Stefan Zweig - Die frühen Kränze

 


 

Inhalt

Die frühen Kränze


Die Lieder des Abends
Träume
Lied des Einsiedels
Überglänzte Nacht
Herbst
Der dunkle Falter
Sinkender Himmel
Graues Land

Fahrten
Sonnenaufgang in Venedig
Stille Insel
Nächte am Comersee
Brügge
Stadt am See

Frauen
Blühen
Die Zärtlichkeiten
Das fremde Lächeln
Terzinen an ein Mädchen
Die Hände
Neue Fülle
Die geneigten Krüge

Die Nacht der Gnaden

Bilder
Der Sucher
Landschaft
Winter
Biblische Ballade
Der Verführer

Das Tal der Trauer

Sinnende Stunde

Sinnende Stunde
Verträumte Tage
Entkettung
Die Frage
Die Wolken
Das singende Blut
Steigender Rauch

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Die frühen Kränze

Oh, come grato ocorre
Nel
tempo giovanil, quando ancor lungo
La speme e breve ha la memoria il corso,
II rimembrar delle passate cose!
                                                   
Leopardi

I

Oft bange ich, vom Tal der Heiterkeit
Biege mein Weg zu Stille schon und Schweigen,
Denn leiser wandelt meiner Stunden Reigen,
Wie Menschen gehn vor naher Müdigkeit.

So war, was ich, ein Kind, ein Träumer nahm
Das Leben schon ? Und waren die verfrühten
Geschicke, die ich griff, schon reife Blüten,
Mit denen meine Jugend zu mir kam?

Doch Fragen sind dies, die ich klaglos spreche,
Denn keiner weiß es ganz, was er erlebt,
Da er noch Strom ist und geschnellte Schwinge,

Und erst, wenn alle Unrast fern verbebt,
Malen sich bildhaft auf der stillen Fläche
Die späten Träume der erlebten Dinge.

II

Doch diesen Glanz verlangt es mich, zu halten,
Zu fassen das, was kaum Erlebnis war,
Der Ferne Gruß, der Frauen mattes Haar,
Den Heben Schritt enteilender Gestalten,

Und solche Bilder, ehe sie
verschatten,
In heißen Worten formend zu erneuern,
Daß sie, geläutert von den späten Feuern
Ein Glühen geben, das sie einst nicht hatten.

So wird, was schon verging, mir neu zu eigen
Und reicher nun. Gefangen im Gedicht
Runden die Stunden längst schon welker Lenze

Sich lächelnd wieder in den Lebensreigen
Und ein - fast träumendes - Besinnen flicht
Die bunten Farben in die frühen Kränze.


Die Lieder des Abends

Heard melodies are sweet, but those unheard
Are sweeter.                                 Keats

Die Dinge, die die Abende erzählen,
Die sind so seltsam süß und wunderbar,
Weil sich in ihnen Wunsch und Wort vermählen
Und küssen, wie ein Schwesterlippenpaar.


In ihnen schläft der Schmelz der Violinen
Und träumt ein Trost, der nicht dem Tag entstammt,
Und sorglos nimmst du Süßigkeit von ihnen
Gleich einer Rose, die am Wege flammt.


Wohl müssen die Lieder im Abend sein
Und dort meines Weges warten,
Denn geh ich in seine Arme hinein,
So tönt mein Herz ganz glockenrein
Und klingt wie der Wind durch den Garten.

Ist dies der Abend, der also singt
Und den meine Lieder erlauschen,
Ist's Mondglanz, der süß und silberbeschwingt
In die perlenden Kelche der Blüten sinkt,
Ist's der Wälder traumraunendes Rauschen?

Ich weiß nur: ein lockender Wille drängt
Mich hin in die Abendgelände,
Und wie das Herz dort sinnt und denkt,
Fühlt es oft, wundersam beschenkt,
Eines Liedes aufpochende Hände.

Und fühlt: der Abend ist reich und rein
Und voll von rauschenden Gnaden.
Was wir uns ersingen, war alles sein
Und unser Wandern ein Weg allein
Auf seinen ferndunkelnden Pfaden.


Träume

Du mußt dich ganz deinen Träumen vertrauen
Und ihr heimlichstes Wesen erlernen,
Wie sie sich hoch in den flutenden blauen
Fernen verlieren gleich wehenden Sternen.
Und wenn sie in deine Nächte glänzen
Und Wunsch und Wille, Geschenk und Gefahr
Lächelnd verknüpfen zu flüchtigen Kränzen,
So nimm sie wie milde Blüten ins Haar.
Und schenke dich ganz ihrem leuchtenden Spiele
In ihnen ist Wahrheit des ewigen Scheins,
Schöne Schatten all deiner Ziele
Rinnen sie einst mit den Taten in Eins.


Lied des Einsiedels

Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin!

Der stummen Sterne reine Nähe
Weht mich mit ihrem Zauber an
Und hat der Erde Lust und Wehe
Von meinen Stunden abgetan.

Der süße Atem meiner Geige
Füllt nun mit Gnade mein Gemach,
Und so ich mich dem Abend neige,
Wird Gottes Stimme in mir wach.

Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin,

Und von der Welt nur dies begehre,
Die weißen Wolken anzusehn,
Die lächelnd, über Schmerz und Schwere,
Von Gott hin zu den Menschen gehn.


Überglänzte Nacht

Der Himmel, dran die blanken Sterne hängen,
Hat seine Fernen atmend ausgespannt,
Und nachtverhüllte Blüten übersprengen
Mit heißen Düften das verklärte Land.

Die Wälder brennen blau wie Amethyste.
Sie rauschen nicht. Stumm stehen ihre Reihn,
Und solche Stille Hegt im Land, als müßte
Der Engel Schwinge über ihnen sein.

Und jedes Herz muß diesen Segen spüren,
Und alle Wege, die noch irre gehn,
Wird nun ein Traum zu jenen Türen führen,
Die vor den Landen der Verheißung stehn.


Herbst

Traumstill die Welt. Nur ab und zu ein heisrer Schrei
Von Raben, die verflatternd um die Stoppeln streichen.
Der düstre Himmel drückt wie mattes schweres Blei
Ins Land hinab. Und sacht mit seinen sammetweichen
Schleichschritten geht der Herbst durch Grau und Einerlei.

Und in sein schweres Schweigen geh auch ich hinein,
Der unbefriedigt von des Sommers Glanz geschieden.
Die linde Stille schläfert meine Wünsche ein.
Mir wird der Herbst so nah. Ich fühle seinen Frieden:
Mein Herz wird reich und groß in weitem Einsamsein.

Denn Schwermut, die die dunklen Dörfer überweht,
Hat meiner Seele viel von ihrem Glück gegeben.
Nun tönt sie leiser, eine Glocke zum Gebet,
Und glockenrein und abendmild scheint mir mein Leben,

Seit es des Herbstes ernstes Bruderwort versteht.

Nun will ich ruhen wie das müde dunkle Land . . .
Beglückter geht mein Träumerschritt in leise Stunden,
Und sanfter fühle ich der Sehnsucht heiße Hand.
Mir ist, als hätt ich einen treuen Freund gefunden,
Der mir oft nahe war und den ich nie gekannt . . .


Der dunkle Falter

Noch glüht, umwölkt von kühlen Abendrosen,
Vor mir die Heimat. Doch mein Herz erbebt
Vom Sehnsuchtslied der ewig Heimatlosen
Und fühlt den Schmerz, den es doch nie erlebt.

Wie eine milde, traurig-süße Mahnung
Umfängt mich dieses fremde Bruderleid.
Früh flügelt schon der dunkle Falter Ahnung
Über die Gärten meiner Jugendzeit.

So deutungsvoll ward mir das Stundenschlagen,
So müd mein Herz. Und selbst den tiefen Glanz
Der Frauenblicke weiß ich nur zu tragen,
Wie bange Hände einen welken Kranz . . .


Sinkender Himmel

Du Herz, das immer die Sterne begehrte,
Für jeden Wunsch verschenkt sich ein Traum.
Sieh, schon neigt sich der abendverklärte
Himmel zu dir, und du faßt es kaum.

Neigt sich und neigt sich. Und in sein Sinken
Hebt die Erde verschreckt ihr Gesicht,
Und wie mit purpurnen Lippen trinken
Die Höhen das letzte löschende Licht.

Alle Bäume schon müssen ihn fühlen,
Steil greift ihr Schmerz in den Abend empor,
Und mit den zitternden Armen wühlen
Sie sich in den samtenen Sternenflor.

Und tiefer rauschen die Wolkenfernen.
Schon streifen sie dich, wie ein Kuß, wie ein Kleid,
Und wiegen nun sanft mit den silbernen Sternen
Dein Herz in die nahe Unendlichkeit.


Graues Land

Wolken in dämmernder Röte
Drohn über dem einsamen Feld.
Wie ein Mann mit trauriger Flöte
Geht der Herbst durch die Welt.

Du kannst seine Nähe nicht fassen,
Nicht lauschen der Melodie.
Und doch: in dem fahlen Verblassen
Der Felder fühlst du sie.


Fahrten

Ein Wandrer, der zwei Fremden
Und keine Heimat hat.
Grillparzer

Noch immer hat kein liebes Band
Mich angeschmiegt an stillen Sinn,
Noch wird mir Heimat jedes Land, ;
Dem ich gerad zu Gaste bin.

Den hellen Straßen geh ich nach
Wie Staub, der nach den Rädern rennt,
Gern rastend unter einem Dach,
Wo nicht ein Herz das meine kennt.

Landfahrer ward ich mit dem Wind
Und des Gedenkens ganz entwöhnt,
Daß mir daheim noch Freunde sind,
Die ich mir einst als Glück ersehnt.

Ein Träumer in die runde Welt,
Der wegwärtswandernd schon vergißt,
Wohin der eigne Sinn ihn schnellt
Und wo sein Herz zu Hause ist.


Sonnenaufgang in Venedig

Erwachende Glocken. - In allen Kanälen
Flackt erst ein Schimmer, noch zitternd und matt,
Und aus dem träumenden Dunkel schälen
Sich schleiernd die Linien der ewigen Stadt.

Sanft füllt sich der Himmel mit Farben und Klängen,
Fernsilbern sind die Lagunen erhellt. -
Die Glöckner läuten mit brennenden Strängen,
Als rissen sie selbst den Tag in die Welt.

Und nun das erste flutende Dämmern!
Wie Flaum von schwebenden Wolken rollt,
Spannt sich von Turm zu Türmen das Hämmern
Der Glocken, ein Netz von bebendem Gold.

Und schneller und heller. Ganz ungeheuer
Bläht sich das Dämmern. - Da bauscht es und birst,
Und Sonne stürzt wie fressendes Feuer
Gierig sich weiter von First zu First.

Der Morgen taut nieder in goldenen Flocken,
Und alle Dächer sind Glorie und Glast.
Und nun erst halten die ruhlosen Glocken
Auf ihren strahlenden Türmen Rast.


Stille Insel
(Bretagne)

Glocken über die Fluren
Hör ich vom Lande wehn
Und kann schon die Konturen
Der runden Türme nicht mehr sehn.

Die Nacht, das Meer, zwei blaue
Bänder:
Durchstickt mit Sternengold,
Haben die Ränder
Der Insel in ihre Falten gerollt.
Alles wird Ferne und
Sinkendes Schweigen.
Wortlos neigen
Die Winde sich nahe an meinen Mund.

Weit und wie ohne Wiederkehr
Scheint dies alles, das mir entgleitet,
Die braunen Hügel, das blinkende Meer,
Die Bäume, die winkend im Hafen stehn,
Die Glocken, die über die Wasser wehn.
Und ich bin schon bereitet
Ins Dunkel, das sich drohend verbreitet,
Mit ihnen zu gehn
Abendallein
Mit meinem lastenden Einsamsein.

Da weht von den späten
Gehöften zwischen den Hügeln, die
Mit leisem Schritt in den Abend treten,
Noch eine schüchterne Melodie.

Und süß beklommen höre ich, wie
Kinder zu Gott in das Dunkel hinein
Um Schlaf und gütige Träume beten.


Nächte am Comersee

Von diesen Nächten, den sternelichtklaren
- Herz mit deinem ruhlosen Schritt! -
Was nimmst du von diesen wunderbaren
Nächten auf deine Wege mit?

Was du empfandest, wenn rings in der Schale
Des Teiches das Silber überschwoll
Und tief bis in die ruhenden Tale
Ein Strom von zitternden Sternen quoll?

Kann das verschatten, wie über dem Hügel
Weiße Blende in Nacht verging,
Wenn sich bläulich der eilende Flügel
Einer Wolke dem Mond umhing ?

Kann das verwehn, wie die schweigsamen stillen
Blumen, die ihr heißes Gebet
Über die kunstvollen Türen der Villen
An dein atmendes Herz geweht?

Kann das verzittern, wie - leiser und blasser,
Eine sinkende Perlenschnur -
Der Mondglanz über das Wiegen der Wasser
Hinrann ins Dunkel und ohne Spur ?

Bleibt dir denn nichts vom Raunen der schwanken
Zypressen hart an dem Ufergang
Und dort von all den Träumergedanken,
Eine Runde lang, eine Stunde lang ?

Vielleicht nur ein Vers vom Wiegen des Windes
Und blinde Sehnsucht zurück in die Zeit,
Wie Duft gelöst in ein wehendes lindes
Gefühl unsagbarer Zärtlichkeit.


Brügge

I
Bei Tag ist alles hier Gewöhnlichkeit.
Die Straße klingt vom Holzschuhtritt der Bauern,
Vom Lärm der Weiber, die am Markte kauern.

Allein im milden Glanz der Abendzeit
Erwacht der alten Häuser leises Trauern.
Die Glocke mahnt . . . Und in den dunkeln Mauern

Erstehn die Träume der Vergangenheit.

II
Hier sind die Häuser wie alte Paläste,
Der Abend hüllt sie in traurigen Flor,
Die Straßen sind leer wie nach einem Feste,
Wenn sich der Schwärm frohlärmender Gäste
Schon fern in die schweigende Nacht verlor.

Die prunkenden Tore mit rostigen Klinken
Sind längst nicht mehr zum Empfang bereit,
Verstaubt und verwittert die Kirchturmzinken,
Die in den Nebel träumend versinken
Wie in das Meer ihrer Traurigkeit.

Und in den Nischen an dunkelnden Wänden,
Da lehnen Gestalten aus bröckelndem Stein,
Und reglos, in heimlichen Wortespenden
Sprechen sie leise die alten Legenden
In die tiefe Schwermut der Straßen hinein . . .

III
Die weißen Wolken fremder Lande,
Die nie ein Turm erklommen hat,
Sie scheinen nah im Spiegelrande
Und eingestickt dem schwarzen Bande
Der stillen Wasser dieser Stadt.

Wie Mädchen, die zur Messe schreiten,
So fromm und fürchtig ist ihr Gehn.
Man sehnt sich sehr, sie zu begleiten
Und über Trauer alter Zeiten
Mit ihnen sinnend hinzuwehn . . .

IV
Lind weht der Abendfriede in die stille Stadt,
Der Sonne goldnes Blut verströmt in den Kanälen,
Und eine Sehnsucht, die nicht Weg und Worte hat,
Beginnt nun von den grauen Türmen zu erzählen.

Die alten Glocken singen dumpf und wunderbar
Von Tagen, da ihr Jubelruf das Land umspannte,
Des Lebens Glanz tief unten in den Straßen war
Und fackelfroh das Wimpelspiel des Hafens brannte,

Von reichen Tagen wundersam und längst verglüht
Und die wie erster Kindertraum so fern geworden.
Das Ave schweigt . . . Und langsam stirbt der Glocken Lied

Und zittert aus in leise bebenden Akkorden.

Die letzten Töne nimmt ein lauer Abendwind,
Und einsam irrt der Nachhall in die toten Gassen,
Die alle schweigsam und ganz schmerzverschüchtert sind,
Ein blindes Kind, das jäh die Führerhand verlassen. -

Durchs stille Wasser streift ein wildes Schwanenpaar,
Und leise raunt die Flut, die schwingensacht erschauert,
Von einer schönen Frau, die Königin einst war
Und nun im dunklen Nonnenkleide einsam trauert . . .


Stadt am See
(Konstanz)

Schon fern, in dämmernder Verschönung
Die ernste Linie einer deutschen Stadt,
Geschmiegt in Wolken von so zarter Tönung,
Wie sie allein der Juniabend hat.

Im Uferpark Musik aus dunklen Lauben,
Ein Lied: kennst du das alte Lied nicht mehr?
So lieb, so trüb wie Saft aus schweren Trauben
Ganz langsam quillt das Lied die Wellen her.

Da klingt dein Herz, als ob es Heimweh hätte,
Und sieht doch diese Stadt zum erstenmal,
Zum erstenmal die dunkle Silhouette,
Die schleiernd tränt im fahlen Mondenstrahl.


Frauen

Wenn ich im Dämmern liege,
Drückt mich das Dunkel kaum.
Wie eine weiche Wiege
Wiegt mich der alte Traum,
Der Traum der schönen Frauen,
Wen tröstete der nicht?

Kaum fühl ich seine Hände,
So neigen sich die Wände,
Die nahe Nacht zerbricht,
Und helle Bilder tauen
Sanft nieder aus dem lauen
Flutenden Rosenlicht.


Blühen

Die Mädchen in den ersten Tagen
Des Frühlings sind so wunderbar.
Noch wissen sie es nicht zu sagen
Und fühlen doch wie Kronentragen
Die Blüten hoch in ihrem Haar.

Des Windes leisen Violinen
Wandern sie nach im Lenzgebet,
Und eine Sehnsucht ist in ihnen,
Die ihre blassen Träumermienen
Mit vielen Feuern überweht.

Und aller Dinge dumpfes Streben
Gewinnt in ihnen seinen Sinn.
Der jungen Erde Rausch und Beben,
Sie tragen es mit ihrem Leben
Schon träumend in den Frühling hin.


Die Zärtlichkeiten

Ich liebe jene ersten bangen Zärtlichkeiten,
Die halb noch Frage sind und halb schon Anvertraun,
Weil hinter ihnen schon die wilden Stunden schreiten,
Die sich wie Pfeiler wuchtend in das Leben baun.

Ein Duft sind sie; des Blutes flüchtigste Berührung,
Ein rascher Blick, ein Lächeln, eine leise Hand -
Sie knistern schon wie rote Funken der Verführung
Und stürzen Feuergarben in der Nächte Brand.

Und sind doch seltsam süß, weil sie im Spiel gegeben
Noch sanft und absichtslos und leise nur verwirrt,
Wie Bäume, die dem Frühlingswind entgegenbeben,
Der sie in seiner harten Faust zerbrechen wird.


Das fremde Lächeln

Mich hält ein leises Lächeln gebannt.
Es hing
Ganz licht und lose am Lippenrand
Einer schönen Frau, die vorüberging.

Die fremde Frau war schön und schlank,
Und fühlte ich gleich, es zielte ihr Gang
In mein Leben.
Und dies Lächeln, das ich in Glut und Scham
Von ihren zartblassen Lippen nahm,
Hat mir ein Schicksal gegeben.

Wie ist dies alles so wundersam,
Das Lächeln, die Frau und mein sehnender Traum
Versponnen zu törichten Tagen.
Mein Herz verirrt sich in Frage und Gram,
Woher dieses seltsame Lächeln kam,
Und weiß ich doch kaum,
Wieso mir das heimliche Wunder geschehn,
Daß ich, erglutend in Glück und Scham,
Ein Lächeln aus fremdem Leben nahm
Und in das meine getragen.

Ich fühle nur: seit
Ich das Lächeln der leisen Lippen getrunken,
Ist die Ahnung einer Unendlichkeit
In mein Leben gesunken.
Meine Nächte leuchten nun still und lau
Wie ein Sternengezelt
In beruhigtem Blau.
Und der zarte Traumglanz, der sie erhellt,
Ist das Lächeln der Frau,
Der viellieben Frau,
Der schönen, an der ich vorüberging,
Der fremden, von der ich ein Schicksal empfing.


Terzinen an ein Mädchen

Seit deine Hände kühl an meinen ruhten,
Fühle ich traumhaft ihre weiße Schwinge
Tief in die Stille meiner Stunden fluten,

Doch eingebannt im Bilde vieler Dinge:
Bald ruhen sie wie schöne weiße Schalen,
Bald knistern sie um eine blaue Klinge,

Verblassen jetzt zu kränklichen Opalen
Und sind nun selbst wie schmachtend matte Frauen -
Doch immer ist in ihren schmalen, fahlen

Gelenken, die das Netz des bleichen blauen
Geäders zart und rätselhaft durchgittert,
Ein irres Leuchten und ein stummes Grauen.

Ist dies mein Traumglanz nur, der so gegittert,
Oder ist Funkenspiel dies deiner Seele
Ein fahles Fieber, das in dir aufzittert

Und das du niederringst mit stolzer Kehle? -
O leih mir, Seltsame, die kühlen Hände,
Doch nicht, daß ich sie so mit Fragen quäle

Und böser Stunden Spur in ihnen fände.
Ganz leise nur, ganz lieb will ich sie nehmen
Und wunschlos halten, deine blassen Hände,

Als wären sie zwei weiße Chrysanthemen.


Die Hände

Eine stille große Güte
Wacht nun zärtlich um mein Leben.
Zweier Hände weiße Blüte
Fühl ich durch mein Dunkel schweben.

Meine Seele klingt von Lachen,
Doch sie wagt sich kaum zu rühren,
Denn sie fürchtet, ein Erwachen
Könnte ihren Traum entführen.

Und sie läßt die schlanken Hände
Wortlos zu sich niederneigen,
Aber wundersame Spende
Wacht und wartet in dem Schweigen.

Denn im Schweigen dämmern Reime,
Die sich sacht zu Versen bauen,
Und aus halberschloßnem Keime
Hebt sich leuchtend das Vertrauen,

Dieses selige Erleben
Als ein Lied den schmalen, weichen
Händen, die es mir gegeben,
Tiefbeseligt darzureichen.


Neue Fülle

O welch Glühn in fremde Hülle,
Da mein Mund an deinem hing!
Doch schon fühlt ich neue Fülle,
Als ich heimwärts von dir ging.

Und so schenkt ich mich der Ferne,
All die Sehnsucht sank in sie,
Und mein Herz und Nacht und Sterne
Rauschten gleiche Melodie.


Die geneigten Krüge

Nun wir bebend die geneigten Krüge
Jäh beglückter Leidenschaften sehn,
Wie nun wild und wehmutsvoll die Flüge
Einer Frage durch die Stunden wehn:

»War dies süßer nicht, als wir noch gingen
Reiner Sehnsucht priesterlich geweiht
Und das Dunkle in den vielen Dingen
Die Verheißung schien der letzten Lieblichkeit,

Da uns, nur den Fernen hingegeben
Traum ein wundersames Leben ward,
Dem der Seelen schwisterliches Schweben
Sich in reinem Sternenflug gepaart,

Da wir träumten wie durch weiße Gärten,
Deren Tempeltüren keiner fand
Und noch nicht dies arme Glück begehrten
Das zerfließt in unsrer heißen Hand?«

War dies süßer nicht? . . . Durch Liebeslüge
Fühlen wir die Frage schmerzlich wehn,
Nun wir bebend die geneigten Krüge
Unsrer jungen Leidenschaften sehn . . .


Die Nacht der Gnaden
Ein Reigen Sonette

I
Ein schwarzer Flor umkränzte die Gelände.
Wie Boote segelten am Himmelsmeer
Die letzten lauen Abendwolken her
Und gössen Schattenschleier um die Wände.

Das Zimmer dunkelte. Die heißen Hände
Der beiden lagen willenlos und schwer
In ihrem Schoß und suchten sich nicht mehr.
Die leeren Worte waren längst zu Ende.

Sie bebten beide. Und ein Schweigen kam
Mit banger Schwüle. Er hielt sie umfangen
Und flehte ohne Wort: »Sei mein! Sei mein!«

Sie zitterte. Die Blüte junger Scham
Wuchs purpurn über ihre blassen Wangen,
Und Tränen stammelten: »Es darf nicht sein.«

II
Da ließ er sie: »Ich will dich nicht betören.
Sei du nur mein, wenn du es längst schon bist.
Nicht eine Gabe sollst du mir gewähren,
Gib mir nur das, was lang mein eigen ist.

Sei mein, so wie sich mit den Sternenchören
Der Himmel flutend in die Nacht ergießt,
Und Seligkeiten werden uns gehören,
Durch die der Strom der Ewigkeiten fließt.

Willst du den Kelch der Sünde nicht nur nippen
Und ganz dein Sein an eine Nacht verschwenden,
So wird bis an die Grenze deiner Tage

Ein Leuchten sprühn von ungeahnten Bränden
Aus dieser Nacht!« - Wie eine bange Klage
Umfing ein zartes Lächeln ihre Lippen:

III
»Was alle andern Schmach und Sünde nennen,
War mir ein Pfad zu lichten Seligkeiten,
Wenn nur auf meinem Mund, dem schmerzgeweihten,
Die roten Male deiner Küsse brennen.

Doch du bist Horcher in die Ewigkeiten,
Von denen mich die dunklen Wolken trennen.
Mich ließ nur Sehnsucht meine Jugend kennen
Und nicht die Träume, die zum Lichte leiten.

Drum will ich mich nicht deinem Willen senken,
Ob auch ein jeder Puls in meinen Gliedern
Mit seiner Sehnsucht dir schon angehört.

Ich bin zu arm, dir Liebe zu erwidern,
Und bin zu stolz, um Armut zu verschenken,
Denn sieh: Ich weiß, ich bin nicht deiner wert!«

IV
Da sprach er sanft - und wie von Orgeldröhnen
War seine Stimme wundersam bewegt -:
»Wer so wie du den Glanz der Güte trägt,
Ist auserwählt, ein Leben licht zu krönen.

Oh fühlst du nicht, wie in verwandten
Tönen
In uns der rasche Takt des Blutes schlägt
Und wilde Flamme in der Tiefe regt,
Um sich in unserm Einklang zu versöhnen?

Ich glüh in dir, du glühst in meinem Leben,
Zu neuer Einheit drängt dein junger Schoß
Und will den Ewigkeiten sich vermählen.

Sei mein! Erst wenn uns übermächtig groß
Die Schauer eigner Schöpfungslust durchbeben,
Rauscht eine Welt in unsern freien Seelen.«

V
So sprach er glühend. Und sie beide standen
Im Bann des Blutes, wortlos wie verzagte
Verlorne Pilger nah den lichten Landen,
Wo schon das Frührot der Erfüllung tagte.

Dann kam ein Seufzen... als ob Weinen klagte...
Ein Knistern wie von sinkenden Gewanden . . .
Ein banger Ruf . . . Und als sein Auge fragte,
Ob sie der Sehnsucht wildes Wort verstanden,

Ward jählings Glanz in seinen Blick getragen,
Wie Glanz von Firnen... Aus dem Dunkel blühte
Gleich einer Lilie schlank und nackt ihr Leib.

Da schwieg sein Herz. Er wußte nichts zu sagen,
Wie ein Gebet durchdrang ihn ihre Güte,
Und diese Nacht ward sie ihm Gott und Weib.

VI
Ihm aber war in dieser Nacht der Gnaden,
Als fühlte er die Welt zum erstenmal.
Er sah die Sterne auf beglänzten Pfaden
Wie Boten wandeln durch den Himmelssaal,

Sah weit das Leuchten über den Gestaden,
Der Morgenröte purpurblassen Strahl,
Fühlte die Winde, wie sie duftbeladen
Sich wiegten in den Wipfeln ohne Zahl,

Sah Frucht und Blüte über den Geländen
Und Saat und Segen. Erst in dieser Nacht
Ward ihm das Wunder aller Schöpfung wahr.

Und wie ein Kind, das in die Welt erwacht,
Nahm er aus diesen milden Frauenhänden
Die neue Pracht, die längst sein eigen war.


Bilder

»Ich wache ja. O laß sie walten
Die unvergleichlichen Gestalten,
Wie sie dorthin mein Auge schickt!
So wunderbar bin ich durchdrungen.
Sind's Träume? Sind's Erinnerungen?
Schon einmal warst du so beglückt.«
                                                       Faust II

 

Der Sucher

Als die Gefährten staunend von den Masten
Die Insel aller Seligkeit erschauten,
Zu der des Meisters Wille sie gesteuert,
Da priesen sie den Kühnen, lang Verhaßten,
Der sie mit Glut und Sehnsucht angefeuert.
Doch er, als Ziele ihm entgegenblauten,
Wandte sich still. Er fürchtete das Rasten.

Sein Herz verging in Weh, als die Gefährten
Mit irrer Inbrunst diese Ufer grüßten,
Die licht und schön wie Gottes Traumbild waren.
Mit Duft und Lied umfingen sie die Gärten
Und lockten lieblich mit den wunderbaren
Bekränzten Frauen, die an süßen Brüsten
Die letzte Sehnsucht sie vergessen lehrten.

Und als das linde Band der Rosenmauer
Sehnsucht und Seligkeit in sich vermählte,
Der Wollust Fackel purpurn aufgeglutet
Und wilde Wellen fremder Jubelschauer
Wie höhnend in die Einsamkeit geblutet,
Die sacht sein Herz zu neuer Inbrunst stählte,
Da schritt er abseits in verhüllter Trauer,

Und ruhte, wo mit wehmutsdunklen Zweigen
Zypressen träumten und die Sykomoren
Sich finster ballten, wie verstrickte Hände.

Tieftraurig sang der Wind auf fernen Geigen,
Und traurig sprach er sich sein Lied zu Ende:
»Was er besaß, das war ihm schon verloren,
Und nur, was er ersehnte, noch sein eigen.« -

Sanft blühte aus der Nacht das Unbegrenzte,
Die letzte Lust, die noch sein Sinn begehrte.
Die Ferne funkelte mit zitternden Rubinen . . .
Und als der Himmel sich mit Sternen kränzte,
Die ihm wie Kronen kühner Taten schienen,
Da schritt er einsam mit dem blanken Schwerte
Zum Strande, wo ein Tempel silbern glänzte,

Und ließ auf den verlassenen Altären
Die goldnen Spangen, die ihm nutzlos deuchten.
Noch einmal fing sein Blick die dunkle Runde:
Dann stieß sein Ruder trotzig von den Schären
Das Boot ins Meer. - Auf seinem blassen Munde
Stand Schweigen. Doch die Stirne trug das Leuchten
Der Gottversucher, die nicht wiederkehren . . .


Landschaft

Nacht. - Die schlummernden Saaten hauchen
Heißen sinnbetäubenden Duft,
Dünste steigen in silbernen Rauchen
Aus der schwülen stockenden Luft.

Fernher droht ein Gewitterleuchten
Über dem dunkelnden Horizont.
Wolken umkreisen gleich aufgescheuchten
Vögeln den gelblich glimmenden Mond.

Und die Donner grollen mit schweren
Rufen in das harrende Land.
Über die reifen rauschenden Ähren
Streift es wie eine schweigende Hand . . .


Winter

Zu Gott, hoch über dem wandernden Wind
Flehen die Äste mit frierenden Armen:
Erbarmen! Erbarmen!
O sieh, wir waren schon frühlingsbereit,
Nun sind
Wir wieder in weißer Wehmut verschneit,
Und ist doch schon Blühen in unserm Blut.
O schenk uns den warmen
Lenzatem deiner urewigen Glut
Und scheuche den scharfen schneidenden Schnee
Von unseren Blüten. Er tut
Ihnen weh . . .


Biblische Ballade

»Und ein Feuer fuhr nieder vom Herrn und
verzehrte die zweihundertfünfzig Mann.«

Der Abend kam durchs Sternentor der Welten
Und stillte der Empörer lauten Groll.
Wie Todesschatten lag auf ihren Zelten
Das Schweigen bange und erwartungsvoll.

Jäh unter sie war eine Angst getreten,
Und auf die Lippen, noch von Flüchen schwer,
Klomm blaß ein erstes Lallen von Gebeten -
Da zog schon fern ein dumpfes Rauschen her.

Ein Blitz fuhr auf . . . Die Nacht ward steil zerbrochen,
Ein Feuerstrom sank aus der starren Wand
Und mitleidslos, wie es sein Wort versprochen,
Schlug alle Frevler Gottes starke Hand.

Mit Dunkel füllte sich die Himmelsschale,
In Wolkenflut ertrank des Mondes Horn,
Jehovas Sturm posaunte durch die Tale,
Und von den Höhen wetterte sein Zorn.


Der Verführer

Ich weiß nicht mehr, wie mein Leben war,
Bevor ich die Frauen kannte.
Ich weiß nur, ein dunkles Beben war
In meinem Blute, wenn ich zur Nacht,
Aus einem lockenden Traum erwacht,
Die Dinge mit fremden Namen nannte.
Da warf ich mein Fieber in Bücher und Bild
Bis sie mir ganz gehörten,
Durch die Gassen stürmte ich wild ?
Und durch die dunkelnden Gärten.
Alle Dinge, die ich berührte,
Schienen mir Rätsel und raunende Worte.
Ich fühlte vor mir die offene Pforte
Und war doch zu zag,
Die andern zu fragen, wohin sie mich führte.

Und wußte es endlich an einem Tag.

Kaum sinn ich noch, wer die erste war,
Von der mir die wilde Erkenntnis kam.
Mir ist nur, als ob ihr gelöstes Haar
Mich manchmal wie flüsternder Duft umwehte
Und ihre sterbende Mädchenscham
Noch einmal in meine Augen flehte.

Doch ich nahm
Sie hart, wie Tiere ihre Opfer packen,
Nahm sie in trotziger Knabenart.
Da, - durch den Schleier der Wollust sah
Ich glühend nah
Ihr Auge in eigenem Lichte flacken.

Dieser seltsame Blick!
Von Haß und Qual ein brennender Stoß
Und doch namenlos
Glänzend von einem quellenden Glück,
Tiefster Traum dem Trotze gepaart,
Als zitterten diese gierigen Augen,
Mit ihrem Hasse mich in sich zu saugen,
Als ob das Feuer, das rot sie durchrollte,
Mich ganz in den Flammen vernichten wollte.

Und ein tolles Verlangen hat mich gedrängt,
In allen Frauen
Ewig nur mehr diesen Bück zu schauen,
Tiefste Sehnsucht, begehrendes Grauen,
Weigern und Wille und Widerstand
Funkelnd in einem einzigen Brand. -
Und die sinkende Hand und über den Wangen
Wie stürzende Welle das rote Verlangen,
Die wilde Minute,
Da allen Sinnen das Band zerreißt
Und lodernd im Blute
Die Flamme des ewigen Willens kreist.

Seit jenem Tage
hab ich verlernt,
Die laue Anmut der Städte zu sehn,
Die Wolken, die über die Wälder wehn,
Mit den Frühlingswinden über das Feld
Erschauernd zu gehn.
Mein Himmel ist nur mehr mit Frauen besternt
Und schwingt um mich als ewige Welt.
An ihnen zähle ich Stunden und messe
Tage und Taten nach ihrem Maß,
Denn der Tag, an dem ich keine besessen,
Ist einer, an dem ich zu leben vergaß.

Oh, von des Dunkels sinkendem Pfad
Leise schauernd ins laue Bad
Ihrer weißen Leiber zu gleiten,
Und von ihren vollen
Atmenden Brüsten
Wie von weichen Wellen gehoben
Zu den fernen lockenden Küsten
Unbekannter Lüste zu rollen,
Ganz in die purpurnen Tiefen der schwülen
Fremden Seelen sich einzuwühlen.

Und dann des Morgens die schimmernden Ranken
Ihrer Arme, die wild mich umblühten,
Sanft zu lösen von atmender Brust,
Nicht mehr zurücksehn, nicht mehr ihr danken,
Vorwärtsfiebernd mit neuerglühten
Sinnen fort in die Ferne zu wandern
Hin zu den andern
Harrenden Meeren der ewigen Lust.

Mein Weg geht weiter, ich halte nicht Rast.
Der Sehnenden Schrei,
Der Stöhnenden Fluch,
Der Verlassenen Schmach
Hetzt mir nach,
Doch schrill wie ein Tuch
Reißt hinter mir mein Leben entzwei.
Dem Unbekannten bleib ich nur Gast,
Was ich erstrebte, ist nicht mehr Begehr,
Was ich erlebte, leb ich nicht mehr!

Mein Weg geht weiter, wie durch den Wald
Gottes zornige Stürme brechen.
Ich werde nicht alt.
Die Gewalt
Der Sehnsucht befeuert
Mein Blut und erneuert
Den Willen, den tausend Siege nicht schwächen.
Denn jenes tiefste Geheimnis ist mein
Zu sein
Wie das Feuer, kaltfunkelnd im Edelstein,
Glut aus allen Poren versprühend
Und nie doch verglühend.
Der Atem von jenen, die ich bewältigt,
Hat meine Kraft nur vertausendfältigt.
Meine Seele flammt von der andern Licht,
Sie funkelt: und doch, sie verzehrt sich nicht.

Sie aber reißen sich nicht mehr los!
In allen den andern, die später kamen,
Liebt ihre Seele nur meinen Namen.
Aus zuckendem Schoß
Werfen sie Kinder ins Leben hinein.
Die sind nicht mein
Und ziehen doch nur meine Träume groß.
In ihren Augen
Glimmen die Funken von meinen Gelüsten,
Und sie saugen
Das Fieber aus ihrer Mütter Brüsten.
So kreist mein Wille in ewiger Flut,
Sie erben die Glut,
Und stumm schon hinter des Todes Türen
Werd ich noch tausend Frauen verführen.

Aber manchmal scheint dies alles so klein!
Denn hart vorüber am suchenden Blick
Laufen Straßen ins Land zurück.
Und Städte mit vielen Menschen sind
Irgendwo weit hinter Woge und Wind,
Und viele Frauen müssen dort sein,
Sanfte Frauen mit wiegendem Gang
Und heiße, von vielen Träumen ermattet,
Kinder, in deren Abendgesang
Ein erster fremder Gedanke schattet.
Alle
Haben mich nie gesehen,
Alle
Müßten erglühend vor mir stehen.
Der Gedanke verstört
Mein Glück, daß nicht alles mir gehört.
Ich will es nicht denken,
Daß Frauen sich auch an andre verschenken.
Ich wollte sie alle an meinen Händen,
Alle fühlen wie funkelnde Ringe,
Alle besitzen und alle verschwenden.
Ich möchte die Welt wie ein glühendes Weib
An meine verlangende Seele betten
Und ihren Leib
Mit den Flammen meiner zwei Arme umketten.
Alles, was lebt und lockt in den Dingen,
Möchte ich wie eine Frau bezwingen.

Doch was ich erfasse, es ist nur Teil.
Die Sehnsucht, der ewig glühende Pfeil,
Ob ich ihn rastlos ins Ferne versende,
Ewig schmettert sein Schwung am Ende
Bodenwärts
Und bohrt sich brennend ins eigene Herz.


Das Tal der Trauer

Cosi cominciando ad errare la mia fantasia
venni a quello, che non sapea dove io fossi;
e veder mi parea donne andare scapigliate,
piangendo per via, maravigliosamente tristi.

                                                      La vita nuova XXIII.

In einer Nacht, darin kein Licht sich rührte,
War mir, als ob ein fremder Ruf mich nannte
Und eine Hand mich jäh zu Fernen führte.


Auf Wegen ging ich, die mein Schritt nie kannte,
Und plötzlich, von der Schwärze Glanz bespiegelt,
Enthüllte sich mein dunkler Führer:
Dante!

Ein Schweben war es, wie vom Wind beflügelt,
Durch Wolken, die sich bös wie Tiere packten,
Vorbei an Ländern, karg und hochgehügelt,

An Felsen, die zum Himmel mit den nackten
Armstümpfen griffen, und vorbei an Schroffen,
Die sich zu schreckhaft wilden Formen zackten.

Doch endlich stand ein fahles Tal uns offen,
Und als mein Blick durch seine Tiefe strebte,
Ward er von einem Rätselbild betroffen.

Ein heller Nebel, der von Höhlen bebte,
Floß quellend her in windbewegten Schichten,
Und staunend fühlte ich, daß alles lebte

In diesen Fluten, daß die lichten, dichten
Dunstschleier sich im Näherspülen teilten
Zu einem Schwärm von seltsamen Gesichten.

Denn Frauen waren dies, die flügelnd eilten,
Die nackten Arme tänzerisch erhoben.
Und wie sie lärmend auf uns näherpfeilten,

Sah ich den Sturm in ihren Gliedern toben,
Und wie die lohen Flammen ihrer Haare
Sie in ein rotes Feuernetz verwoben.

Und immer mehr aufströmten dieser Paare,
Herwerfend sich mit den verbuhlten Hüften,
Als glühe Wollust vieler tausend Jahre

In einer Stunde aus den rauhen Klüften,
Und wehte Lust aus allen Menschheitszeiten
In Rauch empor zu diesen grauen Lüften.

Doch manchen war ein ruhevolles Schreiten,
Sie gingen scheu, die Augen tränenblinkend,
Den Weg der wundersamen Traurigkeiten,

Manchmal aus breitgebauchten Krügen trinkend
Mit jener Gier, die auch die andern hatten,
Dann rücklings wieder in die Trauer sinkend,

Und in der Augen tiefgehöhlten Schatten
Glomm gleiches Licht, wie es den andern glühte;
Denn Schweigen schien sich hier dem Schrei zu gatten

Und Lust und Schmerz, die rot' und dunkle Blüte
Flocht sich zu eins in aller Frauen Gesten -
Verzweiflung, die sich zu verschließen mühte,

Schlug durch die Glieder, die sich fiebrig preßten,
Und aus dem Jubel stiegen nicht die Schwingen,
Die leuchtend ruhen ob den reinen Festen.

Nur Taumel trieb mit unsichtbaren Klingen
Sie vorwärts. Und die trunkenen Mänaden
Waren wie jene, die in Wehmut gingen,

Von einem unnennbaren Leid beladen,
Leid, das ich ahnte, ohne es zu fassen. -
Doch immer heller quollen aus den Schwaden

Des Nebels weißgeschäumte Frauenmassen,
Und immer schneller wiegten ihre Tänze
Die Schmerzenswollust her an mein Erblassen.

Verloren war mir aller Sinne Grenze,
Und jäh geschlittert zwischen Lust und Grauen
Vom tiefsten Tal bis an der Sterne Kränze,

Schrie ich empor: »Wer sind die nackten Frauen,
Mein Meister, Wandrer du durch alle Kreise
Der unbetretnen Welt?« - In seine Brauen

Schob eine Falte sich. In Priesterweise
Die Hände hebend, die dem Bösen wehren,
Sprach er, sich meinen Lippen neigend, leise:

»Dies sind die Frauen, die der Qual gehören
Und nicht der Gnade. Denn sie alle kannten
Im Leben nur die Wollust zu betören,

Und nicht zu lieben. Tausend Herzen brannten
Für ihren Leib, der nun in Brunst sich windet,
Denn Jener warf sie hin zu den Verbannten,

Dem sie der letzte Sinn des Lebens kündet.
Sie fachten Brände an, die sie nicht hatten,
Nun aber hat die Lust sie selbst entzündet,

Und peitscht sie fiebernd durch das Tal der Schatten.
Erbarmungslos, wie sie den andern waren,
Sind nun die Lüste, die sich ihnen gatten.

Ein Nesselfeuer glimmt von ihren Haaren
Und sengt mit Leidenschaft die nackten Lenden,
Daß sie wie toll in alle Winde fahren,

Doch keine Quelle kann da Kühlung spenden,
Wie sie in ihrer Qual zu hoffen meinten.
Und jene Krüge in den heißen Händen

Sind voll von Tränen. Die sie einstens weinten,
Waren so torenhaft in ihrem Sehnen,
Daß sie zu Füßen der Verdammten greinten,

Und in den Krügen glühn nun ihre Tränen,
Geschmolzen in der Liebe Bitternissen. -
Doch jene, die darin die Kühlung wähnen

Und nicht den Ratschluß ihres Richters wissen,
Beredet Durst, den Becher steil zu schlürfen,
Daß ärger nur, vom scharfen Salz zerrissen,

Die Lippen dorren und sich brennend schürfen.
Doch neue Hoffnung beugt sie zu dem Rande,
Von dem sie niemals Kühlung hoffen dürfen. -

So kettet eine unsichtbare Bande
Den Schmerz an Schmerz zu seiner Qualen Stillung,
Verkehrt den Trotz in Glut, den Stolz in Schande.

Die Not der andern ist für sie Erfüllung!
Sie alle, die zum Spiel die Liebe deuten,
Bestraft so Gott in deutsamer Verhüllung.« -

Die Stimme stieg, wie frommer Glocken Läuten . . .
Doch jene Frauen, die uns sprechen hörten
Und sich entflammt der fremden Männer freuten,

Stoben heran. Entblößte Glieder kehrten
Sich unsern zu, und in erwachtem Schauer
Empfand ich jäh, wie sehr sie uns begehrten.

Aufschrie die Wollust in der Müden Trauer,
Und selig baute sich aus den versehnten
Blinkenden Frauen eine weiße Mauer

Schimmernder Leiber, die sich lüstern dehnten.
Wie Rosenfeuer schoß das heiße Schwelen
Im Blute auf. Verwirrte Worte tränten

Von ihren Lippen, hoch in weißen Kehlen
Zuckte ein Krampf, mit heißen Lichtern flackte
Im Blick der jähe Wahnsinn ihrer Seelen.

Hart bis an uns her wellte warm der nackte
Strom ihrer Glieder, und an unsern fühlten
Wir ihrer Herzen zügellose Takte,

Fühlten die scharfen Düfte des verschwülten
Geflechtes ihrer Haare, leise Schlingen,
Die uns verwühlten und gefangen hielten.

Die Arme, rund gebeugt zu weißen Ringen,
Begannen uns betörend zu umschließen;
Mein Blut, aufhämmernd von so süßen Dingen,

Die ganz des Meisters Wort vergessen ließen,
Begehrte nur mehr, in die linden, lauen
Geströme sanft ersterbend hinzufließen.

Da schnitt wie Messer in das süße Grauen
Des Meisters Stimme ein: »Was flüchtet
Ihr nun zur Liebe, Ihr verruchten Frauen?

Ihr habt sie nie erkannt! Und nun beschwichtet
Kein Mitleid mehr den Aufruhr Eurer Lüste.
Ihr seid von Gott erkannt und seid gerichtet.

Und wenn auch dieser Eure Lippen küßte,
Und wenn ich selbst, vergessend meine Würde,
Hintaumelte ans Bette Eurer Brüste,

So wißt, daß auch die Lust zur Qual Euch würde.
Drum geht und trinkt die Tränen der Betrübten,
Denn kein Verzeihen lindert Eure Bürde!« -

Der herbe Ruf erschreckte die Verliebten,
Denn wie aus hohen Himmeln stürzend scholl er
Zu ihnen hin, daß sie in Angst zerstiebten.

Die einen tanzten nur noch taumeltoller,
Verzweiflung war ihr lüstern Händespreiten,
Die andern aber faßten wehmutsvoller

Den Krug der wundersamen Traurigkeiten.
Und wieder schleierhaft zur Ferne schwebend,
Verflossen ihre Formen in die Weiten.

Nur eine blieb und sagte zornerbebend:
»Bist du nicht jener Florentiner Dante,
In Trotz und Trauer nur den Fernen lebend,

Seit dich die Stadt aus ihrem Schoß verbannte?
Und war ein Mädchen nicht dereinst dir teuer,
Die Beatrice hieß und die ich kannte

In jener Welt der süßen Abenteuer?
Ich weiß: in reinem Höhen ist nun diese,
Die früh verstarb, und mattes Sternenfeuer

Wiegt silbern sich auf ihrer Haare Vliese.
Zu Gottes Antlitz ist sie hingewendet,
Den Engeln schwisterlich im Paradiese.

Doch ob du dich auch ganz an sie verschwendet,
Was schmähst du uns ? Kannst du das Schicksal wissen,
Ein Leben richten, eh es sich vollendet?

Das Leben ist ein Weg im Ungewissen,
Und Gott allein das All der Möglichkeiten.
Sie starb. Allein sie hat nicht sterben müssen.

Sie konnte blühn zu linden Lieblichkeiten,
Und bald genaht war ihren Kindergliedern
Die süße Not der ersten Werdezeiten.

Nichts wußte sie auf Liebe zu erwidern,
Als sie dich sah. Doch wer kann dir es sagen,
Ob sie, die noch mit halbverschloßnen Lidern

Vom Leben ging, in fraulich reifen Tagen
Nicht dich und deine Glut mißachtet hätte ?
Ob sie dich je geliebt, wer kann sie fragen,

Die nun schon wandelt an der Gnaden Stätte ?
Vielleicht um ihrer Weigrung willen wäre
Sie hier mit uns geschweißt an eine Kette,

Den Brand im Blute, taumelnd durch die Leere
Verschneiter Nacht, geschreckt vom Feuerscheine
Der gleichen Glut, in der ich mich verzehre.

Und ihr Begehren, war es nicht das deine,
Dein Schmerz nicht ihre Buße? Vielleicht stände
Sie lüstern vor dir, sie, die Unschuldreine,

Und fiebernd krampften die geliebten Hände
Den bittern Krug, gefüllt mit deinen Tränen?« -
So höhnte jene. Und in jäher Wende

Warf sie sich hoch. Die roten Strähnen
Peitschten die beiden nackten Frauenbrüste,
Ein Lachen quoll ihr höhnisch aus den Zähnen.

Hinwinkend, als ob jener folgen müßte,
Hob sie den Blick. Und wie im Sturme raste
Sie in den Qualm der anderen Gelüste. -

Ich sah auf Dante, wie er erst erblaßte
Und, hart getroffen von dem Speer der Lüge,
Aufstöhnend nach dem lauten Herzen faßte.

Dann aber hellte Lächeln seine Züge,
Und aufwärtsschwebend, als ob durch die Räume
Dies Lächeln ihn zu Beatricen trüge,

Ließ er mich einsam in dem Tal der Träume.


Sinnende Stunde

 

Sinnende Stunde

In dem dunklen Spiel der Bilder
Spiegelst du dein Leben jung,
Und es scheint dir sanft und milder,
Schattend als Erinnerung.

All die Stunden, die ins Ferne
Einst vergingen, werden wach.
Nie begehrte nahe Sterne
Funkeln jäh in dein Gemach.

Taten träumst du an der Schwelle,
Frauen, die du nie ersiegt,
Bis der Wehmut weiche Welle
Dich in ihren Armen wiegt.


Verträumte Tage

Tage, die ich voll verträumte -
Oh, du von Erinnerung
Zart beschwingte, sanft umsäumte
Schar der frühen Dämmerung! -

Warum schwebt ihr wieder gleitend
Nahe an mein Leben hin,
Meine Stunden neu verleitend
Wolkig mit euch hinzuziehn?

Ist denn wirklich Traum das Leben,
Sinnen süßer als das Schaun?
Soll ich wieder mich dem Schweben
Eurer Schwingen anvertraun?

Dunkel sich zu Bildern bauschend
Kreisen mich die Träume ein,
Blind betörend, süß berauschend
Lockt ihr dämmernd Nahesein.

Und ich fühle: ein Ermatten
Macht mich ihrem Mahnen schwach;
Willenlos, ein dumpfer Schatten
Irrt mein Tag den Träumen nach.


Entkettung

Der Ring der Dinge, dem du eingesponnen,
Verarmt dich nur, wenn er dich ganz bewältigt.
Erst wenn du seiner nahen Kraft entronnen,
Fühlst du den Blick in dich verhundertfältigt,
Denn aus den Bächen deines Blutes steigen,
Die Bilder spiegelnd, die rings um dich sind,
Was dich betastet, war dir längst schon eigen,
Und alles bist du: Blüte, Baum und Wind,
Bist Feld und Welt, entgrenzt dem Rand des Raumes
Zu Weg und Wolke deines Schöpfertraumes,
Bist Melodie, die in sich selber ruht,
Traumhaft vertieft in ihr beseeltes Schweigen,
Und Einsamkeit ballt aus der dumpfen Glut
Die goldnen Funken, die zu Sternen steigen.


Die Frage

Der Abend, der sich in die Nacht verblutet,
Rührt deine Seele stets mit gleicher Frage,
Denn täglich wehst du mit dem toten Tage
Ins Dunkel weiter, das die Welt umflutet,

Bist eingefangen in dem stummen Ringe,
Ein flackernd Licht im kalten Sternenraume,
Und spürst nur, horchend aus verwirrtem Traume
Die nahe Flut der unnennbaren Dinge.

Nimmst du ein einzeln Ding aus deinem Leben
Und wiegst es prüfend in der hohlen Hand,
Du fühlst darin das große Dunkel beben,

Und jedes ist zu neuen Wundern Welle,
Und fast schon nahe jenem letzten Strand,
Doch Weg ist alles: keines ist die Schwelle.


Die Wolken

Vom Glanz des Mittags golden angeglüht
Lieg ich im Gras. Ich bin so wohlig müd.

Ein Schweigen flimmert. Warmen Atems ruht
Das Leben aus. Nur hoch in blauer Flut

Gehn Wolken hin, das einzig noch Bewegte
Der schwülen Welt, die sich zum Schlafe legte.

Gehn Wolken hin . . . Ich seh die linden leisen
Gestalten leichtbeschwingt wie Träume reisen.

So weiß sind sie, so lächelnd aller Schwere,
Daß ich zutiefst so leises Glück begehre.

Du erste, träumerisch und mädchenzart,
Dir geb ich meine Sehnsucht auf die Fahrt,

Und dir, du zweite, mit den hellen schnellen
Armen dich stoßend durch die blauen Wellen,

Nimm die Erinnerung! Die kettet an
Die Welt mein Herz. Du weißer wilder Schwan

Schaust auch die Welt, doch deine Schwingen spüren
Die Dinge nicht, die sie im Flug berühren.

Und du mit dem demantenen Geleucht
Nimm diese Träume, noch von Tränen feucht!

Du Dunkle aber, wandernd ohne Ziel
Verliebten Winds unwilliges Gespiel,

Du nimm mein Leid an deine vollen Brüste
Und wieg es weiter! Ferne winkt die Küste

Des Abends schon wie dunkelblaue Seide. -
Ihr Wolken, weißes wehendes Geschmeide,

Wie rasch ihr geht! Mit lauen Händen streicht
Der Wind euch weiter. Und mein Herz wird leicht.

Was Unrast noch in meinem Blute war,
Weht weit im Wind wie loses Frauenhaar.

Was sehnte ich? Ich seh die Wolken wehn,
Ihr Lächeln friedsam auf mich niedersehn.

Nichts will ich mehr . . . Der letzte Wunsch entglitt.
Nichts hält mich mehr . . . Ich reise träumend mit.


Das singende Blut

Im flutenden Dunkel, halb erwacht
Und halb mit träumenden Sinnen,
Hör ich mein Blut durch die Mitternacht
Mit kristallenem Singen rinnen:

»Was bist du? Ein verdorrter Schaft,
Den ich mit Geist durchglute.
Mich zeugt der Erde tiefste Kraft,
Das Dunkel, dem ich mich entrafft,
Zu dem ich heimwärts flute.

Ein Lebenswille reißt mich los.
Durch schwindende Gestalten
Ström ich zurück zum Mutterschoß.
Mein Weg ist lang. Dich streift er bloß
Du kannst mich nicht behalten.

Der Becher, der dein Leben hält,
Ist ganz dem Dunkel zu eigen,
Mit jedem Atem, der zittert und wellt,
Löst sich ein Tropfen, splittert und fällt
Zurück in das ewige Schweigen.«

Das Blut erklingt, und die Stimme singt
Mich ein in purpurnen Traum,
Und die schwarze Welle des Schlafes trinkt
Sie auf in Dunkel und Raum.


Steigender Rauch

Träumerisch ins Abendwerden
Lehnt sich langsam Haus um Haus,
Asche dunkelt auf den Herden
Und löscht letztes Glühen aus.

Alles sinkt in Nacht zusammen,
Nur von stillen Dächern bebt
Noch ein Mahnen an die Flammen,
Rauch, der steil zur Höhe strebt.

Seiner Glut nicht mehr gehörend
Und von ihr doch hochgewellt,
Sich in seinem Flug verzehrend
Und schon Wolken beigesellt,

Eine weiße wunderbare
Schwebe ohne Schwergewicht,
Steigt er langsam in das klare
Ruhevolle Sternenlicht. -

Ist nicht, was ich dumpf begehrte,
Seines Wesens tiefster Sinn,
Daß ich mich in Gluten klärte
Und befreit zu Sternen hin,

Aus dem Dunkel in die Helle,
Schlacke nicht und nicht mehr Glut,
Heimwärts wehte in die Welle
Uferloser Lebensflut?


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