Rudolf Borchardt - Der Durant



Rudolf Borchardt

Der Durant
Ein Gedicht aus dem männlichen Zeitalter

Rowohlt Verlag
Berlin
1920


 

Der Durant

hebt an:
Liebe von Weib und Mann
Meint ein Kind von den beiden:
Wer das nicht will, soll leiden.

Wir wissen es von Mose,
Daß der Mensch wie die Rose
Oder sonst eine Blume
Gekommen von der Krume.
Drum wüchse er noch so zart
Irdisch bleibt seine Art,
Und würfe er seinen Stengel
Bis hinauf, wo die Engel
In versunkenen Gewimmeln
Stürmen aus Silber Himmeln
Auf in die Himmel Golden, -
Und spannte er seine Dolden
Und brächte seine Düfte
In die einsamsten Klüfte
Als Opfer aufgeraucht,
Da das Waltende haucht
Also, daß auf ein Male
Aus der seelischen Schale
Die ihm zum Munde schösse
Gott sich selber genösse
Ins Ganze greifen dürfte
Und sein All auf eins schlürfte, -
So muß nichts desto minder
Der Sohn der Erdenkinder,
Wie selig und vor Höhe
Fast erbebend er flöhe,
Die Höhn, durch die er liefe,
Unten zahlen mit Tiefe.
Er soll für jede Zückung
Seiner blausten Entrückung
Blindlings und fahler Augen
Einen Klumpen besaugen,
Mit Assel und mit Schabe
Verzwillingt, jede Gabe
Saugen der dunklen Amme.
Er soll ob seinem Stamme
Die Teilung und die Steigung
Mit verkehrter Verzweigung
In Schotter und Schiefer
Tiefer und immer tiefer
Unablässig entgelten
In den verlorenen Welten.
Für jeden wonnigen Schwung
Der Vervollkommenung,
Des sein seligster Mut
Sich vermißt, und ihn tut,
Ohne Zügel und Bügel
Streifend am Lerchenflügel
Und am schreienden Sperber,
Wird ihm herber und herber
Wenn er in unteren Zechen
Weiß: daß Herz will ihm brechen.
Darum bedenke ein jeder
Der ohne Aares Feder
Oder Schweif von Kometen
Irdisch Erde will Erde treten,
Daraus sein Ahn gekeimet
Und die ihm angeleimet
Bleibt an seine Fußsohlen, -
Ja die ständig verhohlen
An dem Fuße ihm schon klebt
Den er hebt, - und nur hebt
Um ihn wieder zu senken -
- Ja, er soll sich bedenken
Wie hoch er fahren wolle
Und wieviel Last der Scholle
Er sich traue zu tragen:
Jenseits aller der Klagen
Mit denen das Gemeine
Seinen Schaden beweine
Hat die Minne ihr Los:
Besser er tut nicht groß
Als daß ihn darnach reute
Daß ers nicht wie die Leute
Mit Leben und mit Lieben
Lieblich traurig getrieben:
Daß sich suchen zur Ehen
Zwei die sich gerne sehen -
Die sich am Halse hangen,
Sich vertraulich verlangen
Und vertraulich ergeben
All durch ein zweiflig Leben
Und daß Kinder es halten
Wiederum wie die Alten
Und daß also ein rechter
Sohn menschlicher Geschlechter
Hin wandele nicht vergebens
Durch vier Alter des Lebens:
Ein Teil ein warmes Blut;
Ein Teil ein fester Mut;
Ein Teil Wirken und Werben;
Ein Teil der Blick ins Sterben - -
Fuß für Fuß ohne Schauren
Wie im Süßen im Sauren,
Nie mit Herzen noch Füßen
Im Großen Bittersüßen.

Erde ist Lust oder Trauer

Heut süß und morgen sauer
Wies unter Tagen fällt:
Bittersüß ist die Welt
Und ihr Gleichnis, die Seele.
Wer meint, der da nicht stehle
Morde leugne oder buhle
Sei schon damit dem Pfuhle
Des Fluches überhoben,
Jetzt irdisch, und dann oben -
Die sich vor den furchtbaren
Abweiten zu bewahren
Und den blutigen Tränen
Schon durch Rechttun so wähnen
Daß ihnen auf der Erde
Von selbst davon nichts werde
Und nach dem Himmel trachten
Des sie wiederum achten
Als ob auch er desgleichen
Außer Erde Bereichen
Niemals in unsere ständigen
Fügungen der Lebendigen
Griffe oder aus dem Ringe
Der Erde wild aufginge,
Sondern plötzlich anheben
Könne hinter dem Leben - -
Was sage ich viel von diesen?
In letzten Paradiesen
Und in endlicher Nacht
Ist auch dieser gedacht:
Gesegnet und gerochen
Wird und der Star gestochen
Allerlei irdisch blinden
Derben Menschen Kinden
Die es nie überfällt -:
Unteilbar ist die Welt
Und nicht plötzlich anheben
Kann das ewige Leben:
Sondern es schießt aus schieren
Rätseln, sich zu verlieren
In Gottes Dunkelheiten -
Ewig nach Allen Seiten.
Wie im Raum und der Frist
Ewig - so ewig ist
Aus ewigen Finsternissen
Gefühl, und ist Gewissen.
Sehnsucht ist solch ein Wehen
Aus der Welt, Übergehen
Vergeheimnißten Flusses:
Den Quell des Überdrusses
Und die Mündung der Lust
Wer hat ihn je gewußt?
Der ermaß die Abgründe
Himmels, und Höllen Schlünde.
Daß schon hier Deins und Meins
Mit Hölle und Himmel eins -
Voll Vergeistrung getrunken,
- Wie ein Schwamm der versunken
Odem nach oben treibt -
Die auffährt und nicht bleibt:
Daß der Seelen Erfahrung
Aufgraust als Offenbarung
Allen Sturms der Erschaffung
Als die riesige Raffung
Gottes in Tagen Sieben
Aller Welt Ding zu lieben
An seinen Busen drückte
Und sich schöpfend entzückte
An gewaltiger Handlung
Und glühend durch die Wandlung
Dem erschaudernden Stoffe
Mit Sonnen sagte: »Hoffe« -
Daß Anfänge nicht sind,
Drein sich nicht zum Gebind
Wie von Fasern verbänden
Tausend mal tausend Enden
Und sind wieder Beginne -
Dies weiß allein die Minne.
Darum ist ihr nichts kenntlich -
Sie haucht, es ist unendlich.

Was der uralte Greis
Sterbend vernimmt und weiß
Weiß sie mit jungen Witzen -
Der Mensch soll nichts besitzen.
Was Ärzte und Alchimisten
Und die physischen Listen
Im Zauberglase erblicken
Und mit Zahlen beschicken,
Weiß sie ohne Belehrung:
Leben ist die Verzehrung
Von Gestalt zu Gestalten:
Leib kann Leib nicht behalten.
Die Welt schreitet durch ihn
Wie Lohe durch den Kien
Braucht ihn und sie gebraucht Dich,
Auf zu erstehn durchlauchtig
Am zergehenden Zunder:
Weil Du bist, wird sie Wunder.
Priestermund, der geweihte,
Wo der je benedeite
Die Krumen und den Firnen, -
Deutermund, der Gestirnen
Lauf und Messung ablas, -
Weisester Mund, der maß
Die Natur aller Dinge - -
Nicht daß sie drum geringe
Hießen, doch ohne Weihung
Sinnlos aus Prophezeihung
Ist all ihrer Tiefsinne
Und Widersinne Minne
Dunkel selig ein Meister,
Wie ein Geist über Geister -
Denn sie sehn das Gesicht
Keiner des andern nicht
Doch er, draus jeder stammt
Hegt in sich allesamt;
Darum ist klein und groß
Hier einander Genoß,
Darum sind in der Minne
Die Verluste Gewinne,
Darum ist leicht so schwer,
Ist das Viel von Nichts her
Ist das Ferne so nah
Und so nah doch nicht da;
Drum wie eng wirs uns mischen,
Wir hausen doch dazwischen, -
Darum ist sie der Welt
Inbegriff, darum fällt
Die Welt ihr nicht in Stücken -
Darum weint ihr Entzücken
Schon mit bangenden Grüßen,
Darum weiß sie im süßen
Nicht nur bitteres - das wäre
Ein Pfaffenspruch, - das schwere
Übersüß ist dar inne,
Urgeheimnis der Minne,
Daß die Schönheit nicht Lust ist,
Daß sie ein Ungewußt ist,
Dem Leibhaftigen so ferne
Wie die seligen Sterne
Dem Tödlichen verwandter;
Wirklich ein Abgesandter
Von dort, ein ungeheures
Element wie des Feures,
Wunderbar unerträglich
Und vollkommen unsäglich,
Zwischen allem ein Zwitter,
Weiß Gott nicht süß nicht bitter
Übersüß, überbitter.

Aus Franken kam ein Ritter
Zu dem heiligen Grabe,
Mit ihm sein junger Knabe
Dem die Mutter gestorben.
Gern hätt er ihr erworben
Vollkommen Heil der Seele
Und wäre seiner Fehle
Zugleich ledig geworden;
So nahm er strengen Orden.
Er gönnte seinem Kinde
Bessers denn beim Gesinde
Womöglich zu verwaisen
Und hieß es mit ihm reisen.
- Sippen hatt er daheime
Außer einem Oheime
Zu Lothringen nicht einen.
Der war ehdem zum reinen
Lande des Herrn gefahren
Mit des König Heerscharen
Und seither wiederkommen.
Doch ließ er ihm zu Frommen
Und Franken Namens Ruhme
Im neuen Königtume
Jerusalem den Sohn
Der ehdem mit ihm schon
Gegen Heiden tat stehen.
Der König gab ihm Lehen
Und die Grafschaft Edessen;
Da war er noch gesessen.
Und also in Gedanken
Wog der Ritter von Franken -
Kam er nicht heim, so hätt er
An eben diesem Vetter
Einen Pfleger so starken
Für sein Kind, als in Marken
Seiner Heimat, bei Rheine,
Keiner wäre oder keine,
Und hieß es hingeleiten:
Wohl ihm, daß er beizeiten
Sich auf Freundschaft besann -
Es war dem edlen Mann
Nicht längere Frist geworden:
Es war ein großes Morden
Draus man ihn und genug
Andre Märterer trug,
Und begrub seinen Leib.
Die Seelen, Mann und Weib,
Sehn Gott in Paradeise.
Da ward Durant ein Waise.

Da solch Geschick ihn traf,
Taten Gräfin und Graf
Die schon, da er gekommen
Sich sein wohl angenommen,
An ihm mit Seele und Lippen
Als Christen und als Sippen.
Was Ritters Pflichten sind,
Lehrete man das Kind,
Man hieß ihn Künste pflegen
Und erzog einen Degen
Der durch das Morgenland
Keinem andern nachstand.
Dem Grafen waren blieben
Von zehen Söhnen sieben
Deren fünfe in den Landen
In Schildesamte standen.
Priesters Weihen empfangen
Hatt einer und war gangen
Zum Kaiser nach Byzanze
Dessen gleichen an Glanze
Die Sonnen nicht gewahren;
Von des Reiches Notaren
War er und hieß Anselm.
Der Älteste band den Helm
Nur selten auf zu Streiten,
Er stand bei Vaters Seiten
In der Burg übers Land;
Hardwin war er genannt;
Ungern sah ihn Durant.

Der Knab war wohl gelitten,
Wenn er gleich wilder Sitten
War und ein zuckend Wesen.
Was er sich auserlesen,
Spiel, Freund, Gemach, Gewehr,
Davon ließ er nicht mehr;
Man mußt es von ihm zwingen.
Und ihn mit Zwange bringen
Zu Dingen die ihm fremde,
War als wie ein eng Hemde
Über breiten Leib ziehen:
Es ist zu nichts gediehen, -
Ob ers gleich an sich täte
Er brach durch seine Nähte.
Mit wem der Knabe trutzte
Da war nichts das da nutzte,
Scherzen, Reden, Droh, Schläge
Brachten da nichts zu Wege,
Als die Gräfin alleine;
Er sah einst daß sie weine
Um seines Trutzens willen
Und brach aus seinem stillen
Weinen so wild in Tränen
Und schlug so mit den Zähnen
Und tobte in den Gebeinen
Daß man hätt mögen meinen
Er zerbräche und zerginge;
Er ward nicht guter Dinge
Für manchen Tag und Wochen,
Schlich und hat nicht gesprochen.
Auch nahm sein dunkles Blut
Allerlei für ungut
Das für gut war mit Scherzen,
Und bargs in seinem Herzen
Und mehrte es wie im Fieber
Und er wäre da lieber
Gestorben als mit freien
Begütigt zu verzeihen.
Er verzieh keinem nicht.
Wie ein starres Gericht
Voll Ehrenklage und harter
Proben und Spruch und Marter
Sah es in diesem Knaben;
Haß lag da, nicht begraben
Nicht gesprochen, - verhehlt;
Wie ein Feuer, das schwehlt
Und harrt herauszubrechen:
Er starb, konnte er nicht rächen.
An dem Vetter Hardwine
Haßte er Haltung und Miene
Gelassen und gemessen
Und gleichen Mut, um dessen
Willen ihn alle lobten
Und an ihm andre probten,
Daß er ihr Muster wäre
Und Bild höfischer Lehre.
Das verzieh Durant nicht
Und hieß ihn ins Gesicht
Daß erlernte Geberde
Im Gleißner Lüge werde;
Und so blieb er ihm gram.
Diese Unsitte kam
Nicht aus häßlichem Herzen
Sondern mit strengen Schmerzen
Lag die Welt auf dem jungen,
Mit der er schon gerungen
Da seines Gleichen spielten.
All seine Dränge zielten
Mit zu weit und zu viel
Auf ein äußerstes Ziel
Und stießen ihn im Krämpfe,
Immer mit sich im Kampfe.
Also war all sein Adel
Überwildert vom Tadel,
Daß er das Maß nicht hatte, -
Nicht das höfische und glatte,
Sondern in sich das Maß
Das noch keiner besaß
Durch Meister noch durch Schulen,
Man kann es nicht erbuhlen;
Ders nicht mochte im Blute erben,
Muß es lebend erwerben
Oder er wird verderben.

Was ritterlichen Mann
Ehren und zieren kann
Tat ihm sonst nicht gebrechen:
Fechten Reiten und Stechen.
Welschen Griechen und Heiden
Konnte er triftig bescheiden
In ihrer eigenen Zungen.
Wissenschaft die den Jungen
Männern ansteht zu haben
Hatten den jungen Knaben
Meister gelehrt mit Fleiße
Danach zog ihn so heiße
Inbrunst wie denn zu allen
Dingen, die sein Gefallen
Und seine Seele entbrannten
Und den Bogen so spannten,
Daß die Pfeile nicht flogen:
Eher barst ihm der Bogen.
Bei den Meistern die ihn
Lehreten und Hardwin
War da ein räudig Schaf
Den Gräfin und der Graf
Nicht eben gerne litten.
Er war schändlicher Sitten
Aber klug und gefällig
Und als Kanzler anstellig
Im Regiment des Herrn.
Den sah Durant zu gern
Und hing an seinen Lippen;
Warneten ihn die Sippen
Und hießen ihn die beiden,
Lehre und Mann, unterscheiden
Daß er nach jener trachte
Aber diesen verachte,
Wie Hardwine gelang
Der eine Stunde lang
Diesen Donatus ehrte
Und sich dann von ihm kehrte
Wie von Knechten und Tieren, -
So grollte Durant ihren
Mahnungen und nur wilder
Rissen ihn Dinge und Bilder
Geheimnisse und Gesichte
Zum weisen bösen Wichte
Damit der viel Geschickte
Ihn in die Welt verstrickte.
Glücklich war er drum nicht
Es zog ihn zwischen Licht
Und dem finstern ins Wüste
Drin er jeden Tag büßte
Was er jeden Tag sehnte;
Sein junges Herz zerdehnte
Eine Liebe wie Haß,
Ein Hassen wie etwas,
Das mit Liebe den Sinn
Teilete: »Ich hasse, ich bin«
Wie »Ich bin, weil ich liebe«
So im dumpfen Getriebe
Der Mächte die ihn hatten
Schlug er sich mit den Schatten.

Dem Grafen kam von statten
Daß die Heiden Tagsatzung
Hielten und Krieg und Schätzung
Berieten gegen Christen.
Er erfuhr von den Listen
Und bot auf den Heerbann.
Ihm schien, dem jungen Mann
Wäre bessers von Nöten
Als sich selber zu töten
Mit Grillen und mit Grollen.
Ihm galt Leben im Vollen
In die Welt greifen, nützen
Strafen, lenken und schützen,
Am argen Tag vertragen
Und am guten zuschlagen.
Er sprach zu Durant: »Vetter,
Es ziehet sich bös Wetter
Zu uns herein aus Morgen.
Wie die Schiffleute sorgen,
Wenn der Wind herumfliegt,
Daß das Segel gut liegt
Und die Taue nicht hadern -
- Stehn wir hier gleich auf Quadern
Und haben statt der Maste
Türme über dem Palaste,
So ists doch an der Stunde,
Daß sich hier keiner funde
Der sein Geschäft nicht wisse,
Eh ihn die Finsternisse
Des Heidensturms ersticken
Und gute Türme knicken
Gleich als wären sie Holz.
Du bist tapfer und stolz
Heiles Herz, heil Gebeine.
Wenn Du wiederkommst, meine
Ich Dir Schwert zu verleihen.
Dann tanz ich selbst den Reihen. -
Du führst mit meinem Schwäher
Isenbrande die Späher
Die morgen früh beizeiten
Gegen Alfusa reiten;
Wetz aus die alte Scharte;
Du hast viel Widerparte
In Dir, die keine seind.
Jung Blut braucht derben Feind.
Junger Grimm braucht den Brocken,
Daß die Zähne nicht stocken,
Die auf einander wetzen:
Ich will ein Ziel Dir setzen
Das ritterlichem Knaben
Besser taugt, als sich haben
Mit Byzantiner Schelme.
Hätt ich ihn von Anselme
Nicht her ins Land bekommen
Und tat er mir nicht frommen
Mit Klauseln und Pitschiere,
Ich hielte lieber Tiere
Bei Knaben und bei Frauen
Als den Pfeifer, den grauen
Aller Ehren Verletzer
Schöneredner und Ketzer.
Fahr nicht auf, junges Blut.
Du bist in meiner Hut
Und ich laß Dirs hingehen,
Weil ich Dein Herz gesehen
Und weiß Gott, es ist lauter.
Doch soll nicht Dein Vertrauter
Sein, den ich weiß in Sünden.
Du magsts heut nicht ergründen
Geh beizeiten zur Ruh.
Morgen früh reitest Du.«
Durant gab ihm zurück:
»Vetter dies ist ein Glück
Daß ich darf diese Reise.
Ihr seid edel und weise
Und ich nehms von Euch hin
Was mir so durch den Sinn
Andere nicht dürften queren.
Donat weiß nicht von Ehren
Doch was in der Welt ist,
Keines weiß, Ihr nicht wißt,
Was in Menschen und Wesen
Sich birgt, hat er gelesen
Und er macht es mich kennen.
Ich kann an ihm nichts trennen:
Aus unten und aus oben
Ist er in Eins gewoben.
Ich lern es noch beizeiten
Daß ein Ding hat zwei Seiten
Wie man den Mantel trage. -
Vetter gönnt mir die Frage:
Was wollt Ihr mit Hardwin?
Wohin bietet Ihr ihn?
Es taugt nicht daß im Trosse
Wir reiten Roß an Rosse,
Wir sind gleich außer Richt;
Mein Pferd leidet seins nicht.«

Dem Grafen schwoll die Ader:
»Diesen kindischen Hader
Habt Ihr vor mir zu hehlen!
Mir steht an zu befehlen
Daß man m i r Rede steh!
Tu ichs nicht - keiner je
Bringe mir solche Frage,
Es sei denn, daß er klage.
Bringst du Klage vor mich?«
Durant schwieg und erblich.
Der Graf hat es erwogen:
»Vetter, kein ungezogen
Wort mehr aus edlem Munde.
Du weißt Dein Ziel und Stunde.
Fahr hin mit Gott im Bunde.«

Sie ritten gen die Mark
Zwanzig Reisige stark
Durch den Sand sieben Meilen.
Sie hatten unter Weilen
Gute und Schalksrede auch,
Wies bei Kriegsleuten Brauch,
Voller Lotter schandbar.
Manchen Tag und manch Jahr
Hauseten diese Knechte
Nach Sarazenen Rechte
Mit heidenischen Weibern.
Man sahs an ihren Leibern
Ohrenringen und Locken
Man fings aus ihren Brocken
Und sahs an ihren Sitten;
Frankengeblüt in mitten
Der Heiden kann nicht taugen:
Was frommen lichte Augen
Wenn die Seele verwelschet
Und ihren Sinn verfälschet? -
Der Glast begann zu pochen;
Müder die Rosse krochen
Durch das staubige gleich Krebsen.
Sie schwatzten fort von Kebsen
Boten Streich wider Streich
List auf List und sogleich
Strich ein jeder heraus
Sein eigen Frauenhaus,
Darob die andern lachten
Und grobe Schwanke machten,
Daß der Hauptmann, Isbrand,
Der ihr Wort wohl verstand,
Es hin zu Durant raunte, -
Aber gleich sich erstaunte
Daß des Jungherrn Gesicht
Nicht zuckte und lachte nicht
Sondern bleich und mit Schärfe
Und überstrengter Nerve
Ausblickte als ob der Toren
Schwatzen an ihm verloren
Er schwieg und sah ihn an;
Da deuchte es ihn, ein Mann
Ränge sich aus dem Knaben,
Der so lang drin begraben:
Nicht so stark war vorhin
Die Nase und nicht das Kinn
So gewaltig geschoben;
Die Pupillen nicht droben
So glühend unter Brauen
Fremd war der Mund zu schauen
Lang in Lippen gekniffen:
Er hatte nicht begriffen
Daß Durant Schritt um Schritt
Gegen sein Ewiges ritt
Das aus Brand vor ihm tauchte
Und Schicksal auf ihn hauchte
Und hinten glomm und rauchte.

Doch war für so inbrünstig
Leben die Frist nicht günstig;
Kaum an der Landschaft
Bann Fielen Heiden sie an
Schon von weitem mit Pfeilen.
Sie mußten rückwärts eilen
Und fielen alsobald
In neuen Hinterhalt,
Dessen sie sich mit Schwerten
Übermächtig erwehrten,
Daß die Meisten erschlagen
Blieben; doch fing am Kragen
Ihren Hauptmann Durant
Und hätt ihn schon durchrannt,
Wenn nicht der listige Heiden
Ihn mit Händen und Eiden
Um sein Leben gebeten.
Durant hieß ihn forttreten
Und ihm den Stahl abfodern.
Das tut er, und ihm lodern
In dem häßlichen Fratze
Die Augen unterm Glatze.
Leider, er blieb zu Pferd;
Sonst hätt man ihm gewehrt,
Daß er dem, der ihn schonte
Heidnisch vergalt und lohnte:
Im Reiten stieß der Molch
Einen heimlichen Dolch
Durant in seinen Rücken
Und mit den gleichen Tücken
Spornt ers Roß in den Flanken,
Und war den müden Franken
Außer Sicht und Gedanken.

War gleich nicht tief die Schrunde
Des Meuchlers, doch die Wunde
Manches tapfren Gesellen
Ließ sie die Rosse stellen
Auf eine andre Fährte:
Herr Isenbrand begehrte
Südwärts statt nach Edessen;
Dort war näher gesessen
In der Burg zu Feitun
Ein andrer Gräfe, Brun
Von Fenis, ein gestrenger
Herr, geheißen der Hänger,
Weil ihm von Heidenbalgen
Nie sich leerten die Galgen.
Dahin strebte der Troß
Als auf einmal das Roß
Durants witterte und blies
Und den Reitenden stieß,
Und ein Wiehern von weiten
Kam und Schnauben und Schreiten:
Fähnlein um Fähnlein trafen
Bald zusammen, des Grafen
Sohn Hardwin war Hauptmann;
Plaudernd ritt er heran
Mit dem heidnischen Hunde
Der Durant schlug die Wunde.
Der war, schon dort gefangen
Nochmals ins Garn gegangen.

Durant wollt ihm zu Leibe
Daß ers nicht wiederum treibe,
Und hinter ihm die Knechte
Heischten ihn sich nach Rechte.
Hardwin war andern Sinnes:
Nicht um Zolls noch Gewinnes
Willen - der schnöde Zwitter
Habe, sprach er, als Ritter
Ritterlich sich ergeben;
Man müsse ihm ehrlich Leben
Und ritterlich Gewahrsam
Lassen, - und war nicht sparsam
Mit Sprüchen aus dem Grale
Feirefiß, Parsivale
Und den Helden der Runde;
Und so mit glattem Munde
Sprach er höfisch und klüglich
Daß man ihn hätte füglich
Wie er tat stehn und treten
Können tun in Tapeten
Drauf mit Hündlein und Rosen
Hofleute und Fräulein kosen, -
Als war nicht Wüstenbrand
Da und mörderischer Sand
Und Landsleute in dem Blute
Und als wäre der gute
Feirefiß jener Hund,
Und sein Vetter nicht wund.
Durant hörte mit Grimme
Die wohlbemessene Stimme
Sah von sauberem Tuche
Das Kleid, weil nach dem Buche
Und dem Hofe und mit Züchten
Kindisch, nur nach Gerüchten,
Sein Sippenmann ihn büßte
Und die Galle versüßte
Mit sittigen kühlen Worten:
Sein Haß brach durch die Pforten
Sein Volk schrie er heran:
»Zu mir her jeder Mann!«
Und da Hardwin schon zückte
Nach dem Eisen, so drückte
Er ihm nieder die Hand,
Griff ihn aus Sattels Rand
Und schlug ihn unritterlich
Vom Rosse, würgte ihn bitterlich
Und zerschlug ihm mit Knöcheln
Den Backen, bis das Röcheln
Ihn brachte zu Gedanken.
Keiner von allen Franken
Wollt - auch Isbrand - ins Mittel
Treten, - so war der Krittel
Und die Weisheit des Toren
Schal in ihr aller Ohren,
Sie machten sich mit Waffen
An dem Meuchler zu schaffen
Und scharrten ihm die Grube.
Isbrand dachte: »Kein Bube
Bin ich, und soll mit nichten
Zwischen zwei Buben schlichten.
Wes das Amt ist, soll richten.«

Durant fand sich da ruhn
Gebettet zu Feitun
In der Burg jenes Grafen.
Hatte er so lang geschlafen
Oder legen im Fieber?
Keines war ihm das lieber.
Er hatte nicht gesehen
Was nach jenem geschehen:
Wie das Tuch auf der Wunden
Sich verschob, das verbunden
Ihm das Blut, und er fiel.
Ihn und sein Haßgespiel
Hardwin, der übel schaute,
Hatten Knechte vertraute
Denens Isbrand befahl
Gebettet in dem Saal
Wo ander Wunde lagen,
Denn ein ewiges Schlagen
Mit der Heiden Erstarken
War da in Brünes Marken.
All das wußte Durant
Nicht und griff und verstand
Nur schwer wies so gekommen.
Wund und tiefer benommen
Schlief er wieder und schlief
Nicht mehr und hörte tief
Im Schlafe als obs ihn rief.

Eine Frau sah er drinnen
Die ging mit Dienerinnen.
Von unsäglichem Regen
An ihr und sich Bewegen
Ward in ihm ein Erklingen
Und Erschüttern, ein Singen
Und ein Brausen, ein Wanken
Und ein Weinen und Danken.
Er ward in sich zum Kind -
Er sah, da war er blind
Er hörte und war da taub.
Völlig bebend wie Laub
Und im Finstern doch selig
Lag er und sah allmählich
Durch Finster solch ein Licht -
Irdisches war so nicht.
Da sah er ihr Gesicht.

Zugleich wankte der Saal.
Durchs Gewölk schlug ein Strahl
Halb aus Schatten, halb golden
Halb gelb von Rosendolden,
Drin von Glanz halb verklärt
Stand ein Geist und sein Schwert
Und sein Pfeil und sein Brand.
Bei der Frau so nah stand
Sein Fuß, daß er verschwebte,
Er leblos, sie Belebte
Durch ein ander erschienen;
Tiefste Wonne der Mienen
Aller Welt tiefste Trauer -
Wie ein Blitz war die Dauer
Wie ein Donner der Strahl.
Durant schlief noch einmal
Und erwachte dann wieder.
Die Frau sah zu ihm nieder.

Er sah, daß kranke Glieder
Der Siechen wie mit Marke
Neu erquicket als Starke
Sich von den Kissen schwangen,
Wo die Frau war gegangen.
Sie zog, die wie in Ketten
Lagen, von ihren Betten
Mit der Augen Anblicke,
Der war stärker als Stricke.
Fiebermienen, die gelben,
Deuchten ihn nicht dieselben,
Böse Mienen und freche
Waren verschönt zu Schwäche
Und zu heimlicher Scham,
Wo sie die Straße nahm.
Es brach in seinem Herzen
Mit bitter süßen Schmerzen
Alles auf, was an Qual
Und Verschließung zumal
Sich darinnen verklammert,
Und was ihn nie gejammert,
Ward als Reue in ihm rein
Wühlte durch sein Gebein
Und war dennoch nicht Pein.

Die Frau war lang von hinnen.
Völlig war er bei Sinnen
Als er vom Lager sprang
Und mit eilendem Gang
Ging bis er Hardwin fände.
Er faltete ihm die Hände
Und sprach »Bruder, vergieb«.
Der Zerschlagene sprach: »Dieb,
Findelbalg, Mörder, Luder -
Such Du Dir andern Bruder!«
Durant lächelte ihm zu
Und sagte: »Bruder, Du
Und was sonst man mir tu
Ist nichts. Vergieb. Ich habe
Alle Welt, alle Gabe.«
»Nämlich, Du hast das Fieber.«
»Ich habe lieb - und lieber
Eben Dich eben nun
Als die mir Gutes tun.
Nichts hab ich Dir zu geben
Als, wenn Du willst, mein Leben.«
»Das soll der Vater richten;
Ich verschweigs ihm mit nichten,
Legst Du Dich auch aufs Bitten.«
Durant lachte inmitten
Solcher Rede so leise,
Daß der Tore fast weise
Von dem Anblicke ward.
Er sah des Vetters Art
Bis auf den Grund verwandelt
Und der ihn so mißhandelt
Furchtlos neben ihm stehn;
Er murrte »Du magst gehn.«
Durant ging von ihm nicht
Sein durchlauchtig Gesicht
Rang mit so heißer Wehmut,
Leidenschaftlicher Demut
Um das irdische Herz
Das der Vetter wie Schmerz
Und Weinerliches spürte
Als der Stehnde ihn rührte
Mit Kusse an seine Knie
Und sagte: »Bruder, sieh,
Also muß ichs; ich wußte
Nie daß ich etwas mußte,
Als bis heute. Vergieb.
Liebe. Ich habe lieb.«
Hardwins Hand sagte »Gieb«.

Da Durant da genesen
Mocht er nicht länger wesen
In des Grafen Palast.
Heimlich hin fuhr der Gast
Daß er spräche den Alten.
Was sie Zwiesprach gehalten
Hat kein Mensch je vernommen
Und ist von Munde kommen
Keinem von jenen Beiden.
Freundlich gut war das Scheiden
Vom Grafen und der Frauen.
Lang tätens ihm nachschauen
Donatus ging selbzweit
Mit ihm als sein Geleit
Des Weges eine Strecke.
Es deckt die gleiche Decke
Schweigens ihre Zwiesprach.
Wo die Straße sich brach
Lagen sie sich in Armen.
Voll von tiefem Erbarmen
Ging der Meister zurücke;
Er sah der Welten Stücke
In ein Feuer geschmolzen
Und kannte wohl den Bolzen
Der das Feuer gezündet
Und den Glutring gerundet.
Durant fuhr da von hinnen
Den Landvogt zu gewinnen
In der Stadt Antiochie
Er fiel auf seine Knie
Sagte Namen und Art
Und seines Vaters Fahrt
Und wie er abgestammt
Und bat um Schildesamt
Gern nahm der Landgraf an
Zu Dienste willigen Mann,
Wundersam anzusehen;
Er gab ihm Geld und Lehen
In der Marke zu Nun;
Die war nächst bei Feitun;
Nun wollt er nimmer ruhn.

Der Sturm war in ihm auf
Und Verwandlung; sein Lauf
Hub hier erst an; zurücke
Ließ er Gut und ließ Glücke
Stücke Stücke und Stücke
Vor ihm war die Welt ganz
Gott auf Erden ein Glanz
Enden und Anbeginne
Verluste und Gewinne
Ein einziges in der Minne.

Von ungeheurer Stärke,
Ein heidenisches Werke,
Von düster Glut umstürmet
Zehnmal im Eck getürmet
Wie mit zehn Geierhälsen,
In eisenfarbenen Felsen
Eisenfarben verschlackt,
Und mit zehn Bögen nackt
Wie Klammern schräg verstemmt, -
Tötlich, brach, ein wildfremd
Steingespenst, nur für Waffen
Und für Wehre geschaffen
Und gewaltiges Tun -
So die Einödburg Nun
Sahn Durant und die Seinen
An Sandes Saume erscheinen. -
Was die Schildknechte grollten,
Die darin hausen sollten
Wie die Heersitte war,
Und vor dem halben Jahr
Fluchend in Finger schneuzten
Ausspieen und sich bekreuzten, -
Und wie da nicht zum Guten
Half bei den Zorngemuten
Sondern mit schalt der Münnich
(Den drum weil er abtrünnig
Und ein Loser, vom Hof
Der Eiserne Bischof
In die Bußefahrt bannte
Dem Gesinde und Durante
Einödmessen zu lesen)
All dies polternde Wesen
Und Stotzigtun der blöden
Weltkinder in der Oeden,
- Durant focht es nicht an.
Halb Knabe und halb ein Mann
Sah er die wüste Mauer
Ohne Lust, ohne Schauer,
Ohne Wort. Und was drum,
Ob ein Stein schlicht, ob krumm
Roh oder blank von Tünche;
Ob zur Statt einem Münche
Geziemlich oder minder?
Ihm galts als zankten Kinder.
Zu verteilen die Ämter
Saß er im kahlen Remter
Als wärs ein Hochzeitssaal;
Er sah nicht schnöd noch kahl,
Prüfte nicht Tisch noch Bette.
Dräun und Grausen der Stätte,
Was in Scharten und Fenster
Hockte und sich wie Gespenster
Stumm von draus hereinschob
Wo Mittag schnob und wob,
Oder spät allenthalben
Mitternachtsschrei der Alben
Die kommen, Blut zu saugen -
Ihm verwies sichs vor Augen
Und Ohr und allen Sinnen,
Und verfing ihn nicht innen.
Innen blühte er so reich -
Dagegen galt ihm gleich
Armselig, ob in Fache
Unter Königes Dache
Oder zwischen vier Wänden
Stehn an Christenheit Enden.
Innen war er mit Licht
So satt - er konnte nicht
Sehn, daß Dunkel sei dunkel.
Man kann nicht mit dem Funkel
Den Stahl an Steine schlägt
Einen, der Lampen trägt,
Und drein schaut, noch erhellen
Und man kann ihm das Quellen
Des Lichts auch nicht verkümmern,
Ob man aus finstren Zimmern
Fenster auf ihn auftut.
Gefeit durch Innenglut
Unwissend war er Meister
Des Drauß, denn voller Geister
Schwärmte es in ihm auf Leitern,
Niederwärts immer breitern,
Aufwärts engern und engern
Und von heiligen Drängern
Vollren, die den Genossen
Eimer Lichtes zugossen,
Daß es floß und floß weiter
Und stieg und stieg die Leiter
Wie das Schöpfrad der Mühle.
Innen trieb sein Gefühle
Ein Werk, davon vollkommen
Seine Sinne benommen
Beschaffenheit von Dingen
Und Stoffen übergingen,
Und sie, wie sie da kamen,
Stäten Blickes hinnahmen
Wie ein fremdes Geschlecht:
Es war - so war es recht;
Es schien - so mochte es scheinen
Er verfing in dem Einen
Das kein Stoff war, und auch
Kein Ding, sondern ein Hauch,
Den bloß nennen die Zunge
Schon schlug mit Lästerunge -
Den im Arme zu schränken
Todsünde, nicht zu denken,
Wäre und Wahnsinn gewesen
Und mäße unirdisch Wesen
Nach dem irdischen Brauche.
Er glühte Hauch dem Hauche,
Wiederschein der Erscheinung,
Leidenschaftliche Einung,
Die nichts weiß von Erwerbe:
So trat er aus dem Erbe
Adams, Genuß und Geiz
In das lohe Jenseits
Der Minne, und tat den Schritt
Der all sein Schicksal mit
Überschwang in die Schwebe:
Er hub mit dieser Hebe
Sich aus der Notdurft Angel:
Frei von Fülle wie Mangel
Überreich in Entbehrung
Übersatt in Verzehrung
Wog er gleich, was verderblich,
Rang, nach was unerwerblich
War bei Gott und unsterblich.

Anders war er nicht träumig
Noch des zu walten säumig
Drum man ihn hin gesandt.
Krieg hing über das Land,
List grub unter der Mauer
Untreu lag in der Lauer
Und spann den Hinterhalt.
Gütlich und mit Gewalt
Brachte Schilddienst und Frohnde
Noch vor dem vollen Monde
Die verdrossenen Franken
Von feiglichen Gedanken
Zu beherzterem Mute.
Auf der Ringmaur die Hute,
Und einsamere Wache
Fern der Burg in der Blache
Oder verhehlt auf Warten
Und was ander Kriegsarten
Solchen Feinden anstehn,
Da zu hieß Durant sehen.
Ihm selbe auf heißen Streifen
Stand taglang im Stegreifen
Selten stille der Fuß.
Mit Sand und Panzerruß
Wusch er oft Blut vom Leibe.
Nicht wol nach Zeitvertreibe
Stand der Laufte Gesicht
Und stand auch Durant nicht
Weder Seele noch Sinne.
Nicht allein, daß die Minne
In ihm hart wie mit Gerten
Ihn trieb, sich in die Härten
Zu betten für das Süße
Dessen schwelgende Flüsse
Ihm das Innerste tauten,
Und das singende Lauten,
Den sehnsüchtigen Schall,
Immer neu durch den Prall
Gegen Welt auszuwiegen
Um nicht gar zu erliegen
Und als einer der Feigen
Das unsägliche Neigen
Jener vollkommenen Mienen
Endlich nicht zu verdienen -
Sondern, ein dem verwandtes
Ihm vordem nicht erkanntes
Neues Jäher-Erglühn
Wetzte ihn schärfer, und kühn,
Und der Mühsale selig:
Im Streit hatte ihn ein wählig
Roß heidenischer Beute
Wie ers auch spornte und bläute
Weit vom Fähnlein verbracht.
Er allein gegen Acht
Stritt mit solchen Schwertstreichen,
Daß die Heiden ins Weichen
Kamen vor einem Mann,
Und er wund kam von dann.
Müde auf den Tod vom Strauß
Fand er ein Brunnenhaus
Wie die Heiden es pflegen
Ihren Heiligen und Degen
Mit Steine zu erwölben;
Da sah er in dem selben
Quell und Fassung verfallen
Und trübe ein Rinsel wallen
Durch die Trümmer, ergraben
Voll heidnischer Buchstaben.
Die Rinne räumt er rein:
Hiebei schnitt ihm ein Stein
Vermeintlich, in den Ballen.
Er griff zu, - und ließ fallen
Und knieete, tief in Leide:
Ein uralt Kreuzgeschmeide
War legen da, verschüttet
Und vom Schnöden zerrüttet:
Er sah, was Kreuzfahrt meinte, -
Reinen das verunreinte;
Blieb nachts betend und weinte.

Daheime, da Tag ward
Rief er den Mönch, Bernard
Und sprach so: »Mit Vergunst,
Ich bedarf Eurer Kunst:
Ich hab Euch eh gesehen
Mit der Nadel umgehen
Trotz Mägden in dem Gaden.
Uns sind Öhre und Faden
In unserm Orden fremde.
Wollet mir dies aufs Hemde
Mit starken Stichen heften;
Ich will es Euch nach Kräften,
Wenn ein wehrhafter Mann
Euch von nutz ist, etwan
Gelten mit Stich für Stich.«

Voll Neugier der Münnich
Langte nach dem Geschmeide,
Ob er sein Aug dran weide,
Und sahs spanig und blutig;
Mit dem Finger mißmutig
Schob er sichs übern Daum,
Als wärs ein Nestel, kaum
Wert, es nahe zu sehen,
Und sprach: »Sitzt, ich wills nähen.«

Durant saß und blickt auf.
Der Mönch mit manchem Schnauf
Und Ach zog eine Büchse
Unter der linken Üchse
Aus dem Ärmel der Kutten,
Die mit Golde und Perlmutten
Und Elfenbein geschnitten
Frau Venus wies, die mitten
Ihren Liebgöttern inne
Pfeile schoß; da stand »Minne«.
Er wischte dran und blies
Riebs am Ärmel und ließ
Es halb sehn und halb nicht.
Durant hing das Gesicht
Und verwand einen Tadel.
Der Mönch zog sich die Nadel
Aus dem losen Buhltand,
Und halb seufzend Durant
Hielt ers hin; doch kaum reckte
Der den Finger, so schreckte
Bernard weg: - »Nicht ums Grab!
Wüßtet Ihr wer mirs gab!
Ich schwur ihrs in der Kammer -«
Da klang ein scharfer Jammer
Auf den Estrich; vom Zücken
Gefallen war zu Stücken
Das Kreuz, das auf den groben
Steintisch der Mönch geschoben
Und nicht sah, - ungestalt
Wars, und schwarz, wie Basalt.

Durant tat sich Gewalt,
Hobs knieend, und die Hände
Faltend dachte er »Und schände
Dich, der nach Dir sich nennet,
Mich hast Du Dir entbrennet.
Laß sie den Mist nur putzen,
Dessen Namen beschmutzen
Die gewaltigen Namen.
Erfeilschen und erkramen
Das Selige kann kein Dieb.
Feiges stiehlt er. Vergib
Diesem Blut der Verräter,
Die wie früher so später
Nicht wissen was sie tun
Von Golgatha bis Nun.«

Vor dem knieenden Degen
Spreizte der Mönch verlegen;
Doch da stachs ihm den Star;
»Verhüte Gott, dies war
Doch derer keins, die Wunder
Tun, daß Ihr es jetzunder
Anbetet auf dem Knie?« -
Durant sprach: »Wie ein Vieh
Denkt Ihr, und mit dem Messer
Euch antworten war besser.
Steht auf und laßt dies Quarren
Mit Latein; solche Narren
Wie Ihrs wart, sind genehmer
Dem Kreuze als solch bequemer
Gleißner, wie Ihr nun seid,
Der mit Beten entweiht.
Steht auf, und nähet da.«
»Das zersprungene?« »Ja.«
»Auf mir stückets zusammen«
Und sprach mit wilden Flammen:
»Muß, was ein Wunder ist
In sich selbst, Kreuze, Christ,
Minne, denn vor Euch Kindern
Statt hellren, immer blindern
Statt weisern immer taubern
Täglich Unflat verzaubern,
Statt am Ewigen zu handeln
Und Euch in Euch zu wandeln ?
Daß Euch Gnade gleich welkt
Die Ihr nicht täglich melkt
Wie die Geiß in dem Stalle ?
Löste Euch vom Sündenfalle
Der Eine Dreier Namen
Bloß um Stoff umzukramen,
Oder Seelen zu neuern?
Daß Ihr, wenn er in Euern
Sachen nicht Wunder wirkt,
Ihn achtet als verwirkt,
Ja fast wiedrum bespieet?
Kniet Ihr nur wie man knieet
Vor Henkern, für sein Leben,
Und niemals durch Erbeben
Daß Euch hinreißt und wirft
Ohne daß Ihrs bedürft?
Ist nichts in Euch bestimmt
Daß es Wunder vernimmt
Wo Wunder an Eur eigen
Gemüt pocht, einzusteigen
In sein Heiliges? Im Strauchwerk
Braucht die Rose noch Rauchwerk
Daß wer drein strich und steckte
Weil sonst Eur Keines schmeckte
Wildes Süß das sie gibt?
Gab Dir, die Dich geliebt,
Deine Buhlin im Kusse
Honig zum Überflusse
Mit Munde an Deinen Mund?
Bist Du ganz fühllos, Hund!
« Der Mönch lachte und nähte.
»Wenn Gott so hitzig täte
Wie manch junger Geselle,
Enge wäre die Hölle
Und leer das Paradeise.«
»Warum fuhrt Ihr die Reise«
Sprach mit Maße Durant
»Her in des Herren Land?
Bliebt Ihr nicht besser heime
Und sänget Euer Reime
Und wart Fürsten und Frauen
Und den Bauren in Gauen
Zu Kurzweil wert und teuer?
Und steigt durch diese Feuer?«
»Da floh ich Frauen Zorn
Die den Tod mir geschworn
Wenn mich irgend in Landen
Ihre Boten wo fanden;
Der hatt' ich« - »Laßt es sein,«
Durant glühte und fiel ein
Ins Wort, »nicht darum fragt ichs.
Und mehr denn fragte, klagt ichs
Und habs ein Recht zu klagen,
Nicht mit Schelte Euch zu plagen - -
Euch bin ich zwanzigjährig:
Euch zu schelten wer wär ich
Oder Euch zu verzeihen ?
Ihr habt vierzig und Weihen
Und kommt von Occitane
Zur gekreuzigten Fahne,
Aus dem schönen Baumgarten
Der Welt und aus Lamparten,
Davon mein Meister mir
Wunder gerühmet, hier
Zu den dorrenden Lüften
Über den bittren Grüften
Wo seit dem Kreuze kaum
Getrieben einen Baum
Aus Steinhaufen und Sand
Das arme reine Land,
Wo der Feind und der Christ
Auf dem Berge noch ist
Wie in des Buches Zeiten
Und vor den Herrlichkeiten
Der Welt Reichen und Dingen
Noch mit einander ringen,
Und der Feind ist sehr stark -
Äußerste Leidens Mark
Der Christenheit, ein Grab
Voll Gräber, auf und ab,
In einem tausendteilig
Und zehntausendmal heilig - -
Bis gestern, mir zur Schmach,
Wüßt ichs nicht, und sprachs nach
Wie mans gemeinhin schwätzet,
Und ich erfuhr es jetzet,
Bis in mein Mark, Erfahrung.
Nehmt die harte Gebahrung
Nicht ungut, Bruder, Tier,
Mensch, Erdenkind. Wie Ihr
Bin auch ich tief in Schulden, -
Und doch so heißer Hulden
Mir im Innern bewußt, -
Es zersprengt mir die Brust,
Darf es aus mir nicht fahren
Und sein Werk offenbaren:
Bruder«, auf sprang Durant
Und griff in das Gewand
Den Mönnich, daß er schrak:
»Morgen auf Pfingstentag
Reit Du auf Antiochie
Mit zur Messe: Da siehe
Um Dich: Was Du wirst sehn
Davor kann nichts bestehn
Was elend oder schmutzig
Niederträchtig, nichtsnutzig, -
Es wird edel und teure,
Wie alles Glut in Feure. -
Bruder, oh Provenzal,
Da ich zum ersten Mal
Der Heimat Dich gemahnte, -
Von dem, was da Dir ahnte,
Von dem Wort und Getön
Floß Dein Aug und ward schön
Aus Deiner armen Seele:
Alle andere Fehle,
Ist ja nichts, wenn Du sehnest:
Auf den Knieen Dich lehnest
Aus Dir ins Niebesessne
Nie verschmerzt Nievergessne,
Dir Verhängte: Benenn es,
Wie du dann wollest: Wenn es
In Dir nur wie dies Land ist,
Dar aus dein Leib verbannt ist,
Dessen Graf Du nie wirst
Noch warst, - - und dennoch birst
Dir die Wimper vom Salze
Der Reu, und lassest Pfalze
Und Reif dem Herrn, dem armen,
Du Reicherer, mit Erbarmen.
Thu Gemeines Dir ab:
So fühl es: Obs das Grab
Sei des Krist, - ob nach Eiden
Marter und Tod erleiden, -
Ob Kreuz, ob Herr, ob Weib - -
Fühl, wie aus Bild und Leib
Etwas Dich meint, das fernher
Wirkt, ein Erbeben sternher,
Wunder in Deine Niedrung, -
Und bebe dem Erwidrung
Mitten durch Bild und Bildnis,
Stoffes und Leibes Wildnis,
Drum Du dienst oder handelst
Und das Du gottgleich wandelst
Da dus gottwärts durchzückst.
Gieb den Kot, den du drückst,
Hier aus der Hand. Ich flehe
Dich drum an! oh, entstehe,
Sei frei! Wie Du gemeint bist,
Meine, - wie Du gereint bist
Reinige vor Dir her:
Was du rührst - meine mehr
Als was Du anrührst, sehne
Mehr als der oder jene
Dir geben könnte, ende
Nicht im Endlichen - schände
Nicht was in Dir unsterblich.
Sei nicht wohlfeil erwerblich.
Wirf die Büchse von Dir.
Nein, ich laß Dich nicht, hier,
Schmilz mir in Armen, grobes
Adams Kind, hier gelob es
Wahr, wie sonst eitel, büße
Den Huftritt Deiner Füße
Nach dem Kreuze, zerschmeiße
Das hürische Gegleiße
Auf der nämlichen Fliese.
Du fluchst beim Paradiese
Du beteuerst beim Grabe
Du wischest Gottes Gabe
Mit der Kutte in den Staub.
Du bist blind. Du bist taub.
Du bist irr. Jetzt Dich lassen
Hieße, ich müßte Dich hassen
Bis an unseren Tod
Als den Feind und den Kot,
Und ich will aber Dich
Und alles lieben. Sprich,
- Ah, nicht mit Worten. Handle
So daß Liebe Dich wandle,
Daß was sonst Wort und Spott ist
Brennt und eingreift, und Gott ist -
Das ist Minne. Es ist Eine.
So Eins wie Gott alleine.
Wirf den Unrat fort. Weine.«

Der Mönch rang in der Klammer
Des jungen, dem der Jammer
Und die Inbrunst, die tief
In ihm quoll, überlief,
Leidvoll und wonnevoll.
Er ächzte: »Ihr seid toll,
Laßt los, Ihr seid der Mann nicht
Mich zu büßen. Ich kann nicht,
Und will auch nicht. Laßt gehen.«
»So wahr Gott mir beistehen
Wolle in der letzten Stunde,
Den Du gleich einem Hunde
Dir bald lockst und bald trittst, -
So wahr, der mich durchblitzt,
Der Blick, der Gruß, die Miene
Der Frau, um die ich diene,
Durch mich handle und heile
Und von Hölle und von Geile
Seelen und Sinne fege,
So wahr in Dir sich rege
Nur ein Rühren, ein Beben,
Das wert sei, fortzuleben,
Nur ein gütlicher Brauch,
Nur ein getaufter Hauch
Den die sterbende Seele
In Gottes Hand befehle
So wahr wirf jetzt und hier
Diese Büchse von Dir.«
Bernard rang noch und rang
Sprach nicht, keuchte, verschlang
Wort und Fluch, wie bei Ringern
Der Brauch; in harten Fingern
Hielt das Kleinod sein Krampf.
Dann entschied diesen Kampf
Ein listiger Stoß, so jäher,
Daß man von Gauklern eher
Sichs versah, als von Pfaffen.
Dem Stürzenden fuhr zur Waffen
Die Hand, doch ließ gleich los.
Der Mönch sprang aus dem Stoß
Wie ein Hirsch nach der Tür:
Durant kam ihm zufür:
Er sprang, da wars ersprungen:
Beide Arme ausgeschwungen
Stand er, weiß wie sein Linnen
Den Türpfosten mitt innen,
Ohn ein Wort mehr zu sagen;
Der Mund war ihm verschlagen
Die Zunge ihm wie durchschnitten.
Er blickte letzte Bitten.
In den Mönch kam ein Wanken;
Halb lahm wie aus Gedanken
Hob er die schuldige Hand.
Durant trat von der Wand
Und sagte »Tu's; Dir graust,
Und es bricht Dir die Faust:
Das sind die Zeichen. Dort;
Aus dem Fenster. Wirfs fort.«
Der Mönnich sprang ans Fenster
Und schrie heulend: »Gespenster!
Christenleute zu Hülf!
Ein Unhold haust, ein Ülv
In dem Jungherrn! Ich bin...«
Durant stieß ihn an Kinn
Und Kragen aus. »Fahr hin!«

Also hatte die Welt
Gegen ihn aufgestellt
Die unrührbaren Schranken.
Reitend tief in Gedanken
Gegen Antiochie
Zur Pfingstenmesse, siehe,
Da sah er sich von weiten
Einen entgegen reiten,
Der an Roß und an Waffen
Ihm so ähnlich geschaffen,
Daß er stutzte und spähte;
Und der genüber täte
Wie er, hielt und blickte aus.
Durant fühlte es wie Graus,
Doch zwang ers und ritt zu;
Seinem Ich kam sein Du
Auf einen Speerwurf nahe.
Dort in der Öde sähe
Durant sich selbst, - nur breiter,
Älter, das Auge weiter,
Falten und Schatten tiefer,
Etwas hangend, als schlief er,
Oder grämte, oder träumte.
Durants Roß schnob und bäumte;
Als er wieder hinsah,
War der Andre nicht da
Und stand, da Durant kehrte
Nach links, quer zu der Fährte
Wieder wie eh, und nickt ihm;
Diesmal war es als stickt ihm
Ober der Kehle ein Pfeil.
Durant griff an den Teil
Seines Leibes, den gleichen,
Und griff das Kreuzeszeichen
Das nur eben gestückte,
Das der Ritt ihm verrückte,
Also daß ihm ein Hak
Gleichsam vom Halse stak
Wie ein Schuß in der Wunden.
Der Ander war verschwunden.
Tief ernst ritt er fürbaß;
Da von fern hub etwas
Jenen Schrei an zu schreien
Den in den Wüsteneien
Sich zu Beistands Behufen
Gefährdete zurufen.
Durant hielt hin und fand
Einen Menschen im Sand
Gekleidet in den Kittel
Armer Brüder vom Spittel.
Da bedeuchte ihn, so reinen
Und schönen hätt er keinen
Gekannt, und dennoch ahnts ihm
Beim Anblicke und gemahnts ihn
Eines Blickes, den er kannte.
»Saht Ihr wol« und ihn nannte
Der bei Namen, »von weiten
Einen Halswunden reiten?
Ihr gleicht ihm an Gestalt
So fast, daß ich ihn bald
In Euch zu sehn vermeinte.«
Durant nickte und neinte.
Da wußte er wunderlich
Jäh, wem der Bruder glich, -
Dem Geiste mit der Frauen,
Den er damals tat schauen,
Im Fieber zu Feitun,
Mit Schwert und Fackel, - nun
Sah er wieder das strenge
Lippenpaar und die Enge
Zwischen Brauen verdüstert.
Er sprach nur ein geflüstert
Wort und spornte sein Tier
Bis es, unter ihm schier
Verlechzend, Maur und Bronnen
Vor der Hochstadt gewonnen,
Und er sich niederschwang
Und nächst dem Maule trank
Unersättlichen Mundes.
Wieder da aus des Grundes
Tiefsten Tiefen betraf
Ihn sein Blick wie im Schlaf
Und dazu ebenfalls
Jener Hak, der im Hals
Wie ein Pfeilschaft ihm stak.
Kurz auf schrie er und schrak
Rücklings, und fiel schon über,
Und ihm schwand. Da vorüber
Glöckelte und trabt ein Zug
Der Herrn und Frauen trug.
Er sah, er sah genug.

Eh ers noch sich verhieß
Grüßte Adalais
Die Gräfin von Feitun
Den Burggrafen von Nun
Hinreitend mit dem Haupte. -
Eh ers selber noch glaubte
Scholl der Zug schon im Tore.
Eh der Ton ihm im Ohre
Erstarb, war er ein andrer.
Der gemarterte Wandrer
Im Tal der Spiegelungen,
Der Gelähmte der Zungen,
Beute schwerer Gedanken,
Eine Seele an den Schranken
Der notwendigen Welt - -
Wie ein Sonnenstrahl fällt
Und die Schatten versunken
Sind, also aufgetrunken
War sein Düster im Blenden,
Das ihm aller Welt Enden
In sein enges Herz sammelte
Übervoll, daß er stammelte
Und fehltrat und in Brust
Und Mund die schwere Lust
Mit den Händen erstickte,
Zu knien sich anschickte
Doch auch knieend genug
Seine Last noch nicht trug -
Er bog über und barg sich
Wie der Tote in den Sarg sich
Von der Stirn bis zur Zehen
Am Grunde, - nichts zu sehen,
Als das In-sich - zu fühlen
Nichts mehr, sich ein zu wühlen
Ewig in die Gebärde
Die nichts in ihm gefährde:
Sein Herz sank in die Erde.

Frühe vor Münsters Pforten,
Wo sich von aller Orten
Herrn und Gemeine drängten -
Da sie zumeist sich engten
Stand Durant, tief in Zagen,
Ob ihm wiederum tagen
Wolle dies Gnaden Licht:
Das Heiligtum schwamm dicht
Vorüber seinem Beben:
Maßlos, Adel auf Schweben,
Völlig in sich versunken,
Gold rieselnd, lohe Funken
Überall hin verschwendend,
Einbehalten doch spendend,
Spendend sichs nicht bewußt.
Es beklomm alle Brust
Aller Welt. Nach sah keiner.
Schuldig drehte sich einer
Zum andern und schlug wieder
Die schuldigen Augen nieder.
Es stieg aus allem Volke
Eine seelische Wolke
Steil in die Gottes Hände:
Wildeste Lebenswende
Wilder Herzen, Bekenntnis,
Zum Licht, ringend Geständnis,
Heimlich köstliche Reuung,
Tief zerrissne Erneuung
Und Flehn um stärkere Pröbnis;
Eid, Heimkehr, Angelöbnis,
Blinder Schwung, volles Sehnen,
Unvermutetes Dehnen
Auferwachender Seele,
Und Blick in eigene Fehle -
All dies Seelen-Festtägliche
Riß lautlos die Unsägliche
Durch ein Vorüberschreiten
Aus den steinernen Seiten
Der menschlichen Gefüge -
- Und daß ich dies nicht lüge
Und auch keinem nachschwätze,
Der ich die Worte setze
Einsam und Menschen satt
In der elenden Stadt
Volterra, wo ich, Schlechten
Verhaßt und von den Rechten
Fast vergessen, des beides
Nicht achte, und meines Leides
Als ein Mann mich erwehre
Im Blicke auf Sieben Meere
Und in mein eigenes Herz -
- Daß ich dies nicht in Scherz
Noch zu Dank einem Weibe
Sondern wahrhaftig schreibe,
Das zeugt in Finsternissen
Mir so wahr mein Gewissen
Als Gott verborgen bleibt
Ob was die Hand hier schreibt
Menschen Augen je lesen:
Ich bin selber gewesen
Da des Gleichen geschah;
Ich selber habe, da
Eine gangen war, Steine
Geküßt und am Weg Raine
Der sie kannte, gekniet,
Und wenn ich von ihr schied,
An dem nämlichen Orte,
Da ich eben mit Worte
Stand und Lächeln gelassen, -
Unmächtig, mich zu fassen,
Hände ringend gesessen.
All das Los weiß ich dessen,
Den diese Lohe spaltet
Und seiner Stoffe waltet
Wie das Wilde des Zahmen;
Und habe dieser Namen
Keinen unnütz geführt,
Seit der Schlag mich gerührt
Und im furchtbaren Strome
Reißend mir die Atome
Ein neu Herz auf zum Himmel
Warfen und das Gewimmel
Von dort in mich einbrachten;
Seit ich menschliches Trachten
Aus dem Herzen mir riß,
Weil Süße und Bitternis
Mir von mächtigern Dingen
Als einem Ja abhingen
Und sich hüben zu steigern
So hoch daß mir verweigern
Hätte dürfen kein Nein
Was mir gewähren kein
Frauen Schooß oder gönnen
Mir kein Mund hätte können, -
Hoch über dem Verwehrten,
Bei den Fasten-Verzehrten
Der ich dort einer worden,
Hab ich selbst, in dem Orden
Der von Brande Bewohnten
Unlohnbar nie gelohnten
Rechtlos in wilden Pflichten
In so völligten Gesichten
Das All durch mich entstehn
Das All in mir vergehn
Fühlen, und am Erleiden
Wie am Jubel mich weiden,
Daß was immer mir werde
Und was immer die Erde
Mir dräue und aufbehalte -
Ich aufblicke und ich falte
Hände über meinen Scheiteln. -
- Daß die edlen und eiteln
Wechselgriffe durchs All,
Fall, Unfall und Zufall,
Die den Sterblichen äffen,
Mich nicht wirklich betreffen,
Sondern fernab mir steigen
Und mir fallen, ein Reigen
Blühend aus allem Ringen -
Ja, daß bei letzten Dingen
Und der verlassenen Stunde,
Brechend aus goldenem Grunde
Durch mein finster Geschick,
Wird ein Bild und ein Blick
Groß mit Danken und Denken
Jene Sturmfahne schwenken
Davor birst das Gefängnis
Und wird Kühnheit aus Bängnis
Und Freiheit aus Verhängnis.

Menschenkind gieb die Hand,
Komm wieder zu Durant.
Es vergingen drei Jahr
Und Durant nahm noch wahr
Des Amtes an den Marken
Wie vor dem mit der starken
Hand und Seele in ein,
Daß über Land der Schein
Von ihm fuhr und der Schall
Und sein Name überall
Als des größten der Grafen
Den Menschen Augen trafen
Ruchbar ward, und ein Kranz
Goldes her aus Byzanz
Vom Reich an ihn gesendet
Nach Feitun kam. Hier endet
Und hier beginnt aufs neue
Die Kunde von der Treue
Durants zu jener Frauen.
Da er kam anzuschauen
Des Kaisers Angebinde
Fand er das Hofgesinde
Zu Feitun in Wehklagen.
Der Graf war heimgetragen
Tot aus heidnischer Fehde
Es starb allen die Rede
Und der Ton in dem Munde
Als, der sonst so gesunde
Und seinem Feinde schwer
Gelebt, zerhauen her
Ward geführet auf Bahren
Durant trat zu den Scharen,
Höret und ließ erzählen.
Dann that er sich befehlen
Der Dame und ritt heim.
In ihm war nicht ein Keim
Noch ein Korn noch ein Staub
Von Gedanken auf Raub
Oder Beute, die ärgern
Und listigem Verbergern
Wohl hätten mögen kommen.
Er ließ zu Toten Frommen
Seelmessen sieben sagen
Und behielt sein Betragen
Als wäre nichts geschehn
Ging die Frau niemals sehn
Und hielt Schild übers Lehn.

Anders dort war es nun
Beschaffen zu Feitun
Wo der Gräfin Verwandte
Und was sich da benannte
Nach dem erschlagnen Grafen
Einander ernstlich trafen
Zu beschließen, was ehe
Mit dem Lehen geschähe,
Das in tölpischen Händen
Christen Namen leicht schänden
Könnte und Heiden erfreun.
Sie kamens überein
Daß man die Witwenfraue
Alsobalde anvertraue
Einem edelen Manne
Der den Krieg nicht erst danne
Gen Heidenschaft erlernen
Müsse, und keinen fernen
Sondern eher den nahen.
Bessern sie da nicht sahen
Als Durant, dessen Minne
Die Welt war worden inne
Und da dies bei einander
Beschlossen ging selbander
Wer da Pfaffen und Laien
Vornehmster war zu freien
Erstlich bei jener Frauen
Denn fest ist besser bauen.
Sie warens schnell beschieden,
Es war der Wahl zufrieden
Dame Adalais
Und erlaubete und hieß
Die zween nach Nune fahren
Es Durant offenbaren.
Da Durant es erfuhr
Es war in der Natur
Kein Anblick fürchtevoller
Gräßlicher oder toller
Als der edele Graf
Als ihn die Botschaft traf.
Kaum daß er sich Gewalt
That, den Gast Aufenthalt
Den zween nicht zu verbittern.
Er gebot seinen Rittern
Ihnen freundlich zu sein
Er selber schloß sich ein
Und sprach der Frage »Nein«.

Bekümmert und betroffen
Und betrogen im Hoffen
Kehrten die Zweene um.
Die Fraue sprach: »Warum
Hat mich dieser verschmäht
Der mich in sein Gebet
Einzuschließen versprochen
Vor so wenigen Wochen?«
Anders sagte sie nicht
Es deuchte sie ihr Gesicht
Und Gestalt sei von Klage
Fremd, daß ihm mißbehage
Das ihm sonst wohl gefallen
Doch war vor Rittern allen
Ihr ein Schimpf angethan
Des sie sich nicht versahn,
Und die Pfleger und Kürer
Der Frauen und Anführer
Huben in nächster Woche
Beim Stuhl zu Antioche
Klage gegen Durant.
Der Herzog recht befand
Daß in so schweren Zeiten
Und gefährlichen Streiten
Keinem Ritter anstehe
Ein edel Weib zur Ehe
Ihm ziemlich angetragen
Unziemlich auszuschlagen.
Und gebot da und mußt es
Daß bei Strafe Verlustes
Lehens und Landesamtes
Das wie ein angestammtes
Durant schon hielt und trug
Ohne bösen Verzug
Der Frauen Mann zu werden.
Auch suchte man die werten Sippen
Durants mit Bitten
Nach gemeinen Welt Sitten
Heim und also gelang
Daß man den Edelen zwang
Wider Willen zu thun
Was ihm seit er in Nun
Amt trug, als bittre Sünde
Die man ärgerlich finde
Je und immer erschienen.
Mit verlorenen Mienen
Als erstieg er die Leiter
Zum Tod, ging der Hochzeiter
Seiner Qual da entgegen.
Baten sie Gottes Segen
So bat er Gottes Fluch,
Schwenkten sie Weiheruch
Um sein Haupt, in Gedank
Nahm ers für Höllen-Stank
Und abgründigen Brodem.
Lobten sie blauen Odem
Und die Sonne des Tags
Und die Wonne des Hags
Ihm wars alles wie Pest.
Er trank den wilden Rest
Seines süßen Getränkes.
Er hing in des Geschenkes
Brennend giftiger Flamme
Er wünschte seinem Stamme
Den Tod, da ihm die Guten
Von solcher Frauen Gluten
Edle Söhne verhießen.
Sein Aug wollt sich ergießen.
In einer Gartenlauben
Überflogen von Tauben
Und von Weine berankt
Und Blüten überschwankt
Ward den beiden gebettet.
Da saß wie angekettet
Schweigend der Edle da.
Die Frau, als sie da sah,
Daß sie ihm noch verschmechte
Meinte daß sie die Rechte
Nicht sei und trug es tief.
Sie lag da und entschlief
Und fuhr wild aus dem Traume
Von einem tollen Schaume
Auf ihrem Munde und harten
Griffen an ihre zarten
Lenden und ihre Brüste.
Eines Mannes Gelüste
War auf ihr wie ein Tier.
Ein Tier zerriß sie schier
Ein Unhold tat ihr wehe
Er zerschlug was zur Ehe
Sie zu binden gemeint
Was sie edel gereint,
Sudelt er ins Gemeinste.
Es bog sich da die Reinste
Aus dem gräßlichen Toben
Und befahl sich Dem oben
Vor Durant, der da feil
Machte und geil alles Heil.
Gott send ihm einen Pfeil
Mitten durch seine Kehle
Und walte seiner Seele.
Er ist noch an der Fahrt.

Dies schrieb Rudolf Borchardt
Da er sein Blut erlöste
Daß er die Seele tröste.


Der Durant 


(Bearbeitung des »epitomierten Schlusses«, 1935/36)

Menschen Kind, gib die Hand,
Komm wieder zu Durant.
Von seines Münsters Stufen
Hab ich Dich auf gerufen
Zu erhabenerer Zinnen, -
Mich mein selbst zu besinnen,
Dich Dein selbst zu gemahnen:
Aller Geschichten Bahnen
Die nur liefen in sich
Zurücke, und die nicht
Dich Beträfen im Naturen
Punkte, draus sie mir fuhren
Um uns zwei zu verbünden
Im Einen, drein sie münden -
Was sie auch seien, sie sind
Dir und mir Labyrinth:
Die Weile Dir zu kürzen,
So weder so zu schürzen
Einen buntfarbenen Faden,
Hab ich Dich nicht geladen
Noch wärs Dir an mir Recht:
Ich bin Durantes Knecht,
Und mein selber der Herre,
Der mir, ob es mir werre
Oder nicht, ob Dichs freut
Ob reut, also gebeut
Und nicht anders, als Sünden
Welt Lauf an ihm zu künden,
Und an ihm als den Gott
Was Welt Lauften ein Spott
Und Ungeist Welte Geistern.
Ding sind, Ding, die mich meistern,
Gewalt ist die mein waltet,
Bann, der so mich gestaltet,
Dass ich ihm zu Gleichnisse
Hier nachgestalte in Risse
Als wärs von ihm gestammt.
Nicht von Kunst hab ich Amt
Zu scheiden Minne und Ehe, -
Es geht um Wol und Wehe
Dies mein Richten und Scheiden,
Mit Zwang thun und Zwang leiden
Pflichten nach und nach Treuen,
Ohne Unvergunst zu scheuen
Noch abzusehn auf Gunst -
Wie sie nicht erbet Kunst
Sondern wie das ererben
Denen Leben und Sterben
An Banner hängt und Bilde
Dem man schwur unter Schilde,
Und hälts ohn Unterlass,
Werde ihm Liebe oder auch Hass.

Herz, vermöchtest du das!
Und wird, da ich dies dichte
Dir nicht der Mut zunichte,
Als wollt er Dir entfallen?
Dünkt nicht leer Worte Schallen
dies vom Banner und Bild
ihm der gottseinsam wild
wie ich aufsteigt zu Ritte, -
der nicht hat, den er bitte,
den er suchte, nie fand,
vor dem gebildet stand
nie tröstlich in die Fahnen
Heerzeichen, wie den Ahnen
Die nach Vorbilde ritten
Getrost all ihrer Bitten?
Denn gebeten muss sein,
Der Mensch mag nichts allein,
Bald betrifft es den Mann,
Dass er nicht weiter kann,
Den ein Fürsprech nicht stärke,
Wenn ihm verzagt am Werke;
Stünde ihm die Fahne leer
Und wäre er ohne ein Heer,
Wie gleich er ohne ein Bild ist -
Wenn ihms über ihm gewillt ist
Wird ihms nicht unterbleiben,
Er muss sich selber schreiben
Das Bild in sein Panier
Und ihm rufen >Hilf mir!<
Auf der Ewigkeit Stufen
Genug unangerufen,
Von der Welt ungebeten
Sind, verkannt, mit Propheten
Heiligen und Psalmisten -
Sind gewaltiger Christen-
Helden und Vorzeit Künder
Zu lang schweigsame Münder
Die wol, riefst ihnen Du,
Dir verheissen: »Ich thu.«
Die, wo Du dran verzagst
Dir ahnden: »Du vermagst
Wie mir, da ich mich quälte,
Etwas half das ich wählte.«
Oh Du Zuspruch in Angst,
Ich weiss von wo Du klangst!
Viel sinds, doch wie Du Keiner,
Einen bildet nur Einer
Zu vermögen für wahr
Das ihm unmöglich war
Dass ichs ja denn vermöge
Also, nach mich dann zöge
Undank noch Naserümpfen
Noch deren Verunglimpfen,
Die sich dünken, vom Leben
Trumpf um Trumpf abzuheben
Als wärs vom Kartenspiel, -
Und sind zu blind und viel
Zu gering all die Dumpfen,
Dass sie sähn, wo sie trumpfen,
Wie sie selbst die Genarrten,
- Nicht Spieler -, wie sie Karten
In der Welt Händen sind - - -
Die mit ihnen beginnt
Wie sie's allzeit begonnen,
Und hat allzeit gewonnen,
Und die kläglichen Thoren
Waren allzeit verloren - -
Dass ich der keiner sei,
Da steh Du mir zu bei,
Der sich, keinem zu lieb
Noch zu Leid, Gassen hieb
All durch die schlimmen Hage
Seiner wildernden Sage,
Und die allzu verschnitten
Sinnen nach still umritten,
Der verfuhr weil er musste
Und keinen Buchstab wusste.
Hilf mein Bild mir begreifen,
Ritter in Stegereifen
Schild bei Fusse, Geschworner
Deines Eids, Auserkorner
Mir von Kind an, dass böse
Nicht noch klug ich mich löse
Aus dem Bann, drein ich trat,
Sondern durch auf den Pfad
Welt brechend mich befreie:
Wolfram, edeler Laie,
Ahnen Tiefbronn des Hortes,
Freiherr eigenen Wortes,
Amtmann der Schildes Pflicht
In Gedichte, in Gedicht
Dienstmann des Sakramentes
Dem ich gelobte, und nennte es
Kein Mund nach mir mit Namen -
Wirf durch mich einen Samen
In das göttliche Feld
Des Trotzens meiner Welt
- Welt, Welt - die es Götzen klagt
Dass sie Gott nicht mehr wagt -
Dass ich trotz ihren Pfaffen
Mir kraft Dein möge schaffen
Auf dieses Durant Wegen
Segen, und, seis »Unsegen«

Er ging ihr nicht entgegen
Und ging ihr auch nicht nach.
Er stand, und in ihm brach,
- Wie vorzeit in ihm 'brochen
Rächen und auf Recht pochen -
So brach das starre Zwingen-
Wollen, und bei Geringen
Bekehrer sein der Sündiger
Brach abgründig und gründiger
Durch ihn ab in die Splitter,
Dass es den jungen Ritter
Schier, als wärs, all zu scharf
Durchhin rüttelte und warf.
Durch das Brechen und Stäuben
Schaudernd vor Widersträuben
Wuchs ihm lautlos mit Schmerzen
Neu nackt Herz überm Herzen, -
Aus Sturze der zerspellt
Scheiterte, ihm eine Welt,
Deren Gleichen an Frieden
Sich ihm nie noch entschieden:
Der gelobt er, - ohn Wissen
Dass ers thäte, ungeflissen
Als wars mehr ein Empfahn,
Und wäre ihm angethan -,
Ja, so hiess ihns zur Stunde,
Dass, wem von solchem Munde
Ohne ein mindestes Schenken, -
Und wem, vom blossen Senken
Jenes Augs unter Liden,
Und, wem von solchen Glieden
Und Gange, als sie den gangen,
Sich einhellig im Prangen
Aller Kronen der Wehmut
Und Stolzes aller Demut
Und der himmlischen Last,
Wie Menschheit sie nicht fasst -
- Dass, welcher Kreatur
Durch nicht mehr widerfuhr
Denn nur dies, nichts geringers - -:
Dass die nicht eines Fingers
Breit mehr dürfe ihr Entzücken
In Bezweiflung verrücken
Noch zu Hader und Drum Raufen
Darbieten in den Haufen;
Denn christenlicher Thoren
Art und Zahl sei wie Mohren
Die man niemals bekehrt:
Man stellt sie unters Schwert,
Ohne ins gelobte Schlagen
Heiligenleib zu wagen,
Dem Unflat nicht gezieme
Stillestand ward in ihme
Dergestalt, dass die Brust
Die vordem nicht gewusst
Denn mit Odemes Kämpfen
Das Herz am Hals zu dämpfen
Leichter mählich zu schlagen
Ging: als an Krämerwaagen
Tief eine Schale und schwer ist
Drum weil die andere leer ist;
Und gabst Du gleicher Schwere
Zugewichte in die Leere, -
Nieder wiegt, stürmt empor,
Die gewann, die verlor,
Bis sich heilig entschieden
Dass jedwedere zu Frieden
Dort wie hier gleiche schwebt
Und nicht stürmt, nur mehr bebt.
Also war ihn der Frommen
Neues Sinnes ankommen,
Der sein Gewicht verschob
Und mit Wunder auferhob
Von höh auf höhern Plan.
Ihm schien sein Fingerspann
Doppelt breit, sein Blick weiter
Und Leidwesen fast heiter.

Münsterauf ritt ein Reiter
Überm Sattelknauf quer
Sah Durant seinen Speer
Der im Schwall Gasse räumte
Seitab drängte er, was säumte,
Ihm halfen auch dazu
Aussergespreizt die Schuh
Ab dem Sattel breitsporig,
Indes sein Pferd schiefohrig
Zerrte und zahnbleckte und biss. -
An ihm hing das Geriss
Mit Krückenstelze und Kriechen
Gichtiger und der Siechen
Krüppel, Lahm, Blind und Lällen
Die sich zu Kirchen stellen
Und von den harten Quadern
Ihr Bresthaftes aus Hadern
Hoch empörend, mit Kreischen
Sich das Almosen heischen.
Weil das Ross jener lenkte,
Vom Prasse, der ihn kränkte,
Sich zu lösen durch Pfenge,
Doch Herr nicht ward der Menge
Zudringens, drob er stand,
Auch im Beutlein nichts fand,
Sich mit Ehren zu büssen,
Und drum auf hintern Füssen
Kurz sein Pferd herumschwang
Dass es scheuchend halb sprang
Und Raumes nicht gewiss
Lazarum niederriss,
Da sah Durant, zu gehen
Halb willens im Sich drehen
Auf eins von ungefähre
Dass der Herr Hardwin wäre,
Des er längst nicht vernahm.
Und deuchte ihn wundersam,
Dass, mit Namen gerufen
Der Edesser, von Stufen
Domes, da Durant lief
Sein Ross ablenkend schief
Durch die Menge verritt.
Freilich, das machte: es schritt
Drüben in Steinenlauben
Der Bailei unter Hauben
Golden grün mit Geschmeide
Und in scharlachen Kleide
Edelfrauen ein Chor.
Auf die wars, dass den Spor
Der Jung Herre gesetzet.
Und wars drum, dass auch jetzet
Nicht an die er versehret
Jener sich, noch auch kehret
An was ihn rief bei Namen
Sondern Pfalzgrafen Damen
Grosses dachte zu warten.
Auch grüssten ihn die Zarten
Gern nach Hofes Gebühr.
Dennoch kam Durant für,
Dass ihr eine sich stellte
Als ob er ihr nichts gälte
Und achtete sein wissentlich
Kaum, und bärge geflissentlich
Jedoch gleichsam mit losen
Augen, in einer Rosen
Ihren Mund und ihr Kinn.
Hatte er länger da hin
Geschaut, denn sich ihm schickte,
Doch war, was ihn bestrickte
Kein unordentlich Schauen.
Denn er kannte die Frauen.
Es traf ihn wie ein Schlag.
Erstlich schon, da er lag
Zu Feitüne verbunden
Pflag auch jene der Wunden.
Zum anderen, Tags davor
Beim Brunnhaus, da ins Thor
Mit ander Fräulein diese
Nach Frau Adelaise
Zu Gefolge geritten.
Besser als sich verbitten
Müssen Gaffen und Blick
Wider Orden und Schick
Nach fremden Weibs Gesichte
Wars, dass Abglanz von Lichte
Diese alleine aus der Schar
Hatte ihn machen gewahr.

Weil Hardwin noch nicht gar
Abliess Gruss zu gewinnen,
Und auswärts und nach innen
Rang mit dem Rosse in Zaum,
Als erwehrte er sichs kaum
Dass es nicht mit ihm stiege
Und mit dem armen Siege
Als mit stolzem Gewinnste
Nach jener Frauen blinzte,
- Ders zwar geringe wog, -
Ging Durant und verbog
Sich mit Minnen Erbarmen
Ohne ein Wort zu den Armen -
Deren Schrei um Erbarm
- Vierzig Arme als Ein Arm -
Deren Brennen nach Labe
- Als ob zehn Häupter habe,
Greis, Kind, Vettel, Mann, Weib
Ein geschlagener Leib
Schütternd Qualen Gebäude -
Zu deren Wut und Räude
Nach dem Bissen und Balsam
Und deren Mäuler, alsam
Ein einzig wüstes Maul
Schwarz und weithohl und faul, -
Nach ihm bleckten und bliesen,
Eben als wäre in diesen
Enden Knäuel Elendes
Alles leiblichen Endes
Zukunft und Ziel verhässlicht
Und mit Ernste übergrässlicht.
Durant erlitt den Zeter
Der entsetzlichen Beter
Und Segnung, die wie Fluch
Lautete, Anblick und Ruch
Arbeitsam nicht mit Worten
Er brach sich aus dem Borten
Drin Schwert hing und sein Messer,
Für die, so der Edesser
Umgerannt, den Rubin
Und das Gold, und gab ihn
Er leerte seine Säcke
Von Münze und schnitt sich Flecke
Zwei mit Golde unterstickte
Die, wie sich Pfingsten schickte
Das zierten, aus dem Kleid
Dazu teilte er Geschmeid,
Weniges und Geringe,
Zu Pitschier, Fingerlinge,
Bot es in jenen Haufen,
Und hiess es frei verkaufen -
Mehr denn das sagte er nicht.
Ach wäre er stumm nur Licht
Jenes Lichtes geschienen!
Ach, ohne Laut und Mienen
Eigen Wesen und Wirken - -
- Wie von Zirke zu Zirken
Sich umwälzende Sphären
Herrlichkeit zugebären
Und sind anders nicht wert,
Denn Bahn darin Sie fährt - -
So durchleuchtend zu sein!
Dass der vollkommene Schein
Des Erzengel Gesichtes
Auch ein Gran nicht des Lichtes,
Durch ihn spielend, an Grane
Von Selbstwille und Selbstwahne
Misse, oder des sich kränke!
Dass in allem Geschenke
Gott durch Jene in ihn rinne!
>Minne< dachte er in Sinne
Mal um Mal, das er gab,
Aber sprach nur »Da, hab«,
Bis er selbst sich erloschen
Zu Opfer wandelte im Groschen,
Und dennoch, wundersam,
Zunahm und nicht abnahm,
Für was er hier verwand
Dort je voller entstand;
Und dies Dort und dies >Jene<
Von Sonder satt und Sehne
Hub Strömen um ihn an, -
Geistverleiblichten Bann
Spinnend -, Schüsse, und zu Maschen
Strickend golden ob aschen,
Drin hinter halben Mienen
Schwert und Fackel erschienen
Und klang und sang wie Rede,
Und halb Weissagung jede,
Und der Mienen Umriss
Sah aus fremd halb gewiss;
Und so verschollene Ahnung
Flüsterung und Gemahnung
Raten ward ihm zu Grause,
Flimmer und Ohrensause. -
Drum ihns auch überlief
Dass ein Mund ihn aufrief,
Und er wie der Verstörte
Nicht vernahm was er hörte
Ja noch steif wie auf Geister
Absah auf seinen Meister
Donat, der bei ihm stand
Und ihm regte die Hand.

»Ich suchte all durch das Land«,
Sprach der tiefsehende Pfaffe,
»Was der Graf von Nûn schaffe.
Der die Armut so speist
Dass sein Rock davon schleisst
Und sich entblösst für Fremde
Bis auf Sankt Martins Hemde, -
Wer sich Elends erbarmt
Bis der Reiche verarmt
Am Armen den er reichte -
- Wer bessere Welt vielleichte
Als die Welt, wie sie's ist,
Bestellte - kraft der List
Sie köpflings zu verkehren, -
Was gilts ? der mag wol lehren
Mich, der seit er drauf wandelt,
Erforscht, wie man sie handelt, -
Der, vom >Weil< weit entfernt
Gern beim >Wie< bleibt, und lernt,
Und auch nicht grauer eben,
Als die Frauen noch vergeben!«
Kaum vernahm ihn der Taube.
Er brach auf. »Mit Verlaube,
Meister, da muss ich erst -«
»Gehn? nicht eh Du mich lehrst«
Sprach Donatus, mit Scherze
Ihm bergend schwer ein Herze.
»Zwar eh denn ich vom Stuhle
Steige und bei Deiner Schule
Dich bitte, >nimm mich auf.<,
Wüsste ich gerne, ob den Kauf
Meine Barschaft erlange?
Was kostet Dich die Wange,
Abgezehrt, und die glüht?
Was gilt dies Auge? und sprüht
Flamme vom Elemente
Das nicht Luft hat, es brennte
Denn zu Staub tüchtig Holz ?
Was gilt heuer der Stolz
Fastens um Fastens willen,
Und bitterer, nicht-zu-stillen;
Demut an Deinem Markte?
Nicht dass ich Dir verkargte
Entgelt, für, was Gewinst
Allerköstlichsten zinst,
Doch sorg ich, all mein Ding
Bringt nicht den Kaufschilling
Für auch Stück nur von Stücke
Von Deinem fremden Glücke:
Für die Wonne, zu leiden:
Für Leidenschaft, zu meiden:
Spiel um Spiel zu verlieren:
Hasen hetzen mit Stieren
Den Wind ballen zu Hauf
Und schwimmen mühlradauf.
All meine Habe gerne
Biete ich drum dass ichs lerne,
Ausgenommen, von Schulden,
Mein Noterbe, - vier Gulden,
So mir zur Wiegen 'geben
- Und mich hiessen, ums Leben
Der keinen zu verschwenden
Denn sie drum mirs einbänden -
Die vier Fein, die mich feiten. -
Sieh nicht unwirsch zur Seiten, -
Weisst Du, harmselig Kind,
Was die vier Gulden sind
Die ich meine?« »Wol so sprich.«
Er flüsterte: »Hüt Dich, -
Wart uns, sei auf der Hut,
Jung Blut: Es geht ums Blut.«
Und er blies ihm sein Flüstern
Wie durch feurige Nüstern
Ins Ohr, dass jäh verwandt
Ihm ins Antlitz Durant
Schaun musste, und hörte an Rippen
Das Herz, weil trockene Lippen
Des Meisters aufgebogen
Schmerz hauchten, Schmerz einsogen;
»Hut Dich, sie auszugeben!
>Leben ist wahrlich Leben« -
- Erster Gulden, goldrot. -
>Tod ist wahrlich der Tod.<
- Zweiter Gulden, goldgelbe.
>Weib ist Weib, nicht das selbe
Was Mann.< Gold blindgegriffen,
Doch das Präge unverschliffen. >
Wer zahlt über den Preis,
Und das will und auch weiss -<«
Hier gebrach seiner Kehle
Der Atem. Alle Seele
Der die Reden nicht taugen
Mögen, stand ihm in Augen.
Hand in Händen ward Krampf
Die Liebe sah wie Kampf.

Fernab scholl ein Gestampf,
In den Staub blickten beide.
»Es wird Zeit, dass ich scheide«
Sprach Donatus, gleichmütig
Wie vordem, »der so wütig
Umspornt, da er dich sieht
Selbmir, -« Durant beschied
Und beschwor ihn mit Liebe
Dass er immerhin bliebe
Und Hardwines nicht achte.
Der schaute ihm nach und lachte
Leise lose für sich.
»Um Dich, und nicht um mich
Bliebe ich gerne sein ledig.
Mit mir macht ers genädig
Seit ich um meine Zehre
Den Gimpel singen lehre
Du bist all seiner Hulden
Bar und bleibsts. - Denk der Gulden -«
»Singen?« fragte als aus Traum
Durant, der andres kaum
Denn des Worts worden inne.
»Was singt auch jener?« »Minne -«
Blies der Graue mit schlimmer
Lache und zückendem Glimmer
Im Blick, wie Sonnen Gold
Grellt wenn Donner schon rollt -
Sah gleich drauf wolkendüster;
Dann ins Hemd, mit Geflüster
Durant nah sich zum Mund
Greifend raunte er: »Blick rund,
Thu die Augen auf, Blindling.
Wie die Welt eh Dich Findling
Funden, finde die Welt:
Dar nach Dein Waidhorn schellt
- In den verlorenen Tann -
Das Wild ist jedermann
Zahm Getier und gewohnt,
Dass kein folgsamers front,
Wie sichs auch wild verstelle
Und wie der Waidgeselle
Tobe und auch sich geberde:
Spiel ist all die Beschwerde
Weigerns und danklos Dienen:
Sie sinds eins unter ihnen,
Und, Spiel nicht zu verlieren
Muss es so wie Turnieren
Ergehn, grimmig nach Regel.
Schiebt der Baurenknab Kegel
Und schilt und hadert schimpflich
Bauren Ehre ist das glimpflich
Und heisse ihn drum nicht Schelm.
Der vorm Tjost Speer und Helm
Ritterlich pflegt verneigen -
Wer den drob höhnte als Feigen
Ist ein Gebaur und blöde.
War der Eine nicht schnöde
Der Andere ist nicht zag.
Tag ist Nacht, Nacht ist Tag
Beiderlei Erden Leuten ?
Hörst Du? Soll ich Dir deuten
Etwie gar noch genauer
Den Spruch von Herrn und Bauer?«

»Nein« sprach Durant nun rauher,
»Denn Ihr sprächet es eitel.
Ich ehrete Euere Scheitel
Wenn die Anderen Euch straften.
Dass ich da bei behaften
Dürfe ist all mein Gebet,
Das in Eurer Hand steht.
Sprechet, so Ihr mirs gönnet
Wie Ihrs meisterlich könnet
Von gesprächiger Sache.«
»Wer schlummert auf dem Dache
Wandelnd« sagte Donat
»Auf Ungnad und auf Gnad
Heiss ich ihn wachen. Komm
Und kenne Deinen Fromm.«
»Mein Fromm ist nicht der Welt
Noch Hofe anheim gestellt
Und mag beider ermangeln:
Er hängt in heiligen Angeln.«
»Aber die Welt ists Dir:
Dein Reich und Dein Revier
Ums zu meistern, Du nenn' es
Nicht mit Traumnamen; kenn' es.
An Hofe und auf der Hufe
Herren und Knechten schufe
Natur Ding die sich gleichen;
Unterschiedlich sind Zeichen,
Nicht das Herz in dem Herzen.
Nicht nach Hardwines Scherzen
Misst Du Hardwins Natur?
Recht: so miss auch nicht nur
Nach erstem Augenscheine
All die Welt insgemeine.
Frommete ihr nur das Reinige
Und der Absud alleinige
Von dem körnigen Sude,
So spräche recht der Jude:
>Rein sei, der sich rein hält.<
Nimm die Zeichen der Welt
Nicht für aller Welt Dinge.
Brot kaufen Silberlinge;
Doch der drein biss für Brot
Darbte dran sich zu Tod
Midas, Reichster der Reichen.«
»Und wer Ding auch nur Zeichen
Schölte? Und dies keines Deuts
Wert hielte?« - und wies das Kreuz
Auf seines Hemdes Linnen -
»Höhnte er unser Beginnen
Nicht auch, die wir verbleichen
Fallend >In Diesem Zeichen<?«
»Nein und Ja. Ja und Nein.
Burggraf zu Nun, nehmt Weihn
Und reisset Euch aus Sinne
Was nicht sei Gottesminne,
So dürftet Ihr so sprechen
Ohne dran zu verbrechen -
Weil sichs nun an Euch rächt
Und bricht Euch, weil Ihrs brecht
Ja hat sichs schon gerochen.«
»Wo?« »Das Kreuz ist zerbrochen«,
Er lachte ein wenig. »Schwächlich
Sind Zeichen, - sind gebrechlich
Dem, der wollte sie zwingen
Last zu tragen gleich Dingen.
Zeit und die Ewigkeit
Wollen festen Entscheid;
In jedwederer sei hart;
Dazwischen geht es zart
Und behutsam zu, Knabe.
Darum erstand vom Grabe
Der Krist und liess Adames
Kind noch im Land des Grames,
Dem er heimkehrte als Geist
Und Reich das danach heisst
Das Heilige und das Eine
Unsichtbare, und soll seine
Welt, und des Geistes werden
Zwischen Himmel und Erden.
Anders Himmel auffahrend
Menschenkind nach sich scharend
In deutlich Reich verbrachte er
Und auf eins himmlisch machte er
Oder kam nie in dies her
Sondern irdisch Euch hiess er.
Geistes sind Zwischendinge:
Sieh wie Dir dran gelinge
Eins ums andere Mal.
Darum in Himmels Saal
Ward aus Grade und Ungrade
Neu und geisterhaft: Gnade.
Dieser dich anzugleichen
Denk: immer: zart sind Zeichen
Wie stark auch seien Dinge.
Die halt fest, diese zwinge
Wenn jenen nach der Frist
Ihres Fleisches gebrist
Nach Erden Loose und fahren
Sich dort verdauerbaren,
Geisterhaftige; schwächlich
Merk es wol, und gebrechlich
Ihm der heischte von ihnen
Werk dem Geister nicht dienen.
So die Blume, so Minne.
Hätte die Blume im Sinne
Dass sie die Blume bliebe?
Dass sie die Blume bliebe,
Eurem Wunsche zu liebe
Die Tod ihr weder gönnt
Noch Dauer zaubern könnt?
Sie muss sich endlich nennen,
Und an Früchten erkennen,
Und an Leben ersterben
Und zu Gedeihn verderben.
Darum blüht halb in Schwermut
Wonne auf der Wurzel Wermut
Draus das Süsse die Würze
Zieht - ach Kraft und ach Kürze!
Ach Wollust und ach Tod!
Davon ist die Welt rot
Und Frauen Mund wie Rosen.
Von verwachsenen Loosen
Irdisch und himmelischen,
Tausend Zwischen und Zwischen
Heimlicht herrlicher Mund
Was wie Welt tief und bunt
Von Farben ein Gewimmel
Zwischen Grüften und Himmel, -
Hölle in zwischen und Kronen
Derer, die Gott nah wohnen -
Wie Du an fremden Dolden
Das Arg nicht magst vom Holden
Oder an mancherleien
Balsambaum-Arzeneien
Vergiftiges vom Heile
Abscheiden: beidem Teile
Wohnet beiderlei inne -«
»Einerlei weiß ich Minne«,
Sprach der Junge. »Lebt wol.
Ich bin getrost, ich soll
Um mein Heil nicht mehr rechten
Und wider Heiden fechten.«
Eine Weile verstrich
Dass jeder hielte an sich;
Dann offen schob der Alte
Brust und Haut von der Falte
Und sprach »Kind, so triff recht.«
Durant drauf: »Sinnen Knecht
Weiss ich droben noch einen,
Zu Nun, - der weltgemeinen
Hofmönche in Sünde und Lästern
Frechsten - als mich das gestern
Noch gedeucht. Heut nicht mehr.
Verlorener schier denn er
Dünkt mich - - Dem ich mich böte
Freudig, dass er mich töte,
Schüfe er also ungeschehen
So vor mir ihn zu sehen
Und zu wissen >er spricht
Sich lachend das Gericht«.«
»Ohne Heil ist kein Schade:
Bei Gerichte ist Genade.«
Donat sprachs tief in Ruh
Und schob die Schaube zu.
»Genade ist bei der Reue«,
Sagte Durant; »dem Heue
Dürft Ihr Heues Los predigen,
So mag Euch Der genädigen,
Der sechs Tag lang das Wilde
Und dann in uns sein Bilde
Schuf, dem er Wildnis schenkte
Weil er Geist in uns senkte
Der seines Geistes sei:
Frei Amt zu Beiderlei:
Zu Schaffen frei aus Nichte
Neu Reich und neu Geschichte
Und was Ding um uns treiben
Frei zu Nichte zu schreiben.
Ihr in Euch habts verschnitten.
Ich geh Gott für Euch bitten.«
»Steh noch an, edel Kind,«
Versetzte, und lind und schwind
Hielt Donat ihn an Händen;
»Höre, und dann magst Dich wenden:
Bei der Lehre und der Liebe
Seis gemahnt, und verschiebe
Nicht die Stunde, um die's geht;
Dann nimm in Dein Gebet
Mich auf, wenn Deine Schulden
Du Gott flehn gehst gedulden.
Ich, Gott weiss es, bin sündig
Jedoch weiss auch er: stünd ich
Zu Genade und Gerichte
Vor dem Frone Gesichte
Der Schulden viel verzieh mirs
Und zu Fromme gedieh mirs
Dass ich, nichts um Dein Hassen
Gebend nicht nachgelassen
Wie dem Arzte geziemt
Der Übermass wahrnimmt
Und muss die Ader schlagen
Und ja Blut daran wagen
Dass er das Maass erzwinge
Denn zu arm und geringe
Mag darben doch nicht sterben,
Doch Zuviel muss verderben.
Glaubst du mir, das ich sprich?«
Der Bleiche kehrte sich
Halb noch Unwillens; dannoch
Mahnte ihns der Lehren annoch
Vornehmster, drein ihn zwungen
Einst der Meister des Jungen:
»Was Du thun musst, thu gern:
Es bezeichnet den Herrn.«
Er sprach: »Wollt immer Alles
Was Euch dünkt dieses Falles
Sprechen, dass ichs Euch danke
Ob ich gesunde, ob kranke
Nichts wäre ich mehr gewilligt
Als sprechen was Ihr billigt.«
»Ach lass mir, eh ich spreche
Und eh ich von Dir breche,
Nein, von mir eh Du brichst
Und Freundschaft widersprichst
Die Hand, dass ich sie halte«
Sagte trauernd der Alte.
»Bitter Wort sind gleich Messern
Die trennen; und es bessern
Nur obenhin und flüchtig
Den Riss Wort, die nur züchtig:
Und schüfen ja noch ehrbarer
Fuss und Mut drum nicht lehrbarer
Des Gebahnten und Stegs.
Ein Mann, und unterwegs,
Bist Du, sessen zum Scheine
Bei mir, doch schon alleine,
Seit an Dir neu entstand
Nie vor erschaffen Land:
Denn der Welt und der Zeit
Unerforschbarlichkeit
Nimmt mit jedem neu zu,
Der, wie Du jetzt, aus Du
Ein Ich worden - das reicht
Wohin noch kein Blick streicht
Wo noch Bahn weder Spur,
Wo Erfahrung nie fuhr,
Und ist ganz rätselhaft
Weil Du, der Rätsel schafft,
Dass ihm mehr Rätsel wächst,
Selbst im Rätsel Dir steckst,
Und vorm Schritt Dir nur reutest
Wenn Du das Rätsel deutest.
Lehre ist an dir verblüht,
Weil sich Lehre umsonst müht,
Wo der Mensch, statt anhänglich
An Menschheit, wieder anfänglich
Vor das Thor Paradeis
Zwischen engelischen Gleiss
Des verbietenden Sturmes
Und des uralten Wurmes
Wucher der ihn geletzt
Sich auf den Mut versetzt
Keinen Vater zu haben,
Unter sich tief zu graben,
Zu hassen bittres Essen,
Süsses nie zu vergessen,
Und aus der grossen Zwitterung
Sehnens und der Erbitterung
Tausendfalt zu gebären
Der Ziel, die möglich wären
Der Spiel in zwischen beiden -
Nicht sündigen und nicht leiden -
Und im Unendlich diesen
Auf Gefahr so zu kiesen,
Dass der verfluchten Erde
Trotz Gott Ordenung werde
Oder mit Gott gelinge
So man mit Fluche ringe
Geschöpf den Schöpfer zwinge.

Immerhin, Creatur!
Du nicht erst, Du nicht nur.
Hör mich dies noch Dir deuten,
Und halt an Dich, bis Läuten,
Der ich war, bist auch Du,
Und mir stiess wie Dir zu.
Wo Beweis nicht mehr kann,
Hebt Bildgleichnisses an;
Wo der Lehre gebricht,
Kahlkopf wird drum noch nicht
Ders mit Recht heisst, der Lehrer.
Nur die Pflicht wird ihm schwerer.
Ist die Lehre veraltbar
Noch ist Ein Höhers haltbar,
Dass Einem, den man liebt,
Man sich selber hingibt, -
Das Tiefste das zu erdenken ist,
Eins, das nur zu schenken ist,
Das Gehütete in Scham
Sich herzaushebt aus Gram
Und Gräbern alter Tugend,
Und schenkt Jugend der Jugend.
Wisse denn und schweig still.
Dass ichs treibe, wie ich will
Leumundes nicht gross achte
Nicht nach Ausbünden trachte
Sondern, was mir gehäuft
Ungeheissen zuläuft
Leicht nimm und lass leicht fahren
Und vergass, wie viels waren
Und wo gross Wort in Schwang sind
Mir die Stunden zu lang sind
Und ernst blicken zu schwer, -
All das kommt von dann her
Dass zur Welt Knabe keiner
War denn ich je der reiner
Noch leibeigener war Einer -
Dass keiner je wird funden
Der sich härter gebunden
Noch Höherers unterwunden, -
Dass wenn je Wolgezogener
Stich hielt - je Selbstbetrogner
Handgreiflichs für Gelogener
Und Brunst für kühlere Labe
Halten, als ich das habe -
Ich wollt ihn sehen, Knabe.
Andre, denen geschach
Wie mir, und das Herz brach,
Gehn weitab sich vermünchen.
Ich hab nicht mögen tünchen
Mit Verlästerung der Welt
Dass sie Männern nicht hält
Was sie Kindern verspricht:
Solch scharf hart grausam Licht
Wie notthat meinem Herzen
Brennt nicht auf Klosterkerzen.
Nicht der Welt hab ich - Wahne
Abgesagt, ich, mit Spane
Spannlang, ihr dunkel Wesen
Endeloses zu lesen
Und es zu zeihen Trugs
Wenn vorm Brause drin flugs
Mir verloschen mein Funkel.
Ich ward willens, ihr Dunkel
Forschen mit soviel Hellen
Als irgend sich gesellen
Mag frei Mut zu dem Amt
Der selbst vom Hellen stammt
Ich ward Willens Anschauen
Und mir mehr Zuvertrauen
Je mehr mir Zuversicht
Ohne Prüfen gebricht
Ich habe gewagt Licht werfen
Vor mir aus, solcher Schärfen,
Dass ich keinem gestehn darf
Und kein Aug mit mir sehn darf
Wie Todschwarz Schatten sind
Ich weiss Höllengesind
Trotz Chorpfaffen. Ich sach,
Teil schleppt Gegenteil nach
Wie Leib im Lichte schattet
Wahrer ist, was ihr hattet
Und vergassts und begrabts
Als was euch dünkt, ihr habts.
Gott allein weiss was heilig
Menschen ists gegenteilig
Und er selbst drin die Mitte
Geh Du immerhin, bitte
Wenn Dich schaudert, gerechnet
Sei mir nicht, was ich sprechend
An Dir verwirken müge
Es ist dennoch nicht Lüge
Wenn es Wahrheit nicht ist
(Was wahr sei weiss nur Christ -)
Besinnen, scheiden, spalten
Und vorm Urteil anhalten
Heiss ichs, denn zwischen beiden
Enden steht altes Leiden
Macht zwieschichtig, übersichtig,
Kennt unwichtig noch wichtig,
Weiss Unschuld weder Schuld -
- Noch ein Wort, hab Geduld -
Segnen noch maledein -
Und mag darum leicht sein
Ich soll zur Höllen fahren.
Nicht mir Dich nachgebaren
Heiss ich, nicht musterhaft
Dir mein Gran Wissenschaft
Dass ich aus Schlacken schmolz
Und bins still, und bins stolz,
Wills nicht leugnen im Sterben
Und drauf leben und verderben -
Mann muss Mann lassen fahren,
Mann kann Manne nichts sparen
Mann und Mann - zweierlei Ziel.
Ich beschied Dir Beispiel
Wahrlich nicht Dirs zu loben.
Aber ward von Dem droben
Darum Manne die Welt
Geben, dass sie den prellt
Bis ins vierzigste Jahr
Und dass sein erst grau Haar
Ihn entweder sich scheren
Schickt, oder sich verkehren
Auf Zweifel wie der mein ist
Oder dass sich der reinest
Auf sein Gegenteil schlägt
Oder zu Schenken trägt
Oder träge verlacht
Was ihn sonst kühn gemacht
Da er tief gewesen, seicht wird
Und fault bis dass ihm Beicht wird?
Wenn Aller vor Dir Hälften
Lebens sich widergelften
Wie die Fischweib am Krame -
Erst heiligen die Dame
Dann Minne, die sie gestern
Gotte glichen, verlästern
Und gegen Gottes Minne
Sie schelten Lügnerinne
Oder sie sich erniedern
Zur Buhlin oder Liedern
Und auf Weibsen der Spott -
Will das Teufel oder Gott?
Oder will er dem Leibe
Nur lieben Leib zum Weibe
Und der Seelen zu Trautschaft
So viel kürzliche Brautschaft
Wie dem Truge gegönnt ist
Du dürftest oder könntest
Einziger unter Kunden
Haben den Phönix runden
An Geborenen weiblich
Der durch Wunder unbeschreiblich
Und unlohnbare Gunst
Unendlich aus der Brunst
Drin er grau zu Aschen fallen
Wiedrum aufrauscht zu schallen
Ausser Wolken herunter
Als Morgenröte bunter
Fremder als die Cherube
Überm Staub Deiner Stube
Über Dingen bejahbar
Unglaublich und unnahbar
Und posaunte Dir zu
>Stirb oder komm auch du<?
Zu Nune Burggraf, Fragen
Sind dies, nicht zu vertragen
Und sind nur zu verschieben
Minnen, Ehhalten, Lieben
Geloben, glauben, pfuhlen
Zweifeln, wahrmachen, buhlen
Faulen, altern, vermessen
Verlachen und vergessen.
Vermessen will ein Maass,
Das ich zu spät ersass
Meins ist nicht eines jeden -
Was ist Deines? der Reden
Sind genug. Ich gewahre
Deine Werk. Ich verspare
Nach Lehre und Liebe Pflicht
Dich teuer zu mahnen nicht
Dass zu ernstlich kann auch Spiel sein
Und des Besten zu viel sein
Und Herrlichstes entsetzlich
Und der Demant verletzlich
Von demantenem Staube
Selbst sich Selben zerreibt. -
Dass gemannt und geweibt
Gott den Menschen gestaltet
Ist die Klüftung, die spaltet
Durch hin all das er schaffen:
Wir siedeln dicht am Klaffen
Abgründigen: ihn schliessen
Mächtig weder ist gemessen
Noch versagen. Ergründen
Tugenden weder Sünden
Werden ihn nimmer taugen.
Hüte ein jeder der Augen
Dass sie Schwindel nicht meistre
Oder im Traume vergeistre
Geist den Sturz den Geist schlug.
Aber ist Traum wol auch genug
Ausser Schlummers zu wandeln
Wachen der Welt soll handeln
Antwort scheint bald bereit
Eins ums Ander alle beid
Wachen Schlafen, Schlaf wachen
Sollten Ein Einigs machen.
Ist drum auch nicht ein Riss
Zwischen Traum und Gewiss?
Magst Du gleiten ohn Säumen
Aus Bewusst sein in Träumen
Und mag beides Dir Lust sein
Durch Traum hin Traums bewusst sein?
Oder beides Dir leid sein
Wissend, träumend Halbscheid sein?
Aber ich halte hier inne
Wol Dich Herz Deiner Minne
Die Du mir nimmer deutest, -
Vergib dass Du mich reutest
Und schier warnte Dich gar -
- >Wahr Dich Leib der Gefahr<.«
Durant hob das Gesicht
Wie zu Rede, und sprach nicht,
Und thäts neigen mit Schweigen
Ohn ihm mehrers zu erzeigen.

Donatus blickte ins Steigen
Der Gepränge und Gedränge
Marktes und all der Menge
Die von allenthalb schob
Und drüber stob und schnob
- Weil unter Sonnen Stich
All die Frühe zerschlich -
Mittäglich Loh und Flimmer -
Wo ob schwankem Gezimmer
Bunte Messkrämer krischen
Und Griechen hoch ob Tischen
Borten spreizten und Kanten,
Wo Mohren Seiden spannten
Perser blausten Türkisen
Ausserm Maul geklaubt wiesen
Der Sorianer aus Buden
Haderte mit dem Juden
Und, weil aus Indian
Die Weihrauch Caravan
Durch Zusammenlauf rückte
Und Stolperer abdrückte,
Quer Lamparter aus Bänken
Fahrend, mit Zank und Schwenken
Konterfeiter Gepräge
Sich durch Zeter und Schläge
Bahn im Zähen erzwangen
Und kaum dass sie eindrangen
Prallten vor Kamelreitern
Statt den Erzkunterfeitern.
Büttel führten zum Anger
Schelmen, dieweil vom Pranger
Dirnen an Stock geschlossen,
Ander Buhldirnen Possen
Fingerschnickten und riefen
Die annoch ledig liefen.
Und Kinder schrieen nach Eltern.
Seitwärts ein ritts auf Zeltern;
Wappenschälke voran
Brachen Fürstinnen Bahn
Die ungleich ihren Schälken
Zart und bleich Bündlein Nelken
Vor Mund und Nasen drückten,
Nach diesen aber zückten
Zielten, spielten und brannten
Mit Augen unverwandten
Blicke frei aus nach Grusse,
Der zu Rosse und zu Fusse
Dichter denn Schaarwacht stehenden
Teils den Schwall übersehenden
Jungherrn, Herrn, Freien, Grafen -
Denn alldort nicht nur trafen
Überein Heiliglandes
Jeglichen Ends und Standes
Heergesellen Kreuzfahrende -
Seltsame und wild Gebarende
Scheckige von ihrn Gewändern
Aus aller Herren Ländern
Hatten auf Schiffe und Rossen
Sich zuhauf her ergossen.
Mit schlissigen Hauben fremden
Und unterschnittenen Hemden,
Und mit unten für oben
Verzwickt und wie verschroben
Wiesen Zott, Zettel und Litze
All der Welt Aberwitze
Stelzten Üppig und Eitel,
Stritt Scheitel wider Scheitel
Wes Löckel und Gezwirbel
Und Käpplein überm Wirbel
Und schien an Aller Kleidung
An Zier als Narreteidung
Sichtbar Werben und Wette
Wer unsinnigers hätte.
»Kommt« sprach Durant, »von hinnen«.
»Mit Verlaub« hörte er, »- Minnen
Diener, Singer und Helden
Rühmlich weit zu vermelden
Sind dieser Fastnacht zünftig
Und wärs uns unvernünftig
Weil ihr Barte uns verdriessen
Mögen, Augen zu schliessen.
Wir sind nicht ihre Bader.
Sei getrost, dass die Ader
Wenn sie gar zu sehr toben
Ihnen schlagen die Groben.«
Der Bleiche schwieg und liess
Dass Donatus ihm wies
Nach Herkunft unterschieden
Minnendiebe und Brechfrieden,
Die nicht wenig gestaunt
Hätten, ins Ohr geraunt
Hätten sie mögen erlauschen
Solch gestreng Redentauschen
Und hätten mögen erspähen
Den Feinen mit dem Jähen
Das Kreuzwams bei der Schaube
Die wie Vogel in dem Laube
In der Münsterwand Ecken
Wie gefugt in Verstecken
Auf sie nieder ab still blickten
Und so vom Steine stickten
Wie fremd fromm Bildwerk steinen
Domab zur all gemeinen
Kirchweih sehn, deren Toben
Tobt und schaut nicht nach oben. -
Welschland hatte aufgemahnt
Alles Lose in dem Land,
Tollste aller Geckenritter
Voll unwitziger Flitter
Und was all durch Provenze
Sprüchwort der Mummenschänze
Wesen und Frauen Spott
Versuchtens hier mit Gott
In einem solchen Sinne
Dass über ein kleines Minne
Nirgend besser beraten
Stand an Reden und Thaten
Noch an keiner Welt Stätte
Höfischem Hofes hätte
Gesinde und schierer lieblich
Zärtlich und minnendieblich
All die Land auf und ab
Denn an Temple und beim Grab.
Gnug des anzusehn war
Im Stein dem schmalen Paar
Doch mehr nicht denn was stummging -
Sie wussten nicht was umging
Nämlich von Mund zu Munde
Umlaufen war die Kunde,
Zu Heiliglande ziehe
Wiederum, von Normandie,
Hochgefürstet ein Leib,
Königs Kind, Königs Weib
An Schöne allunermessen
Gleich der noch unvergessen
Engelländischen Wonnen
Ellinor, unter Sonnen Krön
aller Königinnen
Die zu heimlicher Minnen
- Ja Minnen offenbar -
- Da sie herfahrend war
Mit dem Könige Ehewirt -
Den Schlüssel der zuspirrt
Als in Traume in das Meer
Verwarf, und schiffte her
Durch die tiefe Meerflut
Nur mit dem, der aufthut. -
Davon rauschte es in diesen
Drängenden Dulzamisen
Und Minnern und den vielen
Landfremden Trautgespielen
Und floss über in der Liedrer
Ohren hitziger und niedrer
Vom Trossbuben der Schalk
Hatte es, und schier der Falk
Vom Falknier, und bei Knechten
Wuchs Beschrein und Verfechten
Also dass des wie dünstig
Pochte der Jahrmarkt brünstig
In der siedenden Glut,
Zwar in Zucht noch und Hut
Weil Orden und Byzanze
Kaiser hielten das Ganze
Fass in Dauben und Band.
Doch war der Mast in Brand
Gor und pfiff und spie Maische
In Heische und Widerheische
Unpfingstlich rangs im Fleische.

Wand zu Wand ward gespannt
Markt überhin Zeltwand.
Nur schlecht Volk blieb in Mitten
Herrn und Frauen verritten,
Ordens Mann zu Spital
Und Remter, auf den Saal
Zum Pfalzgrafen mit Wedeln
Herrinnen Vitzthum Edelen.
Durant stand vom Kameisse
Der Münsterwand ins Heisse
Weisse als schwänge Falten
Die Luft, halste den Alten
Und warf sich ihm zu Herzen.
Da schwiegen sie. »Verschmerzen«
Sagte der Junge, lang
Nach dem er von ihm rang
Und schauerte als von Froste.
Donatus, ihm zu Troste
Handreichend, schrak vom Fühlen
Der harten Finger kühlen.
Eilend sprach er »Was hast Du,
Kind, was ficht Dich an, dass Du«
»Führte der Rhein hier Eis
Ich ginge nackt und heiss
Übers Treiben; und wallt
Hier Feur in Lüften, kalt
Bin ich, dass mir nicht thut.
Glühendes Eis, kalte Glut -
Hast an Dir Du es Erfahrung
Darf es nicht Offenbarung: -
- Wie hub ich an, - von Herzen
Da ich Dir brach -?« »Verschmerzen -«
Sprach Donatus entfliehend
Unters Gezelt, ihn ziehend
Umsonst. »Verschmerzen« sprach ihn
Durant nach, und er brach ihm
Sanft die Finger aus Händen -
»Dünkt mich Ende aller Enden
In der Welt, und in Minne
Beginn aller Anbeginne.
>Haben< mag nicht erlangen?
So ist Verlangen Anfangen
Des, dessen Ende uns Hohn spricht
Und unterfangend schon spricht
Sich die Seele Gericht?
Was also denn? Verzicht?
Mir ist Amt aufgetragen
Es mit der Welt zu wagen,
- Verlöre ich oder gewinn ich:
Edel und ein Ritter bin ich;
Und Schwert wird nicht verliehn
Irgend sich zu verziehn
Dinges oder es aufs meiste
Anzuschauen in Geiste
Nach Absonderlichkeiten:
Ich soll um Alles streiten.«
»Und erstrittest Dus fast -
Und dann es doch nicht hast
Als Du selb just noch lehrtest
Zu was dann darfst Du Schwertes?«
»Auf dass ichs überwinde
Und erst dann es verwinde
Dass ich mirs unterwürfe
Und erst dann nicht bedürfe -
Dass ich mein angesiege
Erst wenn mirs unterliege.
Spricht ein Mann: also gar
Lieb ich Dich, dass für wahr
Ja Du mir werden musst -«
»- Ist Euch drüber bewusst
Keins gänzer und garer
Liebe und heisser und klarer,
Höher Sturm, brennender Licht
Und hiesset ihrs Verzicht
So ein Mann
(bricht ab)



>Haben< mag nicht >erlangen< ?
So ist Verlangen Anfangen
Schon des, des Ende uns Hohn spricht?
Und unterfangend schon spricht
Seele sich das Gericht?
Was denn also? Verzicht?
Oh bräche, mir zu Häupten,
Durch zwischen den betäubten
Vier Weltwinden der Rose
Sturmwind, der Trügelose,
Wahr sagend aller Gegend
Und das Lügenfeld fegend
Von Worte und eitel Wind
Auf dass ich, Gottes Kind,
Für was mein Herz mich lehrte
Zeugenschaft nicht entbehrte
Und nicht müsste erst erklären,
Warum Minne nicht Hären
Tragen müsse, noch Hören
Singen noch zu Geschoren'
Sich bergen in die Sühne
Um zu künden, wie kühne
Keuschheit könne und wie reich
Armut sein und kein zahm
Blödeln sei Gehorsam
In der Minne und den Pflichten
Ihr nach die Welt zu richten. -
Ich muss von hinnen; fände
Sich auch Sprechens ein Ende ?
Mir ist Amt aufgetragen
Es mit der Welt zu wagen, -
Verlöre ich oder gewinn ich:
Edel und ein Ritter bin ich
Und Schwert wird nicht verliehn
Irgend sich zu verziehn
Eines Dings oder aufs meiste
Es zu beschaun in Geiste
Und dabei zu beruhn
Oder nennt ihrs ein Thun
Zwischen Gelüste und Plagen
Zweiflig beidem absagen
Ich muss nach allem reiten
Ich soll um alles streiten
Und sag ich >Alles<, mein ich -
Das all zu Mal, - vernein ich
Oder jahe ich, das Nein
Gestritten muss es sein
Und gewirkt und gebandelt
Und in ein Was gewandelt
Das Ja's noch Neine nicht Teil hat
In sich statt hat, selbst Heil hat.«
»Und erstrittest Dus fast
Und dann es doch nicht hast
Wie du selb mich das lehrtes
Zu was dann darfst Du Schwertes?«
»Auf dass ichs überwinde
Und erst dann es verwinde -
Dass ich mirs unterwürfe
Und erst drum sein nicht 'dürfe -
Dass ich mein angesiege
Erst wenn mirs unterliege.
Spricht ein Mann: also gar
Lieb ich Dich, >dass so wahr
Ichs thu, Du mein sein musst< -
So ist mir Liebe bewusst
Zu der reicht jene nicht
Und heisst mir nicht Verzicht
Die ein grösser Wort spricht.«

Eine Zeit hielt er an,
Langsamer sagte er dann
»Ich minne Dich so sehr,
Ich bedarf Dein nicht mehr« -
Wie dünkt Euch das? »Mir krankte
Weil ich Dich nicht erlangte
All mein Herz ungesund
Von Minne ins Ferne und wund
Was heisst Minne überaus?
Sie minnte über dich aus


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