Stefan Andres

Stefan Paul Andres (* 26. Juni 1906 in Dhrönchen; † 29. Juni 1970 in Rom) war ein deutscher Schriftsteller. Andres, Mitglied im Bamberger Dichterkreis, war in den 1950er Jahren einer der meistgelesenen deutschen Autoren. Seine bekanntesten Werke sind die Novellen El Greco malt den Großinquisitor (1936) und Wir sind Utopia (1942).

 

                                                  

Jugend und Studium

Andres war das neunte Kind des Müllers Stefan Andres und wuchs die ersten vier Jahre seines Lebens in der Breitwiesmühle bei Dhrönchen an der Mosel auf. 1910 zog die Familie nach Schweich, weil sie wegen des Baus der Dhrontalsperre ihre Mühle aufgeben musste. Andres besuchte das zum Orden der Redemptoristen gehörende Gymnasium Collegium Josephinum, das vor dem Ersten Weltkrieg seinen Sitz in Vaals hatte.

Im Herbst 1920 verließ der Klosterschüler auf Anraten seiner Oberen als Untertertianer das Kolleg und begann 1921 bei den Barmherzigen Brüdern von Maria Hilf in Trier in der Krankenpflege. Schon kurze Zeit später wandte er sich jedoch den Armen-Brüder des hl. Franziskus nahe Aachen zu (23. April 1921 bis 1924). Während dieser Zeit entstanden Andres’ erste dramatische Versuche.

Auch die Armen Brüder boten ihm keine endgültige Heimat und so bereitete sich Andres 1925/26 in Neuss auf das Lehrerexamen vor, das er am 17. März 1926 ablegte. Er wohnte währenddessen in Dormagen und arbeitete außerhalb der Examensvorbereitungen an einer geschlossenen Anstalt für Fürsorgezöglinge. Noch ein weiteres Mal versuchte er es mit dem klösterlichen Leben und trat in das Noviziat des Kapuzinerordens in Inrath ein (seit September 1926).

Anfang Januar 1928 übernahm er die Schriftleitung der katholischen Monatszeitschrift Der Marienborn, in der er seine ersten Erzählungen veröffentlichte. Das Bischöfliche Konvikt zu Bensheim bot ihm die Möglichkeit, als Lateinlehrer zu unterrichten; zugleich konnte er sich auf das Abitur vorbereiten, das er schließlich im Februar 1929 ablegte. Er kehrte in sein Elternhaus zurück und es fiel der Entschluss, sich nicht mehr auf das Ziel Theologie zu fixieren.

Er begann ein Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie, zunächst an der Universität zu Köln, dann an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo er seine spätere Frau, die Medizinstudentin Dorothee Freudiger, kennenlernte, und schließlich an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin. Nachdem sein Buch Bruder Lucifer erschienen und mit einem Stipendium der Abraham Lincoln-Stiftung belohnt worden war, verwirklichte sich Andres 1932 seinen Traum einer Reise nach Italien und verzichtete auf einen akademischen Abschluss.

Freier Schriftsteller

Ab 1933 widmete sich Andres ganz der Schriftstellerei. Im nationalsozialistischen Deutschland gelang es dem jungen Autor jedoch nur schwer, Fuß zu fassen. Eine Arbeit beim Kölner Rundfunk unterbrach er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und zog sich im Frühjahr 1933 mit seiner jüdischen Frau nach Positano in Italien zurück. Für kurze Zeit kehrten beide zurück, bevor Andres 1935 beim Rundfunk gekündigt wurde. Über München siedelte er 1937 mit seiner Familie endgültig nach Positano über. Trotz der Bildung der politischen Achse Deutschland-Italien 1938 blieb Andres in innerer Emigration in Italien. Bis 1949 wohnte und arbeitete er in Positano. Die Stadt Positano widmete ihm 1990 die nur zu Fuß erreichbare Straße, in der er damals (angeblich im Haus Nummer 8) wohnte.

Im Jahr seiner Rückkehr nach Deutschland erhielt Andres den Rheinischen Literaturpreis, dem im Laufe der Jahre weitere renommierte Auszeichnungen folgten. Verlegt wurden seine Werke ab 1949 im Piper Verlag (mit dem Verleger Klaus Piper verband ihn eine enge Freundschaft). In den Nachkriegsjahren nahm Andres öffentlich Stellung zu einer Reihe zeitgeschichtlicher und politischer Fragen. So beteiligte er sich an Ostermärschen gegen die Stationierung von US-Raketen in Deutschland und sprach sich wiederholt in Aufsätzen und Reden gegen das Wettrüsten aus. Er setzte sich für eine Verständigung zwischen Ost und West und für die deutsche Wiedervereinigung ein.

Im Herbst des Jahres 1961 kehrte Andres nach Italien zurück, Ausdruck seiner Enttäuschung über die deutschen Verhältnisse, die nicht seiner Vorstellung eines erneuerten Deutschlands entsprachen. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils war Andres’ Haus in Rom ein Treffpunkt für literarische und theologische Persönlichkeiten. Andres’ letzte große Reise führte ihn 1968 nach Asien und in den Orient. Er starb am 29. Juni 1970 in Rom an den Folgen einer Operation. Er wurde auf dem Campo Santo Teutonico, dem deutschen Friedhof im Vatikan beigesetzt.

Sein Nachlass befindet sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Die Stefan-Andres-Gesellschaft bemüht sich seit 1979 um das Andenken des Dichters durch regelmäßig abgehaltene Veranstaltungen, Konferenzen, Lesungen und Diskussionen. Seit 1986 verleiht sie alle drei Jahre den Stefan-Andres-Preis der Stadt Schweich. Zu den Preisträgern zählen unter anderem Arnold Stadler und Christoph Hein.

Werke:

Lyrik

  • Die Löwenkanzel. Staufen, Köln, 1933
  • Requiem für ein Kind. Ellermann, Hamburg, 1948
  • Der Granatapfel. Oden, Gedichte, Sonette. Piper, München, 1950 (Erweiterte Neuausgabe 1976 als Gedichte.)
  • Gedichte. Piper, München, 1966


Romane

  • Das Heilige Heimweh. Originalroman von Paulus Andres. Marienborn, Leipzig, 1928/29
  • Bruder Luzifer. Diederichs, Jena, 1932
  • Eberhard im Kontrapunkt. Ein Roman. Staufen, Köln, 1933
  • Die unsichtbare Mauer. Diederichs, Jena, 1934
  • Der Mann von Asteri. Riemerschmidt, Berlin, 1939
  • Die Hochzeit der Feinde. Scientia, Zürich, 1947
  • Ritter der Gerechtigkeit. Piper, München, 1948
  • Das Tier aus der Tiefe. Piper, München, 1949
  • Die Arche. Piper, München, 1951
  • Der Knabe im Brunnen. Piper, München, 1953
  • Die Reise nach Portiuncula. Piper, München, 1954
  • Der graue Regenbogen. Piper, München, 1959
  • Der Mann im Fisch. Piper, München, 1963
  • Der Taubenturm. Piper, München, 1966
  • Die Dumme. Piper, München, 1969
  • Die Versuchung des Synesios. Piper, München, 1971
  • Die Sintflut. Stefan Andres Werke in Einzelausgaben. Hrsg. von John Klapper. Wallstein Verlag, Göttingen 2007.


Erzählungen

  • Das Märchen im Liebfrauendom. Fünf Märchen für Marienkinder. Bohn, Leipzig, 1928 (Als Paulus Andres)
  • Der kleine Klunk. Drei Erzählungen. in: Münchner Neueste Nachrichten 9. Februar 1936, 9. August 1936, 24. November 1936
  • El Greco malt den Großinquisitor. Erzählung. List, Leipzig, 1936
  • Vom heiligen Pfäfflein Domenico. Erzählung. List, Leipzig, 1936
  • Utz, der Nachfahr. Novelle. Hausen, Saarlautern, 1936
  • Moselländische Novellen. (Enthält Die unglaubwürdige Reise des Knaben Titus., Die Vermummten., Der Menschendieb., Gäste im Paradies., Der Abbruch ins Dunkle.) List, Leipzig, 1937 (Neuauflage 1949 als Gäste im Paradies. Moselländische Novellen.)
  • Das Grab des Neides. Novellen. (Enthält Das Grab des Neides., Hagia Moné., Der Olympische Frieden.) Riemerschmidt, Berlin, 1940
  • Der gefrorene Dionysos. Erzählung. Riemerschmidt, Berlin, 1943 (Neuauflage 1951 als Die Liebesschaukel. Roman. Piper, München)
  • Wir sind Utopia. Novelle. Riemerschmidt, Berlin, 1942
  • Wirtshaus zur weiten Welt. Erzählungen. (Enthält Der Weg durch den Zwinger., Sommerliche Elegie., Wirtshaus zur weiten Welt.) Diederichs, Jena, 1943
  • Das goldene Gitter. Erzählung. Lüttke, Berlin, 1943
  • Die Häuser auf der Wolke. Kindermärchen. Middelhauve, Opladen, 1950
  • Das Antlitz. Erzählung. Piper, München, 1951
  • Die Rache der Schmetterlinge. Eine Legende. Klemm, Freiburg i. Br., 1953
  • Positano. Geschichten aus einer Stadt am Meer. (Enthält Die beiden Pharaonen., Das Fest der Fischer., Mozzo, mein Faktotum., Die Wohnung der Sabenissimo., Mein Nachbar Michelino., Der Urlaub., Die Himmelsschuhe., Die heilsame Sünde des Don Gianino., Die großen Ferien., Flora., Terrassen im Licht.) Piper, München, 1957
  • Die Verteidigung der Xanthippe. Zwölf Geschichten. (Enthält Das Trockendock., Die Verteidigung der Xanthippe., Der hinkende Gott., Die schwarze Dame., Der Umweg über den Galgen., ,Bitte nach Ihnen!’, Die Brücke von St. Esprit., Die Unterlassungssünde., Der kleine Schlüssel., Fahr mit Gott, Lutka!, Der Tisch., Die doppelte Explosion.) Piper, München, 1960
  • Novellen und Erzählungen. (Enthält El Greco malt den Großinquisitor., Die Vermummten., Die unglaubwürdige Reise des Knaben Titus., Das Grab des Neides., Wir sind Utopia., Wirtshaus zur weiten Welt., Das Antlitz., Am Brunnen der Hera.) Piper, München, 1962.
  • Das goldene Gitter. Novellen und Erzählungen II. (Enthält Der Mörderbock., Das goldene Gitter., Der Menschendieb., Gäste im Paradies., Der olympische Frieden., Der Weg durch den Zwinger., Die Rache der Schmetterlinge., Die beiden Pharaonen., Amelia.) Piper, München, 1964
  • Die biblische Geschichte. Erzählt von Stefan Andres. Droemer, München und Zürich, 1965
  • Noah und seine Kinder. 15 Legenden. Piper, München, 1968
  • Die große Lüge. Erzählungen. (Enthält Die große Lüge., Bootspartie zu dritt., Die Maschine.) Piper, München, 1973
  • Gäste im Paradies. Moselländische Novellen. Stefan Andres Werke in Einzelausgaben. Hrsg. von Hans Wagener. Wallstein Verlag, Göttingen 2008.
  • Terrassen im Licht. Italienische Erzählungen. Stefan Andres Werke in Einzelausgaben. (Enthält außer den oben genannten und z.T. bereits gesammelt erschienenen auch noch seinerzeit verstreut veröffentlichte, darüber hinaus einige hier erstmals veröffentlichte Texte mit Italien-Thematik), herausgegeben von Dieter Richter. Wallstein, Göttingen 2009
  • Wir sind Utopia. Prosa aus den Jahren 1933 - 1945. Stefan Andres Werke in Einzelausgaben. Hrsg. von Erwin Rotermund und Heidrun Ehrke-Rotermund unter Mitarbeit von Thomas Hilsheimer. Wallstein Verlag, Göttingen 2010.


Dramatische Werke

  • Der ewige Strom. Oratorium. Musik von Wilhelm Maler. Schott, Mainz und Leipzig, 1936
  • Schwarze Strahlen. Kammerspiel. Bloch, Berlin, 1938
  • Ein Herz, wie man's braucht. Schauspiel. Fischer, Stockholm und New York, 1946
  • Die Söhne Platons. Komödie. Bloch, Berlin, 1946 (Neuausgabe 1956 als 'Die Touristen. Eine burleske Komödie.)
  • Tanz durchs Labyrinth. Dramatische Dichtung in fünf Bildern. Piper, München, 1948
  • Gottes Utopia. Tragödie. Bloch, Berlin, 1949
  • Der Reporter Gottes. Eine Hörfolge in 10 Kapiteln. Knecht, Frankfurt a. M., 1952
  • Wann kommen die Götter? Drama. Bloch, Berlin, 1956
  • Sperrzonen. Eine deutsche Tragödie. Bloch, Berlin, 1957
  • Sperrzonen. Hörspiel. Hans-Bredow-Institut, Hamburg, 1959
  • Vom Abenteuer der Freude. Chorwerk. Musik von Harald Genzmer. Schott, Mainz, 1960

 

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