Rudolf Borchardt - Der ruhende Herakles

Der ruhende Herakles

niedergeschrieben ab 1912


Nacht ging hinter die Triften des Wests, und ward eine Helle
Wetterschwer; noch türmte das Himmel Erhabene stürzend
Kronos' wolkebereitender Sohn, voll fliehender Riesen-
Zinnen des Zorns, es hieben die Wasser ab, unersättlich,
Und von Blitzen zur Wette geweckt, zerrissen Giganten
Aether den heiligen Kreis mit flachen Feldern der Lohe,
Niedergeflammt auffiebernde neuerlich; hinter dem Pole,
Sieben Mal um die Klammer der Faust das Zügeleit windend,
Zwang Hyperions Sohn Hufdonner und bäumenden Vierspann
Rückgerauscht in Gleise des Sunds, noch immer vergeblich
Auf gefahren an Dunst; bis selten und seltner die Keile
Schief durch peitschende Garne des Traufs der gewitternde Weber
Schoss, und der Schütz ihm fiel, und die Kette zerlief mit dem Einschlag,
Und die Gestühle des Grolls tiefab und tiefer verrückten,
Helios fern, vermurrende westerner: Da, und auf einmal
Sah er sich Blau, liess schnurren die Halfteren, ihm über Armen
Barsten die rauchenden Joche in Gold und erstürmten den Morgen.

Immer noch aber begraben in Pelions tobendem Schwarzwald
Wälzte der Halbgott Spur durch den Tann; es krachten vor seinem
Vorwärtstrümmeren immer noch quer wie Hölzer in Maischnee
Fichten ins Knie, in Splitter die speerebereitenden Eschen,
Und in den Hinbruch mit, durch einander hin, schlugen die Vordren.
Atmend im Wettergeloh und hinter die Locken das Wasser
Werfend und über die Achsel aus Barten, gegen die Windsbraut
An, die, Schluchten hervor, durch Pässe aus, brechende Wälder
Brechenden meisterlos entgegen scheiterte: vorwärts
Malmend erbitterte sich der geheiligte wegsame Meister
Unübermocht; umsonst, indes ihm die leuene Wildschur
Hinten ein Knubbe verfing, trat armauswerfend der Buchen
Königin, rechts und links sich wölbende, in die Gewaltbahn -
Unter die furchtbare Keule erlegt, - ins Mark ihrer weissen
Eingeschlachte zerborstene rundum, trug sie des Halbgotts
Niedergewichtige Sohle, und starb, wie unter des Keilers
Einbrüche stirbt der verklammerte Hag und liegt zu Gestrüppe.
Hoch herein, von Scheitern der Niedergezürnten, auf Astbruch
Wiegend, in Spleissen und Wust knietief, aufblickte der Held in
Dunst und nassen Azur; und hinter sich, unabsehbar
In die gerissene Gasse, darins schon rannte und herging,
Hasen sausten, und Rehegedräng beigeisterte, Hirsche
Querten im Satz und der Aurochs trat, und der Löwe sich wagte:
Und an der strömenden Furt des Lebendigen hob sich Alkmenas
Sohne in lechzender Brust das Herz, es freute der Gott sich;
Wandte das Auge herum; da sah er, es brachen die Wälder
Hart an der Steinwand ab; draus rollte sich Wiese zur Baumflur,
Weiter dann abwärts schon zu den sanfteren Fluren der Menschen
Schimmernderen, und bereits in Geviert zu gebrochener Scholle.
Aber dahinter, noch grau von der Wutnacht, fernher heulend
Rundum schlug unsichtbaren Strand die Rache Poseidons.

Dies gesehn, der Gewaltige stand und ihm zögerte jählings
Herz und Tritt, es zog ihm den Arm wie ein Eisen hernieder;
Zwar nicht lang: und er stieg bergab: wie der Stier der im Joche
Taglang Nacken gereckt durch Letten gerissen die Pflugschar,
Aber am Abende arbeitlos wie ein Mühsamer leertritt:
Also leer durch Felsen hinab in Hecken und Waldsaat
Langsamer wählte sich Pfad der Entlassene, stieg in ein fremdes
Futtergewanne mit Fuss nach Fuss, und suchte den nächsten
Baum, den eben erspähten, den kaum zu der Mitte des Leibs ihm
Reichenden, gern, wie der Reisende aus nach dem schattigen Haus blickt.
Diesen erreicht, abachselnd an Boden hin kracht' er die Leuung,
Prellte die Mörderkeule beiseit in die Gabel des Baumes,
Länglang niedergestürzt, das Genick in die silberne Krone
Abgebogen, - denn schwüler und beiziger sott ihn die Bläue, -
Schlummerbetäubt schon sah er und wusste nichts, weil noch die Erde
Schrak von Schlage, und Wand hinter Berg nach Berg von dem Nachhall.

Aber nicht lang da ruhte von Nacht und dem Ungeheuren
Zeus' und der Sterblichen Sohn, ein Schlafender; weil ihm zu Ohren
Drangen vernommene Worte und schlug die deutliche Rede
Menschlicher Art: er hob das Lid und blickte von unt auf.
Nämlich es stand vor ihm auf den Knittel gelehnt mit der Linken,
Handfest wie's bei Wäldern Gebrauch, und ein bäuerlich Hundsfell
Enge um Schulter und Kopf und ein Sichelmesser im Leibgurt
Lächelnden Auges und nicht des niedersten Wuchses ein Landmann,
Zwar kein Knecht: er deuchte den Gott statt fremd oder ärmlich
Edel und lieb; und schenkte ihm rechts zu trinken im Napfe,
Und mit gelassenem Wort anhub er die freundliche Rede:
»Unmensch, wenn du es bist, oder Halbgott, thust du uns Ehr an,
Einerlei, ich frage dich nicht, eh denn du mir Gastrecht
Trunken am Rande des Napfs, ein Met nur, Honig und Wasser,
Aber das Bessere gebe ders hat: es blickt dir die Lippe
Harschig, eben als kämest du dürr von eratmender Arbeit,
Und an der Stirne das Haar noch klebt es dir; Schrunden dazu noch
Über den Leib und Schrammen an Schrammen im Riesengesichte
Hat dir mit vollen vergolten der Pelion, wenn du den herkamst.«

Ihn dawider beschied die erschütternde Kraft des Herakles
Regungslos, und rollt' ihm das bittere Aug in der Runzel:
»Mensch und Mensch, und Menschengezeugt, draus wieder nur Mensch wird,
Achtlos wie ihr es pflegt, verspielst du entsetzliche Namen.
Pelion, kenntest du den so wie ich - Halbgötter und wärst sie
Halb erfahren, ich hiesse dir nicht so eitel ein Unmensch.
Gieb wie dus hast, auf dass ich zuerst davon spende der Mutter
Menschlichen, die mich geboren zugleich ein Glück und ein Unglück, -
Dann den Heiligen hier, landeingebornen: sie sollens
Wissen, es rauscht von Göttern herein, zu Helden der Grossthat,
Zwar nicht Grossem gemäss hier lagerend, dennoch ein Grösster.
Aber dem Vater im Blau, von dem ihr Niedern den Eingang
Nehmt - zuletzt: Es grüsst der Sohn vom Hause den Vater
Nicht vorab so lang er sich schiebt durch Fremde im Saale.«

Sprachs, und bot ihm der Andre den Trunk und lachte erwidernd:
»Mensch und Gott, und dennoch ein Unmensch, nämlich ein Halbgott,
Nirgend erscheinst du fremd und nirgend begegnen dir Fremde:
Wie du nur willst: tritt ein, so ists die Halle des Vaters -
Schlummerst du, ist dirs mütterlich Dach: in beidem betriffst du
Über der Schwelle nicht Gäste allein, auch Eigengeschwister.
Darum sah ich dir zu wie du trankst: sonst trat ich zur Seite,
Andächtig: wie ziemte mir stehn bei göttlicher Mahlzeit?
Nimm sie von neuem die Schale, sie füllt sich mir über den Händen.«

Antwort finster erbot ihm die hohe Kraft des Herakles:
»Pallas, einziges Mädchen, das weiss, was den Mann und den Gott macht -
Wolan; gieb mir zu trinken und scherze du, mich lass schweigen.«

Ihm antwortete lächelnden Blicks der bäurische Fremde:
»Göttlicher, der du das Aug nur aufthun darfst und den Gott kennst -
Eben nicht Göttern gemäss verspielst du entsetzliche Namen.
Pallas und kenntest du sie so wie ich, du blicktest zu Labung
Die man Dir schenkt, nicht wild, wie der Stier übers kehrende Joch zerrt,
Wenn wir am Ziele der Flur ihn wendigen gegen die Pflugschar:
Stillere Miene beliebt, so vernahm ichs, ob sie geharnischt
Gleich und ein Kriegsbild scheine, der männerbegütenden Tröstrin
Drunten im Hause des Volks Amphissa da hin du gelangtest.
Wunden bringt ihr der Mann und der Held sein Schicksal: es bringt ihr
Sein und des Volkshalb, dass es der furchtbaren Mühen vergesse,
Immer noch kämpfend ein Herz der König hier, Perikleidas,
Heimgekehrt, ein Sieger ob Feindlichen: nicht dass es über-
Fliesse, dem Mädchen beut er das Herz: nur dass es genese.
Überflüssiges giessen euch göttliche Weiber aus: Here
Wucher des Felds, und Kypris, die überflüssige, Wonnen;
Dankts oder nicht - was kümmerts die Üppigen: Hülle und Fülle
Gnügt sich leicht: das Mädchen nicht also: Überfluss schmerzt die
Sinnende, weniges giebt sie, soviel wie Jeglichem mangelt,
Und was mangelt, ist Wenigen viel, und mächtigen Seelen
Welche ein Eignes erlost, gilt nichts, als was es vollendet.
Diesen ergänzt sie von droben den Vorbehalt menschlicher Unmacht
Mädchenhaft; wo anders gewännet ihrs ausser von Mädchen?
Aber gebeten sein und bedankt sein wollen wir Mädchen.«

Sprachs, und wie aus Neblichem her der unsterbliche Berg ahnt
Erst noch ein Schatte und dann schon gewiss und endlich und gänzlich
Über dem niedergeflossenen Tau der Begeisterte aufsteht:
Also zerliefs am Stecken und schwebte zu Golde der Speer auf -
Hinter der Hundsschur dämmert' es gross und umblaute die Aegis
Reglose Brüste, und unter und über dem Goldhaar, heilig
Strömte der Bann, der Gorgo Blick und das einsame Lächeln.

Und zu Athena begann die mächtige Kraft des Herakles:
»Einmal schon mir Gegrüsste sei abermal hochwillkommen,
Nektar und Lanze für Knüttel und Met; warum in den Bauren
Krochst du adlige Tochter aus Zeus und hänselest Müde?« -

Antwort gab Zeus' Tochter, das Heldenherz Pallas Athene:
»Unermüdlicher du, was stichelt dich, dass du von neuem
Prüfst und willst mich Gegnerin dir? Geniesse die Freundin.
Selige lieben das Spiel mit dem Ernst; sie gebieten der Wolke
Wetternde weder noch immer Verfolgende: auch zu Entwölkung
Wehend, von Ungefähr wie auf dich: was stellst du dem Wind nach?
Zwar ich beschiede dir leicht wol Ernst; du hältst es nicht gerne
Mit der Unsterblichen Pfade, du fliehst, so dünkt es die Obern,
Unsere Spur; nicht Here allein und was ihr gehorsamt,
Phoebus auch, und wer nicht dazu, wir sind dir die Feinde
Und du begegnest uns nicht; doch lobst du dir Brüder bei Menschen.
Ist ja bald keine sauere Wiese, du hast ihr die Wasser
Abgegraben, kein übler Geruch, du hast ihn gesundet;
Unter Geflügel und Kriechendem räumst du, über dem Drachen
Siegreich hörst du den Dank, den Löwen gehst du dir schinden
Und einen Kittel giebt dir die Schur: wie nähme dichs Wunder
Dass sich der Gott aus deinem Geblüt in Menschen Erniedrung
Schleicht, wenn er Freund zu Freunde sich naht dem Diener der Menschen?«

Ihr erwiderte Wort wider Wort der ernste Alkide:
»Lieblich verhüllst du mirs alles in Spiel, und das Unsagbare
Das mir keiner sich sagen getraut, ich selber nicht denken:
Du beseligest mirs, wie dus zugiebst, wie du mirs abnimmst -
Geist, nicht Gott: auch Göttliche Mütter gebaren wie dich nichts -
Immer wie einst noch kommst du aufs neu aus dem Haupte des Vaters.
Nun lass gehn. Der Diener des Sterblichen ist seiner Dienste
Ledig einen, den heutigen Tag. Von Walde gekommen,
Gehend, er weiss nicht heute wohin - doch bringt es der Morgen -
Thuend,er weiss nicht was, und zu nichts gut, was er sich wüsste,
Göttern belässt er den Gott und Menschen das Menschliche, ein Mal
Nicht auf Reisen, ein einziges Mal nichts Schreckliches vor sich,
Aber auch hinter sich diesmal nichts: wie ein badender Taumel
Rauschte mirs wunderlich fast, das Gewesene ausser den Adern
Da ich den leeren Anger betrat; da liege ich, liegen
Lass mich; und gehe derweil was will in Trümmer; es schelte
Mich der erbärmliche Hund, der mich Hunden gleich an der Kette
Hält, oder hetzt auf die schweissende Spur; es ersinne die Plumpe
Die dich hasst und der ich verleide, die Mutter des Hinkers,
Neue Erniedrung - hier, als setzet' ich wiederum Säulen
Eines gelaufenen Laufs - Ich will nicht, sag ich, und kann nicht,
Oder ich wollt ihn sehn, beim Helios, der es mir böte.
Ja ein jeglicher heut, ohne mich, ertrage das Seine -
Oder verschwende's. Helios auch, mein Bruder im Aether
Einmal hat er geruht, und den Albernen lassen den Wagen
Stümpern und schmettern und fahren in Brand und die Erde verheeren;
Denn sie ekelte ihm so wie mir: was schuf sie ein Dämon?«

Ihm erwiderte drauf die Gesellin der Tapferen, Pallas:
»Keiner weiss es, es fragts ein Träumender; trinke Vergessen.«
Aber Herakles nahm, und weil er die Schale sich stürzte
Wandte die Göttin sich um, thalwärts mit Winken: es nahten,
Einer vorauf, dahinter Gelaufene, dann wie ein Schwärm kommt
Männer die Hügel hinan und verhenkelte busige Weiber.
Aber sie sahen an ihr die Unsterbliche nicht, für die Niedern
Blieb sie ein landeinheimisches Bild, Einheimischen kenntlich:
Denn nur Göttlichen Augen enthüllt sich der geisternde Anblick.
Diesen gewinkt ohn dass es der Trinkende inne geworden
Nahm sie die leere Schale zurück aus den Händen des Halbgotts,
Und aufs neue begann die erschütternde Kraft des Herakles:
»Kehre dich immer zu Helios um, da gewahrst du den Schönern
Denn mich Schrecklichen langhin hier, den zerschlagenen Unhold.
Aufrecht sollte ich immer, ich weiss wol, immer in Aufbruch
Stürmen und stehn, wie der Arbeitsmann nichts ausser der Arbeit
Ist weder gilt, und kam er wie ich von Himmel hernieder;
Ungeschlachten und Tölpel dazu bestaunt mich die Erde,
Der ich die steinerne Rippe zu brechen, wütende Adern
Aufzureissen und neue zu bahnen, in Schreckengebäude
Aus einander und auf erwachsen den Übergewaltleib
Trage und übergewaltiger Tag um Tage noch türme.
Nicht an der Leier erwuchs mir die Hand hier, nicht an die Rebe
Lehnte sich dieses Gewicht; zum Löwen den ich erwürgte
Wie ein Huhn, gesellt sich die eine, es wollte das andere,
Da ich ihn widergestemmt erbrach, der versteinerte Hades.
Aber und wäre voll Löwen die Welt ein einzig Nemea
Schwärmend wie Luft voll Mücken im Mai, ich liesse dem Hades
Heute den unwiederbringlichsten Raub: und kämen die Völker
Hier zu Scharen herbei der zu Unglück lebenden Menschen,
Deren sich immer mein Herz noch erbarmt - und lachten sie meines
Leibs in Ruh, den sie immer zu Unthat Rache herbeiflehn,
Nicht die Kerbe die hier meine Zeh ritzt, rückte mein Lager
Rechts oder links, und blitzte mich Zeus wie den Japetiden
Nieder in Tartarus - hier, bis Helios reitet zur Schwemme
Bleibe ich, selber verschmiedet an mich, wie an Steine Prometheus.
Bebe und scheitre mir Himmel und Erde um Hilfe: Ich will nicht.«

Ihn beschied der herrliche Mädchensinn, Pallas Athene:
»Schweres Herz, halb selber ein Gott, nicht immer ein Mensch hier,
Nichts geschieht drum dass du von Arbeit eins dich entladen.
Allen zum Feste erlas dein Feiern droben der Vater,
Menschen so wie in Klüften dem Wild und Reissendem - allem
Weder was schadet noch frommt, in Lüften und Tiefen des Meeres
Einhalt hat er geboten; er sendet mich, dass ich dirs kundthu.
Nicht wie sichs trifft, betraf ich dich hier; ich habs zu Amphissa
Vorverkündiget, in der Gestalt, drin ich ehe dir hertrat,
Welchen Geschicks die Stunde das Glücksland heute gewürdigt.
Siehe sie ziehn dir herauf, mit der Flöte zu Sühne, dahinter
Dröhnen die Leiergeläute vom heiligen Schlage, das Volk will
Schaun, das Erschütterte danken, und Opfer bringen der König.
Trinke aus besserer Schale denn diese hier, Sieger du Lieber,
Schön in Siege, Geliebter durch Grossthat, Seliges in dich.«
Sprachs und schwand der Menge entgegen, und kam das Getümmel.

Nämlich es kamen die Ersten, und da sie den Ungeheuren
Sahn, erst starrten sie lahm und dann rückstürzten sie schlohweiss -
Und von Entsetzen geschüttelt, den Hinteren schrien sie das Wort zu:
»Kinder zurück, die Schwangern nach Hause, nicht in die Nähe,
Rettet euch, Er ists nicht, eine Unbill erbrütet die Erde!«
Aber es traten Besonnene vor und heischten sich Ruhe,
Und sie befragten die Widergeprallten all um den Umstand
Als da ist: »Was habt ihr gesehn und verstört euch die Sinne,«
Oder: »wie ist er geschaffen und gliche nicht eben dem Halbgott?«
Und es beschieden die Frage zurück etliche der Feigen:
»Wie zwei Türme und wundenbedeckt und ein fürchterlich Antlitz,
Bart und Haar wie der Wald und hält eine Schale in Händen,
Und er blickt blutläuftiger Augen und lacht, und die Stirn ist
Niedergedrückt und die Lippe verzuckt und die Nase erstülpt ihm
Und voll Runzeln die Wange und niemand traue sich hingehn!«
Und sie hielten die Andern zurück, es kam aber Andrang
Unten herauf, wie wenn eine Ebbe wird: hinten herauf schwillt
Welle erhebend der stürmische Meerschoss Brandungen vorwärts,
Aber vom Sande zurück einschlürft sich die hintergeschlungne
Bitternis breit in verdämmender Rieselung, meerwärts reissend,
Und in der Mitte erstrudelets kreiselnd: also verhielten
Fernab schier zu Markte gestaut die streitenden Völker,
Und nicht über die Schranke hinaus stiegs weiter aus Tiefen.
Aber ein Einsamer lag und ruhte der mächtige Halbgott.

Aber es trat in den Haufen, und hielt in der Linken den Knittel
Handfest wie's bei Wäldern Gebrauch, und ein bäuerlich Hundsfell
Enge um Schulter und Kopf und ein Sichelmesser im Leibgurt
Ernsten Auges und Zürnenden gleich ein edeler Landmann,
Und mit Eile kamen aus ihm die Worte geflogen:
»Ist denn ein Hirt nicht hier, der die albern drängenden Schafe
Treibt, kein Priester der Götter euch anzubefehlen was Rechtens?
Meint ihr es werde ein ander Mal der Unsterblichen Einer
Euch auf die Landflur tretend die Scholle versegnen, den Weibern
Mächtige Kinder, dem Vieh seinen Wurf vollträchtigen, weil ihr
Schlimmer als Unverständige stotzt, als Rinder vor Neuem?
Schäme sich, jeder der Mannsnam trägt: was soll auch der König
Denken, ich seh ihn drunten, es naht der Held Perikleidas
All mit Söhnen und Hunden und Herrn, der Göttergeborne -
Sieht er sein Volk wie die Blöden dahier das Heiige verwirken.
Flöten vorauf, wo sind die Erkornen? Wo mit den Stieren
Jünglinge, wie euch geboten zuvor? Blast dass euch die Ohren
Springen, und flüchte was unhold sei, und siege das Holde.«

Aber es stieg von unten herauf der hohe Akraiphas Simichos'
Sohn, der Priester Athenas, reichte die Hand ihm
Und mit Eifer kamen aus ihm die Worte geflogen:
»Trefflich sagts der Treffliche hier: was wartet ihr Thoren
Alles nach Fug zu bestellen, wie solch ein Allen genehmer
Ratsmann, der noch keinen betrog, der hohe Akmatas
Lykios' Sohn euch rät? Vorwärts das Flötengeleite -
Oder auch besser, ihr ordnet euch hier, dieweil sie die Sühnung
Sitzende blasen und dann brichts auf und ergeht in der Ordnung.«

Sprachs: und allen gefiels und hockten die Blasenden zwanzig
Nieder und bliesen das rauschende Lied, und dahinter in Rotten
Reihte sich all das Getümmel zumal, und es ward eine Reise
Unabbrüchlich die Fluren hinab bis in Thore der Veste;
Aber nachdem die Weise verscholl, aufstanden und zogen
Alle in Feiergeleite dem Hange zu, und in den Brüsten
Graute die Seele dem Volke vom Heiligen dem es da zuging.
Da aber eben die Ersten den Gott ansichtig geworden
Rechter und linkhalb traten sie hin und ward eine Runde
Weit und breit, und keinem verlautete Wort in der Kehle
Sondern in Andacht Stands; und gerne, unter des Baumes
Schatten gestreckt ermass der Unsterbliche Meister die Menschheit.

Aber es trat mit Stieren hervor, zwei Jünglinge hielten
Jeglichen an der verblendenden Hut, der Priester Akraiphas,
Und er sprach ein gemessenes Wort und kündet' es lautbar:
»Wiss es Zeus und die Heiligen droben und drunten im Boden
Und Gebirge und Meer und Helios über dem Aether -
Dies ist Volk freibürtiger Aeoler, welche Amphissa
Siedelten unter dem Pelion Walde und kommen dir danken
Heiliger Sohn des Vaters der Götter und Sterblichen Alle,
Amphitryonischer Herrgott Held, Heil heile Herakles.«

Sprachs und hüllte das Haupt: und hüben die Jünglinge Stahl auf
Dass sies niedergestossen in Stierhals drehten zu Opfer,
Aber es reckte die Hand die gewaltige Kraft des Herakles
Hemmend, und also beschied der Gelagerte selber den Priester:
»Blutes genug; nicht mir ins Gesicht abmetzen ein Lebigs.
Führet sie gegen mich auf; und lagre sich aller der Haufe.«
Sprachs; und waren dem Sohne Alkmenes Dienstes gehorsam
Alle die Bebenden rings und es schnoben als bliesen sie Futter
Unter den Händen der Männer die Tiere, und traten von selber
Hang hinauf, umwandelten lang die Stätte des Gottes
Unter der segnenden Rechten und ward Gemurmel im Volke,
Dankbar, aber auch Lachen begann, und es wurden von Weibern
Hellere Stimmen schon laut, und Kinder krochen im Schwarm vor,
Zaghaft wol, doch dreistere auch; und all über dieses
Lautlos ging der besänftigte Blick des ruhenden Riesen.

Aber ein Leiergetös, nah dröhnte es; und eine Gasse
Ward in dem rings gelagerten Volk; von Thale gezogen
Nahte herein, mit zehn seiner Söhne und Söhnen der Edlen
Tief andächtigen Haupts, einen Goldstab in der erhobnen
Linken und über dem Herzen die Rechte, selber der König;
Trat ins Rund; und das Volk stand auf; da legte den Zepter
Gegen den Grund der Held Perikleidas, und von der Schläfe
Löst' er das goldene Band, und unaufblickend, die beiden
Arme erhoben begann er die frommbedeutende Rede:
»Zeus' und der Sterblichen Sohn, der unter das Volk meiner Kinder
Und meiner Ahnen getreten uns heilbedeutender anwohnst
Wolan. Keiner als du ist König hier, weil du dahier bist.
Segne uns Herz und Herd; gebiete uns, wessen dich mutet,
Lass dir gefallen was Menschen vermögen. Aber hernachmals
Bleibe du unser gedenk und es sei bei Völkern die Sage:
Amphissäer geliebt und besucht hat selber Herakles
Und geehrt; des sind sie im Menschengeschlechte die Bessern.«
Sprachs, und ihm erwiderte drauf der gewaltige Meister:
»König über dies rechtliche Menschenland, Perikleidas,
Wol um Wol vergüt ich es dir. Der Götter ist eines,
Eines der Menschen Geschlecht; und dahinter die Ahnen die gleichen.
Gieb mir ihn her den Stab, dir geb ich dawider die Kralle
Hier des Leun, den ich fernhier schlug; ist eines das Zeichen
Dass ich das Gastrecht nehme und danke dirs - sollst aber du drum
Halten im Hause ein Zeichen dass ja Zeus' Erbe dein Gast war.«

Sprachs, und wie man ein Fiederlein rupft aus Vogelgebälge
Zog er mit mühloser Hand aus der Mördertatze des Bergleun
Eine der Krallen und bot sie dem König wider den Zepter.
Und der Rede begann übers Land der Fürst Perikleidas:
»Dies auf ewige Zeiten bewahrt mein Haus für ein Kleinod.
Gönn aber du nun mir ein erhabener Zeichen des Tages,
Dass es bei Künftigen daure und stets unaltre im Liede:
Mannbar dacht ich der Söhne mir einen hier, künftigen Mondes,
Diesen da, zu bestellen, Amyntor, aber es gingen
Übel die Zeichen uns aus; nun weiss ich es, wie es gemeint war:
Hier und heute sollt es ergehn: und heute und hier soll
Alles mein Volk vorweg die Begängnisse nehmen, so viel man
Hochzeit haltens und Rechte bestellens willens gewesen,
- Hier und Heute ergehs: du segne die Jünglinge lehrend
Mühsal dulden und Leib nicht sparen und lehre das Herz sie
Tragen das unter Geschick nicht bricht und vollendet die Erde.
Kraft aus hauche auf Bräute und Weiber, dass sie uns Helden
Tragen und ewiger Name Amphissas unter den Nachbarn
Schrecklich sei, wie der deine beim Unholdigen: und gönne,
So du mirs gönnst, ein Letztestes noch; in vielen der Gaue
Wuchert, also vernahm ich es oft, dein Same und Zeus' Blut -
Manchen der sterblichen Töchter und Fürstenkinder, in Hinziehn
Durch ihr Land, verprägtest du dich, und Helden Geschlechter
Rühmen sich dein und singen von dir bezwungene Ahnin:
Dies versage mir nicht; es wuchs mir im Frauengemache
Lieblich unter den Lieblichen auf der Töchter des Landes
Nicht die geringste, ein Wonnegesicht, die bescheidene Myrrho.
Untenherauf schon führt man sie her: zu Füssen dir lass sie
Weil es noch tagt gesessen die Stunde des Abends erwarten
Da sie des heiligen teilhaft wird und deiner Vermählung.«

Sprachs; und nickte ihm tief aus Schatten die Kraft des Herakles
Günstigen Sinns; und fuhr aus dem Volk ein tosender Jubel
Unaussprechlich; es dröhnte der Grund und es hallten die Berge,
Tanz brach aus und die Flöten und Saiten ergellten und brausten.
Aber es brachten die Diener heran für den Fürsten des Landes
Sessel und Pfühl und ein Schemel davor, und Stühle den Edlen,
Speise und Wein; und es trat zu dem Gotte der Held Perimadas,
Der Perikleidas' Stamme vorauf als ältester Sohn ging:
Dieser in Händen die goldene Kanne stand ihm ins Schenken
Amt, und das Volk sah auf: und sprach der eine zum andern:
»Wol uns dass wir vermeinen die Folgezeit, in den Olympus
Selber gesehn zu haben wo Zeus in die Schale der schönste
Edelgesell Ganymedes schenkt; und das Schöne muss gut sein.«
Aber die Herolde bahnten derweil und hiessen die Menge
Weichen: denn über den Scheitel hinab fuhr Helios western,
Und die Spiele zum Feste Amyntors, da er die Waffen
Nähme, beeilen hiess Perikleidas; also begann da
Faustkampf unter den Söhnen des Volks und schlugen da zwanzig
Jugendpaare sich Brust und Genick und krachten die Leiber.
Ringer traten heraus und suchten sich, nahmen sich Ober-
Griff und unteren fort, nun plötzlich sich lassend und bessres
Spähend, bis endlich in eins der verrungene Knoten den Stärkern
Hergab, und den Sieger das Volk bei Namen herausschrie.
Läufer standen unregbar des Zeichens gewärtig, und kam es
Stoben sie hin soweit die flachere Halde den Lauf liess,
Schwenkten ums Ziel, und über Gestürzten erbrauste der Schnellste
Hangauf gegen den Gott, der brach aus dem Baume die Preise,
Nur einen Zweig, doch trugs wie ein Gott der Begeisterte dankbar.
Also spielten sie kämpfend die Jünglinge, dann aber Knaben,
Glühende von der Begier, dass Herakles, Schaffner der Siege,
Namen und Preise vergäbe: und freute sich liegend der Halbgott
Alle des Kampfs, und aller der Mühsal, und aller der Siege.
Und das Getös verendete nicht, es schmausten die Völker
Weit und breit, und ein Gaukler pfiff, da kreischten die Weiber
Gellend und schob sich die Menge herum, und zerlief sie sich lachend,
Kam und ging, und nahte dem Göttlichen, scherzte und floh ihn.

Aber dieweil von der Burg her kam, von Frauen geleitet
Langsam über den Hang, und hielt eine Blume in Händen
Zitternd im Flimmergewand und in Schleirigem, göttlich ein Anblick,
Zwischen den schönsten der Mädchen die immer noch schönere Myrrho,
Fast ein Kind; und wagte die Augen nicht aufzuheben
Unter dem tobenden Volke, und wich das grobe zur Seite
Dass das verlobte Gemahl des Erhabenen keiner verletze.
Scham begoss ihr die blumigen Wangen und Thränen vergoss sie
Ob des Gewühls und wol des Geschicks auch. Doch die Gespielen
Sprachen ihr zu, das Flüstern vernahm man nicht: aber der König
Nahm sie aus Händen der Mutter entgegen, und vor dem Gott stand
Ihm an der Hand die Zarte, ein Rieseln nur, Beben des Goldnen
Um sie her und an ihr herab, und ein Schüttern der Falten.
Aber da sie die Reizende ihm auf die mächtigen Kniee
Eben gesetzt, und der Sohn Alkmenes ihr von der Stirne
Teilte den Schleier und, nun erst auf, die Beschämte ihn ansah,
Ward ein Schrei. Und das Volk zerfuhr, und der König erstarrte,
Jählings ob des verletzten Gebrauchs und der Lästrung: weinend
Und mit dem Schleier die Augen sich haltend schluchzte die Jungfrau
Über den ungenehmen Gemahl, dem sie noch auf dem Knie sass,
Über das quälende Aug und den borstigen Mund und die Brauen
Falten in Falten geprägt und das ungeheuere Antlitz
Hässlich wie sie es deuchte und grauenvoll wie sie es ahnte,
Und ihre Mädchenschaft und die Hoffnung dass sie dahin war.
Dies beweinte sie bitter und schaudert' es bis in das Herz sie.

Aber es lächelte drein die gewaltige Kraft des Herakles
Ohn ein Arg, und das Lächeln auf eins brach laut in Gelächter
Und das Gelächter, unendlich erscholls und unübermöglich
Dass er wankte und mit ihm das Kind und mit beiden der Ölbaum.
Und mit Lachen kamen aus ihm die Worte geflogen:
»Unbesorgt, oh Reizende du. Du behältst sie die Blume,
Diese in Händen dahier, und die heimlichere. Du bewahrst sie
Anderen auf, nicht mir; du brächst mir, wie dein Geschmeide
So ich dirs lösen gewollt, in ein Nichts noch unter den Händen.
Trockne die unnütze Thräne und höre mir: All in die Zukunft
Heiss es von dir, du habest auf Knieen gesessen Herakles
Diesem die Seele gerührt und er habe dir Söhne und Enkel
Wünschen sich eher geliebt, als in dem Kinde zu zeugen,
Das ihm auf Knieen geweint und gebangt vor dem Unausmessbarn.
Küsse mich des zu Gewähr und bange nicht; immer noch weinst du,
Aber umsonst; lass gehn und geniesse des göttlichen Segens.«

Sprachs; da trocknete gerne die ebenwangige Myrrho
Bitteres Nass von der Wimper und küsste den Schrecklichen, spitzer
Lippen, und schied, wol gern, aber ungern auch: denn es deuchte
Sie, es habe der Gott sich der Weigernden gar zu geschwinde
Oder zu leicht getröstet, und hätte wol dürfen dazu sehn,
Oder versuchen die Spröde zu schmeidigen oder zu werben.
Also nicht ganz getröstet entstieg sie dem seltenen Sitze.

Aber die Dämmrung kam, und es wehte vom Meere; und mählich
Müde des Tobenden sass und des Fests die Feiergemeinde.
Da trat neben dem Könige her, und trug eine Leier
Links im Arme und regte dazu den erhobenen Schlägel
Thestios, blind ein Greis, der Sänger im Saale des Königs,
Welchen die Muse begabt und lehrte ihn allen die Seele
Schmelzen in innerster Brust, wenn er anhub, des er vermochte.
Also stillte die Menge sich nun; und jeglicher wie er
Ging und stand, verharrte gebannt; und der mächtige Halbgott
Lag und bot dem Schenken die Schale und goss Perimadas
Aus und Herakles nahms, aber trank nicht sondern er lauschte.

Diesen begann des Gesangs in der Dämmerung Thestios, Saiten
Rührend zuvor, und erschallte drein; und er sang von Herakles
Wie er geboren noch kaum, in der Wiege noch, Schlangen erdrosselt,
Drauf von Heres hässlichem Neide dem Menschen ins Handwerk
Als verdungen die schreckliche Zahl Arbeiten begonnen,
Rastlos, unter der Tücke der Welt und dem Hasse des Himmels,
Mensch erdrückt und ein Geist unüberwindlicher Gottheit -
Alles beschrieb er genau, und er hätte zu Ende gesungen
Wäre nicht furchtbar her durch die Stille erklungen ein Brüllen
Grauenhaft, wie keiner der Sterblichen, ausser von Göttern
Her vernommen, es sei dass Gewitter kracht oder Meer brüllt,
Oder es bebt aus Bergen heraus und schiesst die Gewahrsam
Eingeborener Glut in die lautaufheulenden Lüfte.
Neben dem Baum aufrecht so hoch er ragte, entsetzlich
Stand der ertobte Gewaltige da, aus den Händen die Schale
Schleudernd, dass sie mit gellem Geklirr ins Untere tanzte,
Und mit den mächtigen Händen sich Bart und Haare zerfahrend,
Und mit Wüten kamen aus ihm die Worte gedonnert:

»Mir aus den Augen, faselnde Brut, unsinniges Schandpack
Lallendes, mir aus den Augen dahin, eh dass ich den Baum hier
Ausser den Wurzeln gestemmt euch Eingeweide und Glieder
Malme zu Blut und ob es mich zehnfach reute danachmals -
Undankbare, Unsägliche ihr, Wahnwitzige, die ihrs
Wagt mir selbst mich selber zu zeigen, mir das vergessne
Niedergetröstete Schreckensgeschick aus dem Grabe der Seele
Auszureissen und frech mir in beide Augen zu stossen!
Ist nicht genug, dies alles für euch Erbärmliche thun und
Leiden, genug nicht Dieser zu sein, der Verfluchte auf Erden,
Auch noch hören dass ich es bin, noch wissen ich solls sein
Muss ich, und Jahrmarkt werden bei euch die Last und das Elend?
Rettet euch, rast bergab, ich halte die Ader nicht länger,
Bin euch endlich den ihr mich heisst, der Schrecken der Wildnis
Innerlich so wie das Aussen, davon man die thränenden Augen
Kehrt; ihr wollts und ich ende das Fest wie ihr selber es endet,
Ende die Ruh mit der Arbeiten letzter, rotte von Grund auf
Dies verfluchte Gezücht, dem ich frohnde, dieses aus dem mich
Zeus hat wollen erzeugen zugleich ein Glück und ein Unglück.«

Sprachs und sah in die Runde und ging ihm über dem Zorne
Wieder der Blick ins Weite herauf, den Zürnen geblendet.
Aber er sah nichts weit und breit. Bescheiden im Nachtbruch
Glänzte der einsame Hang, in Westen barg seine Rosse
Helios unter die Erde. Da sass in die Kniee der Riese,
Hände das Paar in die Augen verstemmt und hub sich die Brust ihm.
Blut vor Augen und Blut in den Ohren erbrauste ihm, Pauken
Gleich erklangs durch den Gang seines Grams und griff ihm wie Zimbeln
Durch das Gefühl: da brach ihm die Dumpfheit Rede vernehmlich
Und es sprach die Stimme von Anfang; neben ihm freundlich
Stand das herrliche Mädchen begütigend, Pallas Athene,
Und sie begann der Rede zu ihm mit bescheidenen Worten:
»Zürne nicht mehr, du grollst um vergebliches. Trage die Menschheit,
Gott, bis hinunter ans Ziel, bis hinauf, da das andere Ziel ist.
Diese lieben dich, Held. Wer grollte um fehlbare Liebe?«

Ihr beschied mit Wort wider Wort der trauernde Halbgott:
»Hin sind alle gestoben, sie fürchten mich; Unglück flieht man,
Und man meidet erhabenes Los, das selber sich ausspricht, -
Keiner du siehsts, hielt aus, wie ich sprach als ich selber nicht aushielt.«

Antwort gab dem Trauernden da die Trösterin Pallas:
»Horche hinaus: du hörst was wider Vermuten sie hinriss,
Anderes ists, denn du es vermeinst: oh siehe es naht aus
Osten herein: ein doppelt gesegneter ist es, ein Festtag
Worden dem Lande allhie; mit Pauken wandert, mit Zimbeln
Hallt, mit Begeisterndem kommt ein berauschter Bruder, es kommt hier
Bacchus der Inder hindurch; wie verargtest du, dass er sie hinriss?«

Und der Erhabene schwieg und lauschte; die Ferne erblühte
Wahrlich unter dem purpurnen Duft von Wildem und Wohllaut
Selig, es hallte wie Zaubergeläut und die Pauke ertobte
Weich und die Flöte erwühlte die Nachtluft unter den Bergen.
Und es beschied die Göttliche so die Kraft des Herakles:

»Bacchus denn: mir aber vorbei: so lass ihn vorbei sein.
Einziger unter den Göttlichen mir, dem ich nicht aus dem Wege
Zöge mit Willen: und mir zieht er die glänzende Strasse
Westwärts heute vorüber; und gut, ich ziehe die meine.«
Sprachs und schulterte Löwengeschind und hob seine Keule.

Anders aber beschlossen es Himmlische; weil es vernommen
Hinten der Duftberauschte, der Sieger, welchen Gesellen
Eben im Gau anwohnend er weiter ziehend versäume:
Und zu den Stehenden kam, dem Geschwisterpaar Dionysos
Blau wie ein Stern durch die Luft, stand hin und sagte die Worte:
»Hoch willkommen, du Sohn meines Vaters, fahrender Bruder.«

Aber Herakles blickte ihn an; da sah er von Fuss auf
Bis zu Haupten in Schimmer gebadet den herrlichen Weichling
Ein Gebild der seligen Luft. Ihn deuchte die Erde
Trüge ihn nicht, ein Schwebender stand er. Aus seinen Augen
Flammte es warm, der trotzige Mund ausatmete Küsse,
Ungeküsst unküssend, es sehnte der Arm sich ins Dunkle.

Aber ingleichen der herrliche Gott bestaunte den Riesen
Finster im Duft, und der Glieder und Schultern Quadergebäude
Und überm Haupte den Leun. Und reichte ihm Hand in die Hände
Wortlos, aber ihm fasste die Hand der Andre; und standen
Brüderlich also gesellt und unter dem Auge des Vaters.


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