's vom Weib? War's von dem Ungeteilten?
Wo entbrach dies wunderbare Dünsten?
Die vom ersten Erdenfall begeilten
Götter brannten so in ihren Brünsten.

Winkt mir eine jener frühen Huren
aus des Lebens holder Seitengasse?
Ahnend nah ich mich der Wachsfiguren
sinnbetörend fehlerloser Rasse.

Zirkus und Panoptikum im Prater,
immer, wo der Zugang war verboten,
um die Türe zum Provinztheater
schwebte mir die Gnade der Eroten.

Dringt Natur, daß sie in Nichts versinke,
nicht gelingt dem Sinn die Unterscheidung.
Ach wie schön am Antlitz war die Schminke
und am Wuchs wie wonnig die Bekleidung!

Wirklichkeit, geschaffen zu verschimmeln;
Moderduft bricht aus lebendigen Munden.
Ach wie wäre ich in allen Himmeln,
nicht mit Käthchen, nur bei Kunigunden!

Doch auch ihr hab ich die Treu gebrochen,
als Olympia mir einst begegnet.
Denn die hat nach jenem Duft gerochen,
womit Eros meinen Traum gesegnet.

Eines Nachts erfuhr ich's, und im Traume
tritt die Welt als Chaos aus dem Bette,
und kein Band hielt mich an Zeit und Raume,
als ich nachlief einer Marionette.

Angelangt, stand ich vor bösen Bürgern
und sie flehte mich, daß ich sie rette -
aber schon verfiel sie ihren Würgern,
denn es war Marie-Antoinette.

Oftmals noch galante Abenteuer,
mehr als in der Weiberwelt vorhanden,
hab in Gegenden, wo nichts geheuer,
hab im Grenzenlosen ich bestanden.

Losgelöst von Tätigkeit die Triebe,
blieb die Vorstellung mir unveraltet.
Luft aus Schweiß und Schierling war die Liebe
und dazu hab ich die Frau gestaltet.

Phantasie, die sich im Schaffen steigert,
leiht der Kreatur lebendigen Odem,
die ihr dankbar nimmer noch geweigert
als ein Opfer diesen heißen Brodem.

In den Orkus flucht ich die Minuten
jeder leib- und leidhaften Verbindung.
Zur Naturgestalt sich durchzubluten:
welches Wehsal der Gedankenwindung!

Vor der festgeformten Unbedeutung,
vor des Nichtseins fleischbewußtem Stolze!
Wo der Geist nach eigner Zubereitung
sich die Lust holt von weit echterm Holze.

Kann er solche Form schon nicht entbehren,
bieten sich bordellhaft ihm in Gruppen
schöner doch bekleidete Chimären,
stolzer doch gestreckte Gliederpuppen.

Welches Weib hat dieses dunkle Düften,
das mir nach verlornen Liebestaten
reicht vom Urbeginn bis zu den Grüften?
So nur, weiß ich, riechen Automaten!


Geheimnis

Gewidmet dem Andenken an:
Else Cleff
(Paris, Bensberg bei Köln)

31. Dezember 1928


Da ich vom Traum das Geheimnis habe,
dem Leide zur Labe, dem Liede zum Lohn,
so entfuhr ich der Frohn, so entglitt ich dem Grabe,
ohne Gut, ohne Gabe flog ich davon.

Und ich vergaß, daß ich selbst mich verschließe,
daß bitter ich büße, was jene getan,
fern über dem Plan schon verfließend in Süße,
das Leben es ließe von neuem mich nahn.

Lange noch, lange noch zieh ich durch Zeiten,
schon längst aus den Weiten herniedergekehrt;
was stets ich begehrt in dem irdischen Streiten -
noch glaub ich zu gleiten - o war' es gewährt!

Lange umfangen, genoß ich die Labe
der göttlichen Gabe und sog an dem Saum.
Und weil ich vom Traum das Geheimnis habe,
entschweb ich dem Grabe in rosigen Raum.


Reflex der Eitelkeit

Die Welt, die im Gewände lebt,
nach Genuß und Gewinn und nach Würden strebt,
an der Macht und am Schein, an der Meinung klebt,
ihr Nichts erhebt und vor nichts erbebt
und sich dünkt der Schöpfung Scheitel -
sie sagt, weil ich sah, wie sie, diese Welt,
sich täglich mit sich zufrieden stellt
und sich weitaus besser als mir gefällt,
der sie nicht für die beste der Welten hält:
ich sei eitel.


Liebeserklärung an Zerline Gabillon

Da du, fast Greisin, starbst, war ich ein Knabe -
und nun strahlt mir zurück dein holdes Leben,
als hätte einst ein Mann ein Weib geliebt,
und trüge ihren Glanz durch seine Zeit.
So voll von allem, was Natur und Geist
in Frauenzüge jemals einverleibt,
so unvergänglich standest du dem Sinn
und ließest Rücklauf aller Phantasie.
Denn das Geschaffne lebt in andrem Maß
als dem der Zeit und lebt im Schaffen weiter
und weiter schafft ein voller Augenblick,
ein Strahl, ein Klang, ein Etwas von dem Wunder,
das einst erlöschend mich entzündet hat.
Was war es nur, daß zwischen all den Formen
von hoher Fraulichkeit, ja vor der Wolter,
der himmelragend schönen Höllenflamme,
du das Vermächtnis warst, die treue Botschaft
für mich und durch mich an die leere Zeit?
Was war es nur, daß deine edlen Reste
die jungen Sinne freier aufgetan
als alles ganze Glück der gleichen Jugend?
Im Sieb der irdischen Vergänglichkeit
war damals wenig, weniger ist heute
nachlebendem Bewußtsein anvertraut:
und dennoch, welche Fülle von Geheimnis,
die in die Tage deines Aufgangs reicht!
Ich sah dich jung, und das war deine Kraft.
Ich seh dich jung, und das ist meine Kraft:
bis an den Tag hin, wo die trübe Welt
so freundlich schien und richtig eingeteilt,
als dich dein Landsmann, der Gascogner, freite.
Das war wohl Benedicts, das war Petruchios
Sieg über Beatrice, Katharina.
Nie schwirrte so ein Pfeil wie deine Zunge,
nie klirrten Messer scharf wie deine Lippen,
zum Schluß und Kuß doch Petschaft deines Herzens.
Und wie verband sich Anmut dem Verstand,
der die Regentin, der die Gräfin Terzky
staatsmännisch führen und verführen ließ.
Doch nie zuvor, nie wieder, waren Bretter
so voller Rausch und Reiz der großen Welt
wie damals, da die Dame Gabillon
mit Blick und Laut auf ihnen Leben sprühte.
Und Herzogin und Gräfin und Marquise
mit dem vom Vorbild unerreichten Adel
war eine deutsche Jüdin, Fräulein Würzburg;
sie und ihr Partner Adolf Sonnenthal
das bessere Nachbild einer Wirklichkeit,
die solchem Werk zulieb des Daseins würdig
und sonst nur ihrer Scribe und Pailleron.
Aus Bühnentagen, wo Persönlichkeit
zum Leben sprach und oben stärker war
als unten, und aus unverarmtem Schatz
der lebensbildend frühen Eindrucksfülle;
mit dem Gedächtnis, das dem Traum gehört,
als Ahnung rückerobert und den Tag
vor Trug und Mißton schützt, werb' ich um dich:
zeitloser Anmut unversehrtes Bild,
von allen Raheis liebenswerteste -
und wär's durch siebzig Jahre, wären's Tage!


Der kleine Kapitän

(Aus Offenbach-Millaud: »Madame l'Archiduc«)

Kürzlich da wir in Kavalkade
Trabend in eine Stadt gelangt,
Alle Herzen schlugen Chamade,
Die uns schon lang entgegengebangt.
Fortgerissen auf allen Wegen,
Drängten die jungen Damen nach vorn
Und alle kamen uns entgegen,
Heller zu hören unser Horn ...
Hört die Fanfare in der Weite,
Die uns Soldaten gibt das Geleite,
Ich bin der kleine Führer im Streite
Mit heiterm Sinn,
Ich bin Cherubin!

Von unserm Schall erdröhnte die Erde
Und das Getöse war enorm;
Wir aber saßen hoch zu Pferde
In unsrer herrlichen Uniform.
Dann als wir mußten die Stadt verlassen,
Drängten die Schönen wieder nach vorn,
Blaß vor Gram, durch Gassen und Straßen,
Um noch zu hören unser Horn …
Hört die Fanfare in der Weite,
Die dem Soldaten gibt das Geleite,
Schon ist er fort, der Führer im Streite
Mit heiterm Sinn,
Ich bin Cherubin!


Brief der Perichole

(Aus Offenbach / Meilhac und Halévy: »Perichole«, nach L. Kalisch)

Geliebter, O glaub mir, ich schwöre,
Meine Liebe zu dir ist groß.
Ach! nicht kleiner jedoch die Misere,
Die uns leider beschieden das Los.
Du selber, du mußt es erkennen,
So kann es doch weiter nicht gehn.
Wir müssen ein wenig uns trennen,
Um froher uns wiederzusehn.
Bedenke doch, was von uns bliebe,
Wenn der Zustand noch weiterhin währt:
Am Ende kriegt satt nur die Liebe,
Wer vergebens zu essen begehrt.
Ich bin Weib, und ich weiß, es ist Schwäche,
Aber eben das ist doch ein Grund;
Glaub mir, daß die Wahrheit ich spreche:
Kein Stück Brot nahm ich heut in den Mund.
Ich fühl, wie dich schmerzt dieses Schreiben.
Was ich tue, ich kann nichts dafür.
Ich werde die Deine stets bleiben
Im Innern - das glaube mir.
Ja, ich tue zu unserem Wohle,
Was ich muß und was Klugheit mir rät.
Lebe wohl! - Deine Perichole,
Die vor Liebe und Hunger vergeht.


Entfernte Betrachtung

Angetan durch Teufels Tücke
ist der Schöpfung eine Lücke.
Willenswoge, Tatenwelle,
alles drängt um diese Stelle.
Alle Werke, alle Worte
wirken, weben zu der Pforte.
Kraftgewinn aus dem Geheimnis,
Kraftverlust durch das Versäumnis.
Doch den Ausfall zu versüßen,
läßt sich Lust und Lücke büßen.

Wie in Zeit und Streit ihr schaltet,
dieses Spiel ist unveraltet.
Enkel bleiben wie die Ahnen
dieses Reiches Untertanen.
Sitte, wenn sie sich entrüstet,
rüstet ab, wenn es gelüstet,
Staatendinge, Heldenhandlung,
alles unterliegt der Wandlung.
Tags droht des Tyrannen Stirne,
nachts entspannt von einer Dirne.

Einst ersahst du ihre Züge,
da erfuhrst du seine Lüge.
Blieb aus dieses Lebens Rissen
nichts als wie es ist zu wissen:
kannst in deinen späten Tagen
du vom Glück der Liebe sagen.
Angetan durch Teufels Tücke
ist der Schöpfung eine Lücke.
Laß, den Ausfall zu versüßen,
sie zu deiner Lust sie büßen!


Inschriften

Zeitkunst

Sagt, was ist in der Zeit enthalten,
das da reifte zu einem Kunstgestalten?
Wie immer und wo ich's ihr abgelesen:
Verrat an Natur und an Kunst war ihr Wesen.
Drum bleibe auch ich ihrem Eindruck bereit,
und wirke als Künstler gegen die Zeit!

Kritik

Wie kam's, daß sie so heftig auf mich schalten?
Sein Teil wird jedem nach Gebühr.
Sie hielten nichts von mir?
O nein! Ich hab von ihnen nichts gehalten.

Reisetrieb der Neuen Freien Presse

Ausflüge? Wie sie sich selbst betrügt!
Ausflüchte jene heißen könnten.
In den letzten Zügen, in denen sie liegt,
sitzen die Abonnenten.

Wahl des Titels

Ein neues Blatt? Ich schlag als Titel vor: »Die Lüge«;
der Kopf der Zeitung zeige ihres Wesens Züge.
Es gibt nur einen Grund, daß er ihr nicht behagt:
weil selbst im Titel doch kein Blatt die Wahrheit sagt.

Weg mit den Fremdwörtern!

Bessere Zeiten werden erst kommen,
wenn man statt Weekend wieder Schabbes
sagen wird und statt Girl wieder Chonte.
                                      Berliner Theaterwitz

»Wann gehen wir entgegen bessern Tagen?«
so fragte einer, der es wissen kann;
und wies den Weg: »Wenn einst statt >Weekend< man
wird wieder einfach Schabbes sagen.«
Ein Prominenter, der's nicht wen'ger wissen konnte,
ergänzte: »Und statt >Girl< wieder Chonte.«
»Da fehlt noch«, meinte ich, »zum guten End,
daß man auch Tineff sagt statt >prominent<.«

Die Würdenträger

Was doch die Würdenträger einander vormachen!
Mit Dank und ohne Bedenken,
mit Würde und ohne zu lachen
tragen sie die Sachen,
die sie einander schenken,
und vor einander machen.

Sprachliche Skrupel

Ein Würdenträger sprach zum andern:
Nichts würd ich, wollt ich, weniger werden,
würd ich zurück die Laufbahn wandern,
als solch ein Standbild mit Gebärden,
bedrückt von Zierde wie von Bürde,
und Träger einer fremden Würde.

Wenn Ehren bloß die Mehrzahl wäre
von dem, was in der Einzahl fehlt,
ich hätte an der einen Ehre
genug, die mehr als alle zählt.
Dann wäre Würde nicht allein
ein Schein und ein bedingtes Sein.

Die Erneuerung

Gern schlöss' ich mich an, und zwar sogleich
ans Vaterland, ans teure.
Doch wäre die Wirkung nichts für euch,
von wegen meiner Säure.
Die Freud' aber an einer schönen Leich'
ist eine ungeheure.
So wünscht man gleich lieber, daß Österreich
sich durch Lippowitz erneure.

Umsturz

Nicht mehr vom Militär behext -
die Zeiten sind vorbei!
Die Stelle, wo kein Gras mehr wächst,
hat heut die Polizei.

Akrostichon

Freiheit erstand uns, seit Du uns erstanden,
Es tagt, ein Retter wies den sichern Port.
Laß Dank Dir zollen, Dank in allen Landen,
O nimm der alten Heimat Dankeswort!
Nie wankte Deine Treu', sie wirkte fort
In Taten, die befreit uns aus den Banden.
Es dankt die Treue Dir, der Pflichten Hort.


Das Schoberlied

Ja das ist meine Pflicht,
bitte sehn S' denn das nicht.
Das war' so a G'schicht,
tät' ich nicht meine Pflicht.
Auf die Ordnung erpicht,
bin ich treu meiner Pflicht.
Wenn ein Umsturz in Sicht,
ich erfüll' meine Pflicht.
Die Elemente vernicht'
ich bezüglich der Pflicht.
Doch wenn einer einbricht,
hätt' ich auch eine Pflicht.
Nur erwisch' ich ihn nicht,
wie es wär' meine Pflicht.
Da genügt ein Bericht
hinsichtlich der Pflicht.
Der ist schon ein Gedicht,
das nur handelt von Pflicht.
Denn stets Wert und Gewicht
leg' ich nur auf die Pflicht.

In Gemäßheit der Pflicht
hab' ich's manchem schon g'richt'
An's Licht, hinter's Licht
führ' ich alles nach Pflicht.
Man glaubt mir aufs G'sicht,
da is nix drin als Pflicht.
Schon mein Auge besticht,
denn es spricht nur von Pflicht.
Und mein Herz ist so schlicht
und schlagt nur nach der Pflicht.
Das Geschwornengericht
hat verletzt seine Pflicht.
Wenn's Verschworne freispricht,
ja wo bleibt da die Pflicht.
Daß ich aufs Amt nicht verzicht',
das gebietet die Pflicht.
Wohl wagt's mancher Wicht
und verkennt meine Pflicht.
Doch vors G'richt geh' ich nicht,
das ist nicht meine Pflicht.


Gespenst am Tag

Und immer wieder warnt es mich: Gib acht,
daß du das Lachen nicht verlernst,
das wach dich macht fürs Leben Nacht um Nacht.
Denn wenn hernach der Tag mir's hinterbracht,
war alles wahr, was ich erdacht, gemacht,
und alles, was ich ausgelacht,
war ernst.

Stillt solch Erfüllen, mir noch unbekannt,
nicht endlich diesen Drang und Durst?
Unwirkliches, das ich zum Sein erfand,
Unüberwindliches, das mir erstand,
wie fang ich dies noch, eh's mich überwand,
wie bann ich ihn, der mich gebannt:
Hanswurst!

So lern es kennen, was du noch nicht kennst,
begreife, was dir scheinen mag
ein Schein und was du so allein benennst.
Die offne Tür ist zu, die du berennst -
ob laut du lachst, ob du verzagend flennst,
es spottet deiner ein Gespenst
am Tag.


Krieg

Ich armer Sohn einer Mutter,
   Es will mir nicht in den Sinn,
Daß ich Granatenfutter
   Im Schützengraben bin.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Die uns zum Vormarsch trieben,
   Die lachten der Gefahr.
Wo sind sie nur geblieben,
   Als plutze Kehraus war?
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Alfred Kerr, 1929.

Ich armer Leser der Pressen
   Es will mir nicht in den Sinn,
Daß man so schnell vergessen
   Den Kerr vom Kriegsbeginn.
Ich trug ja kein Verlangen
   Nach Menschenmord und Graus;
Als Gottliebs ihn besangen,
   Wuchs mir's zum Hals heraus.

Es stob und wob uns allen
   Der Scherl'sche Dreck ins Haupt;
Daß ihm der Krieg gefallen,
   Wir haben es geglaubt.
Und wer bei Hagelschüssen
   Den Blut-Tribut gezollt,
Der hat dran glauben müssen;
   Der Scherl hat es gewollt.

Die uns zum Vormarsch trieben,
   Die lachen ihrer Schuld.
Der Kerr, zurückgeblieben,
   Rief stramm in den Tumult.

Ubi bene, patria ibi:
   Bei Scherl schiß er den Mist.
Bei Mosse zum Alibi
   Ist er prompt Pazifist.

Wie je nach den Interessen
   Sich wendet fix der Sinn:
Dafür hat man die Pressen;
   Das preist man in Berlin.
Dort spürt man nicht die Schande,
   Wie anders heut es ruft.
Man lauscht im ganzen Lande
   Dem allergrößten Schuft!


Rätsel

Uferlos

Gedanken sind doch nicht verboten;
so denk ich mir halt ab und zu:
ich halt ihn für den größten Idioten
und für den mittelmäßigsten Filou.
An diesem Rätsel läßt sich lange raten,
denn jeder hat wohl seinen Wicht;
jedoch grad dieser ist es nicht,
und mein Gebiet umfaßt zwei Staaten.

Zwei Dichternamen

Wenn Männer erzählend die Zeit uns begleiten,
indem sie deren Probleme verwässern,
so gehören sie bestenfalls zu den bessern,
die da liefern weibliche Handarbeiten.
Zwei, nicht zu verwechseln, sollt ihr unterscheiden:
was die Namen trennt, das vereint die Gestalten;
der Unterschied ist in beiden enthalten,
und was gemeinsam in keinem von beiden.

Der Konsonant

Wenn sie hier mit Waffen wütet,
zieh ich gerne aus dem Land.
Was zurück zieht, wird verhütet,
tritt dazu ein Konsonant.

Jene will nicht, daß dies bange
Fühlen fortan mich verzehrt.
Weh dem Heim, das solchem Drange
lange noch mit Waffen wehrt!

Teil und Ganzes

Das erste führt dich zu Land und Leuten;
das zweite läßt besser die Welt oft beschreiten.
Im ersten sind wahre Unendlichkeiten
vom Ganzen enthalten, das will ich nicht streiten,
doch wird mir in problematischen Zeiten
das Ganze, das Teilchen, weit mehr bedeuten
als der Teil, den sie als ganzes bereiten.
Ein rätselhaftes Rätsel ist es, weil
das Ganze bildet einen Teil vom Teil.

Reihenfolge

Wie geht's verkehrt doch bei des Lebens Tanze
   und dennoch folgerichtig her:
Da sie das erste war, war sie das Ganze;
   als zweites ist sie's längst nicht mehr.

Verkehrt ist richtig

Ein Wirrsal ist's, solang es währt,
   du tappst darin, als wär's verkehrt,
und in dem Dunkel da und dort
erkennst du nur das Rätselwort.

Alles in Ordnung

Wie's erste ist, wünscht mancher manche Habe;
am zweiten haben seine Sinne Labe.
Zusammen gibt es Leiden, doch auch Gabe,
durch die Talent hat leider jeder Knabe.

Ablaut der Liebe

Hast du die erste, wird sie dich bedrücken.
Dich zu befreien, mag der zweiten glücken.
Die dritte hast du, wieder dich zu bücken,
bis du erliegst unendlichem Berücken.

Sonderbare Erscheinung

Es kommt vom Zahn des großen Tiers.
Ein Traum, den ich geträumt,
worin mit Elfen ich die Zeit versäumt,
er sagte in der Mehrzahl mir's.

Rätsel

Bald ist's von dieser, bald von jener Sorte:
dort gilt's der Silbe, hier gilt es dem Worte.
Leicht läßt es dich in alle Ferne schweifen,
wiewohl grad nur das Nächste zu ergreifen.
Bescheiden steht's und wartet in der Ecke,
bis du den Sinn holst aus dem Wortverstecke.
Wenn endlich dir die Lösung glücken soll,
sei zu bedenken dieses dir gegeben:
gelöst war' nur dies eine eben,
jedoch fast jedes Ding im Leben,
es bleibt dir leider dessen voll.
Ja mehr als das - ich wag es auszusprechen
und will dich warnen, ehe es zu spät -,
dies eine selbst, es lohnt kein Kopfzerbrechen
denn Rätsel bleibt es, wenn man's auch errät.


Inschriften

Kopflose Welt

Ungleicher Kampf hat keinen Sinn:
die Welt ist stärker als ich es bin,
kann über den Kopf mir wachsen.
Vor solchem Ende hat die Natur
sie bewahrt: wenn's hoch kommt, komm ich ihr nur
über die Haxen.

Wie man's macht, ist's nicht recht

Kamele zu schlucken, davor möchten seit Jahren

mich die Mücken bewahren.
Und Mücken zu seigen, da warnt meiner Seel'
mich jedes Kamel.


Erweis ich dem Übel zu viel Ehre,
hofft jedes, daß es das kleinere wäre;
und alle fürchten, ich vermocht' die Gestalten
nicht auseinanderzuhalten.

Doch weil ich am wenigsten kann vertragen,
daß Pharisäer, was ihnen gesagt ist, sagen,
und weil überhaupt ich hab meine Mucken:
so pfleg ich Kamele zu seigen und Mücken zu schlucken.

Liebe

Sie gab ihm viel: er fühlt' sich arm;
er wollte alle ihre Gaben.
Ihn hieß der heiße Herzensharm
nach den verborgnen Schätzen graben.
Ein Leben war's, daß Gott erbarm:
Der Arme! Was muß sie gelitten haben!

Ohnmacht

Ich muß mehr, als ich habe, schenken.
Wenn ich was kann, so kann ich nichts dafür.
Und was ich will, mißlingt: mich abzulenken.
Denk ich an dies und das, um nicht zu denken,
es denkt in mir.

Der Widerspruch

Was fiel mir ein,
mir altem Hasser?
Ich predigte Wein,
und trank dazu Wasser!
Um noch besser den Widerspruch zu bemerken,
gehn sie hin, sich an meinen Weinen zu stärken.

Grabschrift

Wie leer ist es hier
an meiner Stelle.
Vertan alles Streben.
Nichts bleibt von mir
als die Quelle,
die sie nicht angegeben.


Das Hiesige

Du rufst es an, schon ist es fort;
verloren die Tat, verloren das Wort.
Es ist da und dort, und wo immer es sei,
ist es immer dabei und nie dabei.
Es ist ein Ding, und du greifst Luft;
du schreitest: weit und breit ist Kluft.
Umgebend Nichts um lebendiges Sein,
und alles um dich, der du allein.
Und alles verbindet dich ohne Band
und widersteht ohne Widerstand.
Wenn du es stößt, bleibt's angeschmiegt,
und wie es weicht, bist du besiegt.
So ist es halt, so ohne Halt
und wo es steht, hat es Gewalt.
Von seiner Schwäche, nicht deiner Kraft
ist dieses Hiesige hingerafft.
Und was ich auch tat und wie ich sprach -
Es war zu weich, es gab nicht nach!


Nach dreissig Jahren

Rückblick der Eitelkeit

Mit hundert Stimmen tönt der Mund des Tags:
Mißton zur Missetat und muntre Kunde,
wenn die Natur aus hundert Wunden blutet.
Der, der allein steht gegen diese Wut,
ihr ausgesetzt im unentschiednen Kampf,
den nicht der Tag entscheidet, gilt für eitel,
weil er das Wort vor solchem Anspruch hütet.
Ihm ist es Ware nicht, ihm ist es Waffe,
die Waffe nicht allein, vielmehr der Wert,
nicht das womit nur, nein, wofür er kämpft.
So dinglich Tun, der eitlen Welt entgegen,
ergreift der Weltbegriff von Eitelkeit.
Denn es erhob sich diese eine Stimme
so hell und hoch, wie die Natur gewährte,
die Schuld der Zeit zu rächen und ein Beispiel
ihr vorzustellen, als der eigne Sänger
von einem Kampfe, den kein andrer kündet;
denn jeder andre spricht zum Mund der Zeit.
Der aber anders spricht, spricht nicht von Sieg,
und keine Wende, keinen Ruhepunkt
gewährt der Sturm des dreißigjährigen Krieges.
Doch ziemt dem Abschnitt solchen Mißerfolges
die Rechenschaft: das Fazit nach Verlusten
ist meine Macht, der Übermacht zu spotten,
ich bin vorhanden, vae victoribus!
Nicht Schranken sind errichtet, nur ein Maß.
Und nicht von mir, bloß durch mich; weil ich bin,
nicht weil ich es bestimme. Solchen Wahns
verwäge und vermesse ich mich nicht
und maße mir nicht an, das Maß zu geben,
der längst erfuhr, wie gegen seinen Willen
die Welt läuft und wie seines Wirkens Spur
unkennbar wird im Fortschritt dieser Zeit.
Doch hebt die Spur sich ab vom Gegenteil,
im Negativ der Menschlichkeit bewahrt.
Vorhanden bin ich, und es hat sich vieles
an mir entschieden, da es von mir schied.
Nicht standzuhalten meiner Gegenwart
war die Bestimmung der Umgebenden,
und Rettung vor der Stimme, die sie anrief:
ein abgeredet Schweigen, das da wähnt,
ich sei nicht auf der Welt. Wie Angst im Wald,
sich Mut zu machen, schreit vor einem Feind,
der nur vermutet ist, so schweigen sie
laut auf vor dem, der immer gegenwärtig
und spürbar wirkend ihre Zeit durchquerte.
Am Wort, am Weib hat er, ein Mann ein Wort,
des Dienstes nie gefehlt; nicht unvergolten
blieb Gottesfrevel an Natur und Sprache,
und niemals ließ er unvollstreckt den Sinn
der Rache, die die Elemente treibt,
wenn sich der Weltsinn allzu frech vermaß.
Geläng' es diesem, einen Feuerberg
mit technischen Praktiken stillzulegen,
nie würde über ein Empörerherz
ihm ähnlicher Triumph, nie kommt die Zeit,
wo sich der Geist dem Zeitgeist unterwirft!
Unsühnbar Walten zeigt ihn unversöhnlich.
Im Hochgenuß des reinsten Kunsterlebens,
entrückt vom Wonnerausch an Wort und Ton,
hat er die Händel dieses Tags bewacht
und hat den Schein der Streitsucht nicht gescheut,
um dieses bürgerliche Vollbehagen,
das in so andern Regionen schwelgt,
so lustlos fern der schöpferischen Freiheit,
mit dessen eigener Gesetzlichkeit
zu konfrontieren, durchaus dort und da
das Zweifelhafte zweifellos zu stellen.
Die Sache wills, und mannigfache Sachen,
vor deren jeder es der Sache gilt,
erzwingen so den Einsatz der Person,
daß all ihr Tun persönlich scheint und eitel.
Dies Stigma hat die Ohnmacht der Gewalt,
die nichts als Geltung will im Lebensraum,
nichts als Verbindung sucht und Selbsterhaltung,
an den vergeben, der als letzten Lohn
erstrebte, was in diesem Jahrmarktstreiben
die Selbstvernichtung ist: den Weltverzicht.
Verzicht aufs Leben selbst, ja auf den Tag,
der doch auch Sonne bringt und nicht bloß Dunkel.
Zu meinem Tag ward jede Nacht gemacht,
der halbe Tag dazu, durch all die Jahre:
für Werte, die nicht wägbar sind, nicht tragbar,
um Sorgen, die nicht Qual, nicht Glück bedeuten
dem Zeitvertreiber, niemals Schlaf und Stirn
bedrückt ihm haben, nicht den Tag ihm kreuzen
und nicht den Traum, wofern er Träume hat.
Wofür ward es getan? Der Geltung wegen
vor denen, gegen die es gelten soll?
Ist's glaubhaft denn, sie selber könnten glauben,
ich sei wie sie und wende zu dem Zweck,
den jeder hat, das falsche Mittel an,
durch Aufstand die Verbindung herzustellen?
Und weiß ich nicht, daß, könnt' es so gelingen,
ihr größrer Haß mir die Verbindung wehrt?
Der Haß, der sie bis zu dem Mißgriff treibt,
mir das höchsteigne Brandmal zu verleihen,
läßt fraglich nur, wofür sie mehr mich hassen:
ob für das bloße Sein, ob für das Können.
So oder so, ich habe mir's verscherzt.
Wär' ich ein anderer, wär' alles anders,
und könnt' ich weniger, war' meine Leistung
in allen schmutzigen Mäulern dieses Tags.
So muß zum Tun die Rede selbst ich führen,
die auch dem Dümmsten doch in einem Punkt
erfaßbar wurde: daß ich eitel bin.

Sonst wissen sie ja weiter nichts von mir
und selbst dies eine meist vom Hörensagen,
indem sie mich nicht selber sagen hörten,
nur solches von mir, was die andern sagen,
in einer Stadt, die von Gerüchten lebt
und wo Ereignis dem Gerücht entstammt,
wiewohl sie hinreichend gesichert scheint,
da jeder zweite Mann ein Polizist ist.
Da aber jeder andre Journalist ist,
so ist sie preisgegeben, denn die Feder
hat noch mehr Macht und Ansehn als der Knüppel,
und öffentliche Meinung ist Gerücht.
Dafür genügt auch mir die Vorstellung
von einer Stadt, von der ich sagen hörte,
sie spreche nie von sich, verstecke sich
vor Fremden, niemals habe noch ein Wiener
von sich gesagt, daß er ein Wiener sei,
dagegen stets, uneitel wie er ist,
sein Mütterlein als Wienerin verleugnet.
Der Schreibtisch läßt sich zwar nicht übersiedeln
in eine Welt, die frei von dem Problem,
doch spart er die persönliche Berührung
mit einer Sorte kompetenter Tadler,
die, war ich ihresgleichen, staunen sollten,
wie ich dann ganz und gar nicht eitel war'.
Und so bescheiden bin ich, zu bekennen:
war' vollends das Talent mir angeboren
der Männer, deren Meinung hier gedruckt wird,
ich wäre nie damit hervorgetreten,
vielmehr ein Handlungsreisender geworden;
und wollte dann wohl als ein Leser glauben,
was jene öffentlich zu meinen pflegen.
Mein Werk ist der Beweis: die Presse lügt,
weil Drucken gleichbedeutend ist mit Lügen.
Mein bessres Werk und Wohltat an mir selbst:
daß, wo nur Blätter noch die Welt bedeuten,
ich jene Werte, die die Zeit verdarb,
ersetze und dem Unwert, den sie hegt,
entgegensetze; trotzend ihrem Fluch,
hab ich gezeigt, daß es noch Bretter gibt,
ihr den verlornen Zauber anzuzaubern.
Wenn's wahr ist, daß ich mit dem Requisit
des Zeigefingers eine Szene fülle
mit Akrobaten, die den Teller drehn,
dann hat die Bühne, die es nicht vermag,
weil die Regie das Element nicht herstellt,
ihr Spiel verloren, und die Presse lügt,
die allem Firlefanz Kolumnen öffnet,
doch vor dem Wesentlichen darum schweigt,
weil sie den Träger haßt um die Erkenntnis
von ihrer Lüge. Daß er seinen Fall
als sichtbarste Bestätigung erlebt,
so in der Kunstkritik nie größere Lüge
als dieses Schweigen war, es führt ihm schließlich
ein Wörtchen zu: das von der Eitelkeit.
Doch keiner prüft, ob sie denn unberechtigt;
und ob ein Walten, das so infernal
Privathaß fälscht zu öffentlicher Meinung,
nicht eigensüchtiger sei als das des Künstlers,
der wohl zum eignen Worte steht, doch lieber
dem fremden Werke dient, zu dem er steht;
und der noch nie das Wertmaß an der Kunst
verwirren ließ von einem Blick nach außen.
Was ist denn Eitelkeit? Ein Tauschgeschäft
von Wert und Geltung. Wo wird Wert geopfert?
Doch von der Welt! Wo Geltung?
Doch wohl von jenem, den sie eitel nennt!
Wie sollte ich es sein, da sie bis heute
mir keinen anderen Gedanken dankt?
Und in der Schlinge fehlerhaften Zirkels
faß ich das Phänomen, das Dummheit heißt.
Mit einem Hohn, dem die Kulturgeschichte
nicht seinesgleichen stellt - und wenn sie mich
darob des Größenwahns beschuldigen sollte -,
steh ich vor dieser Zeitgenossenschaft,
von der ich glaube, daß sie Sport und Technik
ins Grenzenlose führt, doch im Bezirk
des geistigen Erlebens so beschränkt hat,
daß es der Sau graust, die es unternähme,
ein Zeitungsblatt zu lesen, oder tollkühn
etwa ein Schauspielhaus betreten wollte.

Der Händler, dem das Leben ganz gehört,
hat eure Phantasie in Pacht genommen.
Er läßt euch Radio hören, Fußball werfen,
gewährt euch die politische Bewegung
mit Einschluß der Befugnis, frei zu sein,
erlaubt den Zeitvertreib, der euch das Denken
erspart, und fördert auch die schönen Künste,
wofern sie nicht, Lebendiges und Totes
berührend, seelenstürmend Umsturz künden,
den wahren: der das Werk der falschen Freiheit
bedroht und gegen allen Staatsbetrug
im unverjährten Anspruch der Natur
verkehrt die umgekehrte Lebensordnung
bis zu dem Ursprung hin, an dem gesetzt ist:
Der Mensch sei nicht das Mittel, doch der Zweck!
Nun ist die Welt dem Händler Untertan,
und nichts gilt, was sich nicht prostituiert.
Und nur die Frau bleibt Freiwild, und die Freiheit,
sie animiert den schuftigen Büttel Shakespeares
zu schnöderm Zugriff im Revier der Lust.
Nie haben Amtsmoral und Bürgersinn,
weit mehr als sonst dem Weltgeist prostituiert,
mit frechrer Pharisäerstirn geheuchelt,
und niemals hat sich jener Männerstolz,
der Königsthronen nicht mehr opfern wollte,
so allem Handel preisgegeben. Alles
darf heute huren, nur die Huren nicht!
Verabscheut wird, wer daran Anstoß nimmt,
mit ihm gemieden alle, die ihm folgen,
die Lepra der Erkenntnis zu verbreiten.
Die Welt will leben und in Ruhe töten,
und wehe jedem, der es weiß und sagt!

Und gibt es solche Zweifler, die vielleicht
zu fühlen noch vermöchten, daß dies Leben
dem Sinn des Lebens widerstrebt, sie halten
die Ohren festverschlossen der Gefahr,
in reinere Region verführt zu werden,
und offen nur dem widrigen Gerücht,
das einen Weckruf zum Skandal entstellt;
und schleichen sich davon wie Egmonts Bürger.
Kein Machtgriff wäre denkbar, den am Rufer
die frisch errungne Freiheit nicht erlaubte.
Zwar wo die Macht Funktion hat, steht sie tatlos
vor seiner Tat, und in das Nichts zerfiel
der Popanz der fragwürdigen Würdenträger;
denn Feigheit ist die oberste Funktion.
Jedoch die Freiheit ward an mir zur Phrase
und sichtbar wird die Fratze der Gewalt.
So dem Bekenntnis abtrünnig zu sein
der Lippe, die man aufwirft gegen mich,
vermehrt den Haß; die Lüge, der man dient,
heischt immer neues Opfer, ach und wie
sichs mit mir auseinandersetzt, es setzt sich
so auseinander, daß nichts übrig bleibt,
bevor ich noch ein Wort dazu gesprochen.
Da hindert mich Erbarmen, es zu tun.
Ists mein Gelingen oder das der andern:
daß nichts so leicht gelingt wie der Effekt,
an mir sich zu blamieren? Und daß selbst noch
wer die Erkenntnis hatte: das Verhalten
zu mir sei Maßstab für den Wert des Manns,
sich einmal doch an mir blamieren muß!
Verhängnisvolle Gabe der Natur,
durch nichts als durch den eigenen Bestand
die andern zur Veränderung zu zwingen!
Ein kleines Ich vermag nicht durchzustehen,
gewandet es sich auch ins große Wir.
So unerfüllbar ist der Welt mein Maß,
daß sie noch weniger gibt, als sie vermag,
mit allem, was Partei und Presse bieten;
ob alt, ob jung, ein Rest bleibt unbeglichen
und tiefgefühlt: man zahlt mit Hysterie.
Dem stets genährten, nimmer satten Drang
zu mir hin, um von mir hinwegzukommen,
bleibt das Problem: Wie wird man mit mir fertig,
dem Zeitgenossen, der so unbequem
selbst die Genossenschaft der neuen Zeit
mit ihr das Faulbett zu genießen hindert?
Wie wird man mit dem Friedensstörer fertig,
der sich vermaß, Parteien nicht zu kennen,
vielmehr sie alle gegen sich zu einen?
Des Ohr die Phrase hört, was sie auch meinte;
des Blick den frischen Vorwand blank durchbohrt,
um antiquiertes Wesen zu erkennen;
des Wittersinn im neuen Weltgeschiebe
die Morgenluft nur der Gespenster wittert,
nicht mitgeht bis zum Trauerpossenschluß:
Trug ohnegleichen, wie der Fortinbras
von dem, was faul im Staate, profitiert!
Ein Revolutionär mit Ruhgehalt,
doch hat er vor der Stirn die Barrikade,
die er mit Taktik nicht betreten muß.
Wie wird man mit dem Zeitungsleser fertig,
der den Kontrast bemerkt vor dem Lassalle:
des Vorbild ausgesteckt wird, während hinten
der Ausbeuter des Proletariats
die Wünsche jeglichen Geschmacks erfüllt
und selbst zum Fest das Pathos parodiert!
Wie wird man mit dem Eigenbrötler fertig,
der es verschmäht zu heulen mit Hyänen
nach einem Krieg, weil er beiweitem lieber
vor solchem Greuel zu den Wölfen flieht!
Nichts ist verändert, alles bloß vertauscht;
wie einst geht hoch die Hefe der Kultur,
doch Umsturz ist: sie nennt sich prominent.
Zum Frieden fehlt nichts weiter als der Kaiser;
der aber findet vielfachen Ersatz,
denn aufgeteilt ist die Verlassenschaft
von Wahn und Würde, Macht und Majestät,
und Rückstand dient mit Formen und mit Fahnen,
daß uns der Knecht des Fortschritts kujoniert.
Wie wird man fertig mit dem Mißvergnügten,
der's nicht vermag, den Schmerz zu überwinden,
daß das Gesicht der umgestürzten Welt
die Winkelzüge zeigt der Bürgerfratze,
unüberwindlich: an den Überwindern!
Frontal mir zugekehrt, der sie erkannt hat;
und aller Haß von jeder Art von Bürger
geht darin ein, bestätigt die Erkenntnis,
drückt aus: als Bürger hast du mich erkannt,
nun bin ich Bürger jenseits der Partei,
durch dich und gegen dich bin ich ein Bürger!
In diesem Zeichen, gegen solchen Feind
ruht aller Hader, und von rechts zu links
schickt schweigendes Verständnis die Stafetten.

Nur noch ein zweites Beispiel kennt die Zeit,
wo sich die Niedertracht als Eintracht zeigt
vor einem, der den Rücken ihr gekehrt -
doch da macht sie zum Liebesdienst Gebrauch.
Denn dieser zog den Blick der Bürgerschaft
in eine Rosenlaube; der verschmäht es,
sie kämpfend zu bezwingen. Nie hat er
den Stoff, durchdringend bis zum Geist,
erlebt, erlitten, und er hat das Leid
des Kampfes sich erlassen wie der Welt,
die solche Abkehr ihm, solch ein Verzichten
aufs höchste dankt und für die Hieroglyphen,
die er in eingeräumter Ferne zeichnet,
ihn heiligspricht. Nichts als Zeremoniell,
und eins mit Formen der Alfanzerei,
wie kein Tyrannen-, kein Erlöserkult
vordem gekannt, steht zwischen ihm und ihr,
die sich aus dem Getrieb erhoben fühlt,
wenn sie bequemer Weltflucht Ornamente
bestaunen darf. Wo sieben Siegel sind,
glaubt sie an Offenbarung, den vergötternd,
der in dem Tempel wohnt, woraus es nie
zu treiben galt die Händler und die Wechsler,
nicht Pharisäer und die Schriftgelehrten,
die drum den Ort umlagern und beschreiben.
Profanum vulgus lobt sich den Entsager,
der nie ihm sagte, was zu hassen sei.
Und der das Ziel noch vor dem Weg gefunden,
er kam vom Ursprung nicht. Stefan George:
ehrfürchtig raunt vielfältige Gemeinschaft,
der Hader ruht auch hier von rechts und links,
doch mit der Andacht, die die Ruhe ist,
die jener, Gott sei Lob, der Welt gegeben.
Daß ich dagegen aus dem Teufelswerk
des Tags den Geist beschwor, daß ich den Sprachgeist
antworten hieß dem Widerpart, ist nichts
dagegen. Immer bleib ich einverleibt
dem Stoff der Zeit, den ich durchdringen konnte,
und dieser spricht, wenn überhaupt er spricht:
Was gilt uns einer, der mit uns sich abgibt?
Wer sind wir schon, und wie ist's möglich denn,
daß Kunst sich von dem Teufelsdreck bedient,
von ihm die Formen bildet und den Sinn
des Lebens einem Widerspiel entnimmt?
Wer sind denn wir, die jener seines Angriffs
für würdig hält? So sprechen sie geduckt,
Vorbilder der Bescheidenheit für den,
des selbstgefällig Tun sie tadeln müssen
und der, von ihrer Weisung unbelehrt,
sich stets der kleinsten Themen hat vermessen.
Doch tun sie unrecht, daß sie alle sich
so unterschätzen, denn zusammen sind sie -
und bloß zusammen sehe ich sie alle
und jeden immer als den ganzen Haufen -
gigantisch groß und bilden eine Zeit.
Und diese schmerzt es, daß auch sie mich haßt
und nicht vermag, dem Haß Gestalt zu geben
gleich mir, und daß ihr Geist nicht reicht, den Rächer
erstehn zu lassen: den zu strafen, der
den Geist an ihr gerächt. Und weit und breit
bleibt ihr kein andrer Ausdruck als Gewalt.
Hier lockt vielleicht das Beispiel des Rebellen,
des Bauerndoktors, den sie rasend machten
und dann erschlugen: weil er Armen half
und Satte störte; weil er Müttern beistand,
doch den erwachsnen Sohn errettet hatte
vom Vaterland. Er starb den Heldentod:
die Troglodyten haben ihn erschlagen.
Auf diesem Weg - sonst hätten sie ihn längst
zu mir gewagt - erscheint der Haß gehemmt;
mich schützt die Sprache, die sie nicht verstehn,
nicht populär genug für solches Ende.
Mit anderer Gewalt, die sie vermag,
hofft diese Zeit den Todfeind zu besiegen.
Da sie mit mir nicht fertig wird, so denkt sie,
ich würde selber fertig bald an ihr.
Sie hat die Quantität, um zu ersticken,
sie hat den Tag - das Grausen tausendfach,
das über Kopf und Herz zusammenschlägt,
die für die ahnungslose Menschheit leiden,
wie diese Pest der Presse in ihr wütet
und überdauert ihren Untergang.
Voran war sie der Furie des Kriegs
und folgt ihr auf dem Fuß. Geräusch der Miß weit,
das weiland Botschaft war von dem Verenden,
tönt täglichen Triumph; und nichts beugt tiefer,
als sich erinnern, daß die Zeit vergaß
ein Zwischenspiel, worin Millionen starben.

Doch hab ich Atem noch, es ihr zu sagen,
und steh dem Haß, der diesen Mut vergilt,
als einer, dem die Kraft wächst mit der Last.
Noch hält der Glaube, daß ein Beispiel frommt
dem Rest von Menschheit, der den Glauben rettet
aus dieser Schmach. Nur mein Vollbringen sei
das Vorbild, nicht mein Werk; daß ich's gewagt,
und daß ich Heerschau halte über Heere
von solchen, die einander Todfeind sind,
doch gegen mich verbündet, alle, alle;
und nichts als Zweikampf: Würger gegen Würger!
Ein Menschenalter lang und nicht entschieden.
Noch fernere Jahre stör ich diesen Frieden.
Hier Kämpfer, Künstler, Narr, und dort die Bürger!


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